Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Honduras Ex-Präsident José Manuel Zelaya: Die Hoffnung trägt Hut
> Knapp zwei Jahre nach dem Putsch ist der gestürzte Präsident Zelaya im
> Triumph nach Honduras zurückgekehrt. Doch die Macht der Putschisten ist
> ungebrochen.
Bild: Wird vom Volk gefeiert: Expräsident und Hutträger Zelaya.
TEGUCIGALPA taz | Es war die Auferstehung des José Manuel Zelaya, sein Sieg
nach der Erniedrigung. 23 Monate nach seinem Sturz, ins Werk gesetzt von
Militärs und Oligarchen, kehrte der frühere Präsident von Honduras am
Samstag im Triumph nach Tegucigalpa zurück. Er landete auf dem selben
Flughafen Toncontín, von dem aus er im Januar 2010 das Land in Richtung
Dominikanische Republik verlassen hatte.
Seine Abreise war die zweite Schmach, die er an diesem Ort erfuhr. Am 5.
Juli 2009, eine Woche nachdem er entmachtet und im Schlafanzug nach Costa
Rica geflogen ausgeflogen worden war, hatte er versucht, auf der zwischen
den Hügeln der Hauptstadt eingeklemmten Piste zu landen. Doch Militärs
blockierten die Rollbahn und vertrieben mit Schlagstöcken, Tränengas und
Schüssen Zehntausende seiner Anhänger, die vor dem Flughafen auf ihn
warteten.
Am Samstag sind rund um den Flughafen keine Militärs zu sehen. Aber dafür
sind noch mehr Anhänger Zelayas gekommen als damals. Die Veranstalter
sprechen später von über einer Million Teilnehmern; ein Radioreporter vor
Ort schreit ins Mikrofon, es sei "die größte Menschenansammlung, die es je
in Honduras gegeben hat".
## Mythos der Armen
Zelaya, der Mann mit dem Cowboyhut, ist in den Monaten seines Exils zum
Mythos der Armen von Honduras geworden - und arm sind 70 Prozent der
Bevölkerung. Sein Porträt und nicht das sonst bei solchen Anlässen übliche
Bild Ché Guevaras ziert die roten und schwarzen T-Shirts, die Hunderte von
Straßenhändlern auf dem Weg zum Empfangsort feilbieten. Die Wäschestücke
verleihen ihm den Ehrentitel "Comandante Mel" oder auch "Chef aller Chefs",
eine Bezeichnung, die eher aus der Welt der Drogenmafia kommt.
Schon morgens um 9 Uhr, zwei Stunden vor der angekündigten Ankunft, drängen
sich die Menschen um die Tribüne, die geschmückt ist mit roten Tüchern und
dem obligatorischen Porträt mit Hut. Viele haben die ganze Nacht hier
ausgeharrt, als würden sie die Rückkehr des Messias erwarten.
Gegen halb zehn kündigt ein Sprecher an: "In wenigen Minuten wird der
Comandante eintreffen." Er spricht von einem "historischen Tag", an dem der
"Mann, der auf der Seite des Volkes steht", endlich zurück sein werde.
Folkloregruppen treten auf, religiöse Combos und Rockformationen; dann wird
der Platz vor dem Flughafengebäude in Isis-Obed-Murillo-Platz umbenannt,
nach einem jungen Mann, der hier an jenem 5. Juli 2009 erschossen worden
war.
## Grenzenloser Jubel
Um 11 Uhr hat die schwüle Hitze erste Ohnmachtsanfälle zur Folge. Die
Feuerwehr soll Wasser über die brodelnde Menge spritzen. Der Sprecher auf
der Tribüne kündigt an, Mel habe wohl eine Stunde Verspätung. Doch es
dauerte zweieinhalb Stunden, bis endlich die Nachricht eintrifft, Zelaya
sei auf dem Luftwaffenstützpunkt außerhalb von Tegucigalpa gelandet.
