# taz.de -- Angela Davis zurück in Frankfurt: Beifall für eine Kämpferin | |
> Die Uni in Frankfurt hat eine neue Gastprofessur für die Erforschung der | |
> Geschlechterverhältnisse. Bürgerrechtlerin Angela Davis hat sie eröffnet. | |
Bild: Radikale Denkerin mit der berühmtesten Afro-Frisur aller Zeiten: Angela … | |
Angela Davis hat in den nächsten zwei Wochen eine Gastprofessur an der | |
Frankfurter Goethe-Universität inne, die zukünftig ihren Namen tragen wird. | |
Die jährlich verliehene Professur wurde eingerichtet wurde vom „Cornelia | |
Goethe Centrum für Frauenstudien und die Erforschung der | |
Geschlechterverhältnisse“. Ein Zufall ist das nicht, denn die weltweit | |
bekannte Bürgerrechtlerin hat ein besonders Verhältnis zu Frankfurt. | |
Auf Empfehlung ihres „Frankfurter“ Doktorvaters Herbert Marcuse studierte | |
sie von 1965 bis 1967 hier – unter anderem bei Adorno, Horkheimer, Negt und | |
Habermas. In Frankfurt lernte sie in der Zeit der entstehenden | |
Studentenbewegung, Wissenschaft und politische Aktivität, Theorie und | |
Praxis zu verknüpfen. Dem blieb sie lebenslang treu. | |
Die 1944 im tiefsten rassistischen Süden der USA geborene Angela Davis | |
geriet nach ihrer Rückkehr in die USA in politische Stürme. Ronald Reagan, | |
damals Gouverneur in Kalifornien, intervenierte vergeblich gegen ihre | |
Berufung als Professorin. Als schwarze Frau, militante Intellektuelle, | |
Bürgerrechtlerin, Kommunistin und Pazifistin versammelte sie so ziemlich | |
alles, was konservative Amerikaner und nachkriegsnormalisierte Deutsche bis | |
heute als feindlich identifizieren. | |
1970 interessierte sich das FBI für Davis, weil sie im Verdacht stand, bei | |
der Beschaffung von Waffen für die Befreiung eines schwarzen | |
Bürgerrechtlers beteiligt gewesen zu sein. Sie verbrachte 16 Monate in | |
U-Haft, bevor am 27. 2. 1972 der Prozess begann, in dessen Verlauf sie | |
freigesprochen wurde. Noch während des Prozesses veranstaltete das | |
„Sozialistische Büro“ im Juni 1972 in Frankfurt einen | |
„Angela-Davis-Solidaritätskongress“, den Oskar Negt, Herbert Marcuse und | |
Wolfgang Abendroth organisierten. Dafür ist Davis bis heute dankbar. | |
Auch die DDR-Führung wurde auf die militante Pazifistin aufmerksam und lud | |
sie zu einer DDR-Kampagne gegen den Vietnamkrieg und 1973 zu den | |
Weltjugendfestspielen ein. Die FdJ brachte Tausende von ihrem Auftritt | |
begeisterte Schüler in der DDR dazu, ihr unter dem Motto „1 Millionen Rosen | |
für Angela Davis“ selbst bemalte Postkarten zu schicken, die heute im | |
Universitätsarchiv in Stanford lagern. Sie wurde zum Politstar. | |
## Privatisierung Strafvollzug | |
Beim Mediengespräch erläuterte die bald 70-jährige Gastprofessorin ihre | |
Schwerpunkte: sie engagiert sich außer für Frauen auch für Gefangene und | |
kritisiert radikal den „prison-industrial complex“ (die privatisierten | |
Gefängnisse als Geschäftsmodell) in den USA. Mit der Einbettung von | |
Strafvollzug, aber auch Bildung, Sozialarbeit und Pflege in den | |
Kapitalkreislauf und das Profitsystem werden emanzipatorische Potentiale | |
systemisch neutralisiert oder zerstört. | |
Angela Davis versteht sich nicht primär als Feministin, sondern als | |
„schwarze, revolutionäre Frau“: Geschlechtsspezifische Diskriminierung | |
bringt rassistisch und klassenbedingte nicht zum Verschwinden. Angela | |
Davis’ Antrittsvorlesung im überfüllten Saal galt am Dienstag dem Thema | |
„Feminism and Abolition: Theories and Practices for the 21st Century.“ Die | |
Kampagnen zur Abschaffung der Sklaverei sieht Angela Davis auch als Muster | |
für die Abschaffung von anderen Formen von Ungerechtigkeit und | |
Diskriminierung im 21. Jahrhundert. Die Gefängnisstrafe etwa als | |
herrschende Form der Bestrafung betrachtet sie als Ausdruck | |
institutionalisierter Gewalt, die diese nicht beseitigt, sondern in einer | |
spiralförmigen Bewegung ständig reproduziert. Die Kriminalstatistik | |
verniedlicht mit dem Begriff „Rückfallquote“ das, was das Strafsystem so | |
zuverlässig reproduziert wie der Kapitalkreislauf Ware und Profit. | |
Feminismus, der sich nicht in die binäre Sackgasse von Mann/Frau und | |
heterosexueller Normalität verrennt, soll in Davis’ Verständnis dazu | |
beitragen, vermeintliche „Normalitäten“ auf theoretischer Ebene kritisch zu | |
dekonstruieren und politisch praktisch zu bekämpfen. Nur so ist eine | |
Einheit von radikal verstandener Theorie und eingreifender politischer | |
Praxis, wie sie Angela Davis versteht, zu realisieren. Langer | |
enthusiastischer Beifall. | |
5 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Walther | |
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