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# taz.de -- Musiker Hans Unstern über Krypto-Folk: „Ich bin nur ein Stoffwec…
> Der Musiker Hans Unstern führt die Öffentlichkeit grundsätzlich in die
> Irre. Gepräch über seine Doppelgänger, einseitige Rezeption und Erfolg.
Bild: Finden Sie den bärtigen Zausel!
Verabredung zum Skype-Interview. Hans Unstern gilt als der mysteriöseste
deutschsingende Musiker und geht mit seinem aktuellen Album („The Great
Hans Unstern Swindle“) nun auf Tour.
Wer genau spricht, bleibt im Dunkeln. Unstern führt Öffentlichkeit und
Medien grundsätzlich in die Irre. Wenn man ihn bisher als bärtigen Zausel
kannte, erschien er zur „Presseperformance“ seines Albums als blauhaariger,
bartloser Jüngling im weißem Overall und mit Spiegelbrille. Dasselbe Alter
Ego erscheint nun auf dem Bildschirm mit Kapuzenpulli und Sonnenbrille vor
verwackeltem Hintergrund.
taz: Herr Unstern, Ihre Öffentlichkeitsarbeit scheint eine Kritik an
Musikindustrie und Medien zu sein. Was ist Ihr Anlass?
Hans Unstern: Ich kritisiere die Rezeption meiner Musik. Ich habe mir die
Frage gestellt: „Wie kann ich das Rezeptionsverhalten zu meinem Album
kommentieren?“ Sie sehen ja, ich sehe anders aus als noch zur
Veröffentlichung. Die Presseperformance war ein gestalterischer Akt. Sie
kritisieren das ständige Personalisieren der Öffentlichkeit, den Zwang
herauszufinden, wer hinter „Hans Unstern“ steckt. Warum soll es komplett
egal sein, wer Sie sind?
Ist das egal? Guckense mal, ich hab mich schick gemacht für Sie. Ich find
das gar nicht so egal.
Aber ist die Autorenschaft Hans Unsterns egal?
Die Autorenschaft ist sehr breit gefächert. Ich bin nur der Wirt für ganz
viele Personen. Da hängen auch ’n paar Prominente dran, etwa Sibylle Berg
oder René Pollesch. Ich bin so was wie ein großes Pop-Asyl. Ich bin mehr
als eine Person.
Das heißt, man sollte nicht nur diesen schrägen, kryptischen Songwriter
sehen, als der Unstern zunächst in Erscheinung trat?
Ich bin nur Stoffwechselmedium. Da rutscht eine ganze Menge Autorenschaft
durch den Kanal. Mein Debütalbum war ’ne PR-Nummer, ich dachte, das wäre
gut, um einen Fuß in die Tür zu kriegen, wenn ich diese
Singer-Songwriter-Nummer mache. Da habe ich mir ’nen Bart angeklebt, ’ne
Gitarre umgehängt und dieses Authentizitätsding bedient. Dann hieß es:
bärtig, einsam, männlich, diese Genie-Kacke.
Was nervt Sie noch an Musikindustrie und Medien?
Mich stört massiv diese Erfolgsgeschichtenerzählung – wir sehen ja nur
erfolgreiche Künstler, von denen erzählt wird, sie hätten vorher prekär
gelebt. Dadurch werden auch Machtverhältnisse reproduziert. Es gibt
hunderttausend Geschichten von weißen, heterosexuellen Männern.
Werden männliche und weibliche Stars denn so unterschiedlich rezipiert?
Na ja, es ist ja nicht so, dass es da hunderttausend Frauen- oder
Lesbenbands gäbe.
Andererseits wurden die Riot-Grrl-Band Le Tigre und ihre Sängerin Kathleen
Hanna auch in gewissen Kreisen stilisiert.
Die werden aber die ganze Zeit als lesbische Band rezipiert, bevor es um
die Musik geht. Das ist das gleiche Schubladenproblem wie mit der
„Frauenliteratur“. Es dauert, bis man da über Arbeit sprechen kann.
Ist der Mythos vom Durchbruch seit jeher eine Rockstarerzählung?
Ich finde den Mythos um die daran geknüpften prekären Lebensverhältnisse
problematisch. Ich bin ja Berufsmusiker; die Bezahlung ist aber eher so,
als dächten die Leute, es sei ein linkes Hobby. Wenn dann einer sagt:
„Applaus ist doch das schönste an der Kunst, darum geht’s doch“, kann ich
beim Bäcker meine Brötchen immer noch nicht in der Währung Applaus zahlen.
Gibt es andere Lösungen als Tantiemen aus Urheberrechten?
Ja, aber gerade übernimmt der Staat wenig Verantwortung für praktizierende
Musiker.
Wenn Popmusik ähnlich subventioniert würde wie etwa das Theater – wäre das
okay?
Ja, dort Gelder hin zu verteilen – ohne es woanders wegzunehmen – wäre
richtig.
In der Ankündigung zum letzten Album hieß es: Für einen erfolgreichen Hans
Unstern bleiben zehn andere unbekannt – und somit arm. Darf man nicht
zwischen guter und schlechter Kunst unterscheiden?
Es ist eine Frage des Umgangs mit Künstlern. Vernünftige Arbeitsbedingungen
müssen von Beginn an finanziell ermöglicht werden. Ich finde es bedenklich,
dass derzeit die Crowdfunding-Geschichte so en vogue ist – also den
Freundeskreis zu fragen, ob er mit Geld aushilft, damit ich arbeiten kann.
28 Nov 2013
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Pop
René Pollesch
Sibylle Berg
Folkmusik
Theater
Postpunk
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