Noch einmal eine knappe Stunde später taucht endlich ein kleines Flugzeug
am Horizont auf. Ein Schrei geht durch die Menge. Und als Zelaya in weißem
Hemd, schwarzer Hose und natürlich mit Hut auf die Bühne steigt, ist kein
Halten mehr. Das Gerüst bricht unter der Last der Menschen fast zusammen,
die seine Hand schütteln oder ihm auf die Schulter klopfen wollen.
## Anhaltende Repression
Zelaya sagt nur so viel, wie in einem solchen Moment zu sagen ist: "Ich
kann es noch gar nicht glauben, wieder bei euch zu sein." Und: "Ich habe
immer gesagt, dass ich zurückkommen werde, tot oder lebendig." Seine Frau
Xiomara Castro de Zelaya und seine Tochter verlesen das Abkommen, das er
vor einer Woche mit dem amtierenden Präsidenten Porfirio Lobo abgeschlossen
hat.
Für Lobo, der aus einer von der Armee kontrollierten Wahl als neuer
Präsident hervorgegangen ist, ist dieser Vertrag ein Sieg. Obwohl er den
Putsch begrüßt hatte, war er kompromissbereit. Denn nach dem Putsch wurde
Honduras international geächtet. Das Land wurde aus der Organisation
Amerikanischer Staaten ausgeschlossen, die meisten Staaten des Kontinents
erkannten Lobo nicht als rechtmäßigen Präsidenten an. Doch mit dem
Friedensvertrag, bei dem der linke venezolanische Präsident Hugo Chávez und
rechte kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos vermittelt haben, soll
das Land befriedet und international rehabilitiert werden.
Das Abkommen zwischen Lobo und Zelaya sieht vor, dass der Gestürzte als
freier Mann in die Heimat zurückkehren kann. Seine Unterstützer aus der
Nationalen Widerstandsfront (FNRP) dürfen an den nächsten Wahlen
teilnehmen. Ob als Partei oder Sammelbewegung, ist noch offen. Es dürfen
Unterschriften gesammelt werden für eine Abstimmung über eine
verfassungsgebende Versammlung - vor 23 Monaten noch war Zelaya gestürzt
worden, weil er eine solche Versammlung wollte. Und schließlich sollen die
Menschenrechte künftig in Honduras geachtet werden.
Das Abkommen öffnet dem Land den Weg zurück in die Organisation
Amerikanischer Staaten. Bereits am 1. Juni soll bei einer Sondersitzung in
Washington entschieden werden, ob Honduras wieder aufgenommen wird.
OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza sieht das Land schon heute "am
Beginn eines Wegs der Versöhnung und des Wiederaufbaus eines soliden
demokratischen Staats". Als wäre Honduras, in dessen 190-jähriger
Geschichte sich Militärdiktaturen und Oligarchenherrschaft ablösten, je ein
"solider demokratischer Staat" gewesen.
## Zelaya wirft USA Unterstützung der Putschisten vor
Auch Zelaya dankt auf der Bühne den beiden vermittelnden Präsidenten, die
seine Rückkehr ermöglicht haben. Zudem nennt er namentlich die Präsidenten
von Argentinien, Bolivien, Brasilien, Ecuador und Nicaragua, die nicht von
seiner Seite gewichen seien. Eigentlich seien alle Regierungen des
Kontinents solidarisch mit ihm gewesen - mit einer einzigen Ausnahme: Die
USA hätten die Putschisten unterstützt und damit verhindert, dass er nicht
unmittelbar nach dem Staatsstreich ins Amt zurückkehren konnte. "Ich hoffe,
sie haben gelernt und werden ihre Haltung ändern."
Zelaya will zurück an die Macht, daran ließ er keinen Zweifel. "Wir werden
uns organisieren, Dorf für Dorf", sagt er am Ende seiner kurzen Rede. "Wir
werden für eine neue Verfassung kämpfen. Der Widerstand des Volks wird an
die Macht kommen." Dann steigt er ins Auto. Er fährt in die Residenz des
Präsidenten, aus der er im Morgengrauen des 28. Juni 2009 im Schlafanzug
abgeführt worden war. Am Samstag erwartet ihn dort Porfirio Lobo mit einem
Festmahl. Dort zeigt sich Zelaya ohne Hut.
