| # taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Honduras: Das Paar mit Cowboyhut ist zur… | |
| > Am Sonntag wird in Honduras gewählt und Xiomara Castro, die Ehefrau des | |
| > 2009 gestürzten Präsidenten Zelaya, hat beste Chancen auf einen Sieg. | |
| Bild: Xiomara Castro (Mitte) und ihr Mann, der weggeputschte Manuel Zelaya (rec… | |
| TEGUCIGALPA taz | Es ist, als wäre der Putsch erst wenige Tage her: | |
| Kontrollen an den Überlandstraßen, Militärs patrouillieren in Gruppen durch | |
| die Hauptstadt Tegucigalpa. Sogar in den Stadtbussen sitzen sie und machen | |
| dazu ein grimmiges Gesicht. Das muss so sein, „das ist ein Befehl“, sagt | |
| ein Soldat, der das Parlament bewacht. „Wir dürfen nicht lächeln.“ | |
| Immer wieder tauchen Tote auf. Erst vor ein paar Tagen wurde die Leiche des | |
| Kameramanns Murillo Varela gefunden, auf einem Trampelpfad am Rand eines | |
| Armenviertels, von Unbekannten erschossen. Früher, als Manuel Zelaya noch | |
| Präsident von Honduras war, hatte Varela für die Regierung gearbeitet. | |
| Nach dem Militärputsch vom 28. Juni 2009 war er verhaftet und gefoltert | |
| worden. In den Monaten vor seinem gewaltsamen Tod filmte er im Auftrag der | |
| von Zelaya gegründeten Partei „Freiheit und Neugründung“, im spanischen | |
| Kürzel „Libre“. | |
| Es war bekannt, dass Varela gefährdet war. Die Interamerikanische | |
| Menschenrechtskommission - eine Institution der Organisation Amerikanischer | |
| Staaten - hatte vorbeugende Schutzmaßnahmen für ihn angeordnet. Der Staat | |
| von Honduras war dieser Aufforderung nicht nachgekommen, die Todesschwadron | |
| hatte freie Hand. | |
| Über 400 weitere der Opposition nahe stehende Honduraner genießen diesen | |
| Schutz, der nichts nützt. Und trotzdem hat Xiomara Castro, Ehefrau des vor | |
| vier Jahren gestürzten Zelaya, gute Chancen, am kommenden Sonntag zur | |
| Präsidentin von Honduras gewählt zu werden. | |
| ## In den Straßen unsichtbar, in den Umfragen vorne | |
| Im Straßenbild von Tegucigalpa ist Castro kaum zu sehen. Rein optisch ist | |
| ihr dort Juan Orlando Hernández von der rechten Nationalen Partei des | |
| derzeitigen Präsidenten Porfirio Lobo haushoch überlegen. Das glatte | |
| Konterfei des dynamischen 45-Jährigen klebt auf Plakatwänden, auf Hunderten | |
| von Stadtbussen, auf Tausenden von Taxis. | |
| In den meisten Umfragen aber schnitt Hernández ein paar Prozentpunkte | |
| schlechter ab als die Frau des gestürzten Präsidenten. Zu sehr hat Lobo das | |
| arme Land noch weiter heruntergewirtschaftet. Die Liberalen, die sich, wenn | |
| nicht gerade das Militär regierte, seit über hundert Jahren mit den | |
| Nationalen im Präsidentenamt ablösten, sind seit dem Putsch von 2009 | |
| desavouiert. | |
| Denn Zelaya war von der Liberalen Partei - genauso wie Roberto Micheletti, | |
| der Kopf der Verschwörer gegen ihn, der dann beim Putsch als | |
| Übergangspräsident eingesetzt worden war. | |
| Das zumindest hat Libre in den gut zwei Jahren des Bestehens geschafft: Das | |
| traditionelle Zwei-Parteien-System wurde aufgebrochen. Zum ersten Mal haben | |
| die Honduraner eine größere Auswahl als die zwischen einem | |
| Großgrundbesitzer der Nationalen und einem Großunternehmer der Liberalen | |
| Partei. „Ohne den Putsch hätte es diese Öffnung der Parteienlandschaft wohl | |
