# taz.de -- Palästinenser glauben an Mordkomplott: „Natürlich wurde Arafat … | |
> Ein Besuch in Ramallah zeigt: Neun Jahre nach Arafats Tod machen viele | |
> Palästinenser Israel dafür verantwortlich. Die Obduktion-Ergebnisse | |
> werden ignoriert. | |
Bild: Verkaufsschlager in Ramallah: Arafat-Porträts. | |
RAMALLAH taz | Auffallend häufig lächelt das Konterfei des jungen Jassir | |
Arafat – mal im DIN-A4-Format, mal eine ganze Häuserwand ausfüllend – | |
Autofahrern und Passanten in Ramallah entgegen. Das Bild aus seinen frühen | |
Jahren als Chef der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) hängt | |
dort in Erinnerung an seinen Todestag, der sich am Montag nächster Woche | |
zum neunten Mal jährt. | |
Noch herrscht wenig Betrieb vor dem Mausoleum auf dem Grundstück der | |
Mukata, dem Präsidentensitz, auf dem Arafat unfreiwillig seine letzten | |
Lebensjahre verbrachte. Ein einsames Fernsehteam wartet vergebens auf | |
Gesprächspartner für eine Umfrage über die Untersuchungsergebnisse des | |
Forscherteams in Lausanne. Der Wachposten vor dem Grab langweilt sich. | |
Im Stadtzentrum rund um den Al-Manara-Platz sind deutlich mehr Menschen | |
unterwegs. „Natürlich ist Arafat ermordet worden“, sagt ein 27-jähriger | |
Ingenieur, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Israel hatte Angst vor | |
seinem scharfen Verstand, vor seiner Ideologie und seinem Ziel, unser Land | |
zu befreien“, sagt der junge Palästinenser. Jetzt müsse es einen Prozess | |
geben. „Arafat war ein Mensch wie jeder andere. Jemand muss für den Mord an | |
ihm bestraft werden.“ | |
Fast 40 Jahre lang stand Arafat an der Spitze des palästinensischen Volkes. | |
Jedes Kind kennt den Mann mit der Kufiya, dem Tuch, das er auf eigene Art | |
spitz um den Kopf gebunden trug. Mit seinem Tod schien auch der Traum von | |
Palästina ein Stück weit gestorben zu sein. | |
„Wir lieben Arafat“, sagt die 22-jährige Studentin Rawan Nasrallah. „Er … | |
der beste Präsident, den wir jemals hatten.“ Sie war kaum 13 Jahre alt, als | |
Arafat starb. Ob der Grund für seinen Tod Mord war oder Krankheit, will | |
Rawan erst glauben, „wenn es eindeutige Beweise gibt“. | |
## Zementierte Meinung | |
Die Skepsis der jungen Studentin ist eine Ausnahme, denn kaum jemand | |
zweifelt an der Mordtheorie. Jeder hat eine Meinung, allein schon der Name | |
Arafats weckt die Emotionen. Dass es neue Erkenntnisse gibt, die bedingt | |
die Mordtheorie stärken, wissen allerdings nur wenige. Die Palästinenser | |
sind nachrichtenmüde, scheint es, außerdem würden neue Ergebnisse die schon | |
vorher gefestigten Meinungen kaum beeinflussen. | |
Israels damaliger Regierungschef Ariel Scharon machte aus seiner tiefen | |
Abneigung gegen den Palästinenserchef nie einen Hehl. Die Tatsache, dass | |
trotz zahlreicher Untersuchungen eine Diagnose ausblieb, erschwert den | |
Verdacht gegen den israelischen Politiker zusätzlich. In Jerusalem heißt es | |
derweil, zum Zeitpunkt von Arafats Tod habe Israels Regierung keinerlei | |
Interesse mehr an ihm gehabt. Arafat sei damals „völlig irrelevant“ | |
gewesen, sagt etwa Dov Weisglas, einst Bürochef von Scharon, gegenüber der | |
Presse. | |
All das tut der Theorie vom israelischen Mordkomplott keinen Abbruch. Und | |
warum hat Arafats Frau Suha nicht früher untersuchen lassen, was zum Tod | |
ihres Mannes führte? „Sie war seine Frau, das ist alles“, sagt die | |
Studentin Rawan. Für Palästina habe die Witwe nie viel übrig gehabt. Jetzt | |
erhoffe sie sich vermutlich nur mehr Aufmerksamkeit. „Vielleicht will sie | |
uns beweisen, dass ihr Arafat doch wichtig war.“ | |
7 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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