Seit Lobo Präsident ist, hat die Repression in Honduras noch zugenommen. Es
vergeht kaum eine Woche, in der es keine Toten gibt: Bauern, die Land
besetzt haben, das ihnen vertraglich zugesichert wurde; Gewerkschafter, die
für ihre Rechte kämpfen; Journalisten, die darüber berichten.
"Es wird noch schlimmer kommen", sagte Berta Oliva, die Vorsitzende des
Komitees der Verschwundenen und prominenteste Menschenrechtlerin von
Honduras, am Vorabend der Rückkehr Zelayas der taz. Die Putschisten hätten
sich an der Macht etabliert. "Egal, in welche staatliche Institution wir
gehen, wir treffen dort noch immer auf dieselben Kriminellen." Und weil
Honduras nach der Rückkehr in die OAS aus dem Blickwinkel der
internationalen Öffentlichkeit verschwinden wird, werden sie freie Hand
haben. Dem Freudentaumel der Rückkehr, sagt Oliva voraus, "wird der nächste
Tiefschlag folgen".
Die Auflösung riesiger Menschenmengen hat immer etwas Ernüchterndes. Man
hat ein paar Stunden zusammen gestanden, hat gemeinsam geschrien, dass das
vereinigte Volk nie besiegt werden wird. Und dann ist alles vorbei. Man
geht auseinander. So auch an diesem Samstag. Kaum ist Zelaya ins Auto
gestiegen, fällt Regen auf Tegucigalpa.
29 May 2011
## AUTOREN
Cecibel Romero
## TAGS
Honduras
## ARTIKEL ZUM THEMA
Präsidentschaftswahlen in Honduras: Das Paar mit Cowboyhut ist zurück
Am Sonntag wird in Honduras gewählt und Xiomara Castro, die Ehefrau des
2009 gestürzten Präsidenten Zelaya, hat beste Chancen auf einen Sieg.
Widerstandskämpfer in Honduras: "Emo" stirbt an fünf Kugeln
Der bekannteste Demonstrant gegen den Militärputsch in Honduras wurde
erschossen: Mahadeo Roopchand Sadloo, besser bekannt als "Emo".
Wahrheitskommission in Honduras: Alles vergeben und vergessen
Die staatliche Wahrheitskommission spricht von Verfassungsbruch und
Diktatur. Dass der neue Präsident nur deswegen an die Macht kommen konnte,
ist egal.
Kommentar Reformen in Honduras: Caudillo mit linker Rhetorik
Zelaya versucht, ab sofort Wahlkampf zu machen. Dabei riskiert er
allerdings, dass der Emanzipationsprozess, der mit dem Putsch begonnen hat,
gestoppt wird.
Machtkampf in Honduras: Volkswiderstand soll wählbar werden
Der frühere Präsident Manuel Zelaya gründet ein neues Oppositionsbündnis.
Damit will er bei den Wahlen 2013 punkten. Antreten soll seine Frau.
Kommentar Honduras: Kompromiss mit den Putschisten
Die Rückkehr von Zelaya kann kaum als Sieg der Demokratie gefeiert werden,
selbst wenn es sich um die Symbolfigur handelt. Mehr ist aber derzeit nicht
möglich.
Expräsident von Honduras ist straffrei: Zelaya darf zurück nach Hause
Der 2009 bei einem Putsch gestürzte honduranische Expräsident Manuel Zelaya
kann wieder nach Hause zurückkehren. Alle offenen Strafverfahren wurden
eingestellt.
Zwei Jahre nach dem Putsch in Honduras: Heimkehr ins Land der Putschisten
Der gestürzte Präsident Manuel Zelaya will aus dem Exil zurück. Die
Verhandlungen sind weit fortgeschritten. Aber noch sind nicht alle
Forderungen erfüllt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.