| kaum gegeben“, sagt der Soziologe Rolando Sierra. | |
| Außer Castro und Hernández treten sechs weitere Kandidaten an. Den | |
| kometenhaften Aufstieg von Libre führt Sierra auf zwei Faktoren zurück: Zum | |
| einen habe ein Teil der Anhänger der Liberalen Partei den Staatsstreich | |
| abgelehnt und sei weiterhin zum gestürzten Zelaya gestanden. Zum anderen | |
| ziehe die neue Linkspartei Wähler an, „die sich vorher nie mit einer Partei | |
| identifizieren konnten und deshalb nie gewählt haben“. | |
| ## Xiomara Castro verspricht „demokratischen Sozialismus“ | |
| Programmatisch ist nichts neu an der neuen Partei: Xiomara Castro | |
| verspricht, den Faden wieder aufzunehmen, der mit dem Putsch gegen ihren | |
| Mann abgerissen worden war: Sie wolle einen „demokratischen Sozialismus“, | |
| vielleicht etwas näher an dem der linken lateinamerikanischen Präsidenten | |
| Evo Morales (Bolivien) und Rafael Correa (Ecuador) orientiert als an den | |
| eher sozialdemokratischen Modellen einer Dilma Rousseff (Brasilien) oder | |
| Michelle Bachelet (Chile). | |
| Am Anfang müsse jedenfalls eine verfassungsgebende Versammlung und eine | |
| grundlegende Reform der Magna Carta stehen. Genau das wollte Zelaya auch | |
| und genau das war der Auslöser für den Putsch: Als er gegen den Willen der | |
| rechten Parlamentsmehrheit eine Volksbefragung über die Einberufung einer | |
| verfassungsgebenden Versammlung durchsetzen wollte, schlugen die Militärs | |
| zu, verhafteten den Präsidenten im Morgengrauen und flogen ihn noch im | |
| Pyjama nach Costa Rica aus. | |
| Xiomara Castro, heute 54, war damals nicht mehr als die Gattin des | |
| Präsidenten. Wie für First Ladies in Lateinamerika üblich, leitete sie ein | |
| Sozialprogramm. Politisch aber war sie blass. Erst mit dem erzwungenen Exil | |
| Zelayas gewann sie ein eigenes Profil. Sie blieb im Land, kämpfte für die | |
| Rückkehr des Gestürzten und stand auch an seiner Seite, nachdem er sich | |
| heimlich in die brasilianische Botschaft von Tegucigalpa geschlichen hatte | |
| und dort Monate lang vom Militär belagert wurde. | |
| ## „Ich will nicht, dass das so weitergeht“ | |
| Heute tritt das Paar meist gemeinsam auf, beide im Country-Look, beide mit | |
| dem klassischen naturweißen Stetson-Hut mit breiter Krempe, der nach dem | |
| Putsch zu Zelayas Markenzeichen geworden war. Sie steht zunächst vorne am | |
| Mikrofon und hält die erste kurze Rede, dann tritt er aus ihrem Schatten | |
| und reißt die Zuhörer mit. | |
| Zelaya ist die deutlich charismatischere Figur des Gespanns. Er selbst darf | |
| nicht mehr antreten. Die honduranische Verfassung verbietet die Wiederwahl | |
| eines Präsidenten. Doch wer Castro vorwirft, sie sei nur eine Marionette | |
| ihres Mannes, erhält die schnippische Antwort: „Ein bisschen mehr Respekt, | |
| bitte. Ich weiß sehr wohl, wie man Honduras aus der Krise führen kann.“ | |
| Inzwischen glauben sogar Unternehmer, dass sie das besser kann als ihr | |
| rechter Gegenspieler Hernández. „Die derzeitige Regierung ist eine | |
| Katastrophe“, sagt Adolfo Facussé. „Ich will nicht, dass das so | |
| weitergeht.“ | |
| Facussé ist nicht nur Vorsitzender des mächtigen nationalen | |
| Unternehmerverbands, er war auch einer der Financiers des Putschs gegen | |
| Zelaya. Jetzt ruft er - noch ein bisschen verschämt - zur Wahl von dessen | |
| Gattin auf. Denn in den vier Jahren Herrschaft der Nationalen Partei wurde | |
| Honduras mehr und mehr zum gescheiterten Staat. Das zentralamerikanische | |
| Land gilt heute mit 86 Morden pro 100.000 Einwohnern im Jahr als das | |
| gefährlichste Land der Welt außerhalb von Kriegszonen. | |
| ## Todesdrohungen und politische Verfolgung | |
| Nun will Kandidat Hernández mit dem Sicherheitsthema trumpfen. Als | |
| Parlamentspräsident hat er die Schaffung einer Militärpolizei durchgesetzt: | |
| Einheiten, die ausgerüstet mit Stahlhelm, schusssicherer Weste und | |
| Sturmgewehr durch die Armenviertel streichen, um dort die | |
| Alltagskriminalität zu bekämpfen. Sie sollen unter seiner Regierung „eine | |
| fundamentale Rolle dabei spielen, im Land ein Klima des Friedens zu | |
| schaffen.“ Vorerst versetzen sie eher die Opposition in Angst und | |
| Schrecken. | |
| „Es gibt massenhaft Menschenrechtsverletzungen und politische Verfolgung“, | |
| sagt Berta Oliva, Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Cofadeh. | |
| „Strafverfolgung dagegen findet schlicht nicht statt.“ Die Zahl der Opfer, | |
| die bedroht oder verfolgt werden, habe seit dem Putsch stetig zugenommen. | |
| Oft seien die Drohungen nicht direkt, sondern versteckt hinter dem Mantel | |
| der allgemeinen Kriminalität. | |
| Edwin Robelo ist einer von denen, die Todesdrohungen erhalten haben, | |
| angeblich von einer Jugendbande. Der 37-jährige hat deshalb sein Haus in | |
| einem Mittelklasseviertel von Tegucigalpa verlassen und ist zusammen mit | |
| seiner Mutter untergetaucht. Zwei Wochen später wurde seine alleingelassene | |
| Wohnung von der Militärpolizei aufgebrochen und durchsucht. Nachbarn haben | |
| ihn informiert und er stellte die Sicherheitskräfte zur Rede. „Sie gaben | |
| mir schließlich einen schriftlichen Bescheid, auf dem stand, dass sie mein | |
| Haus durchsucht haben, weil ich zur Libre-Partei gehören würde.“ | |
| Er ist kein Einzelfall. „Es sind in erster Linie Mitglieder und | |
| Unterstützer von Libre, die Opfer von Verfolgung, Bedrohung und Mord | |
| werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von sieben honduranischen | |
| Menschenrechtsorganisationen. Es seien „staatliche Institutionen, die ein | |
| Klima des Terrors erzeugen, um damit dem Kandidaten der Nationalen Partei | |
| zu nützen“. | |
| Sollte Einschüchterung nicht genügen, haben die traditionellen Parteien ein | |
| weiteres Instrument in der Hinterhand: den Obersten Wahlrat, der von | |
| Repräsentanten der Nationalen und Liberalen kontrolliert wird. Eine | |
| Manipulation des Ergebnisses wäre kein Problem. | |
| Juan Barahona weiß das und glaubt, darauf vorbereitet zu sein. Der | |
| Gewerkschafter hatte während Zelayas Exil den Widerstand gegen die | |
| Putschisten angeführt und soll im Fall eines Wahlsiegs von Castro deren | |
| Stellvertreter werden. „Das Volk hat die Angst verloren“, gibt er sich | |
| optimistisch. „Es wird sich im Fall eines Wahlbetrugs nicht unterm Bett | |
| verkriechen, sondern auf der Straße stehen und weder Zelaya noch ich werden | |
| es aufhalten können.“ | |
| 23 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Cecibel Romero | |
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