# taz.de -- Anti-Apartheidspolitik der DDR: Postkarten für Mandela | |
> In der DDR wurde die Solidarität mit Nelson Mandela propagandistisch | |
> genutzt. Doch die Empathie tausender Kinder, die ihm Karten schickten, | |
> war real. | |
Bild: 1990 gingen viele Türen auf, in der DDR und in Südafrika: Nelson Mandel… | |
Für ein Kind der DDR war Nelson Mandela ein unbekannter Held. Ein bärtiger, | |
alter Mann, der hinter Stacheldraht hervor von jenem Plakat schaute, das | |
„Freiheit für Nelson Mandela und alle politischen Gefangenen Südafrikas!“ | |
forderte. Als ich geboren wurde, war er seit einem Jahr der Gefangene auf | |
Robben Island. | |
In meiner Vorstellung war er dort sehr einsam und wurde von riesigen | |
bissigen Hunden angebellt. Es war klar: Die rassistischen Schergen würden | |
ihn da nie wieder rauslassen. Weil er eine dunkle Haut hatte, assoziierte | |
ich – das Kind – ihn als Verwandten von Angela Davis, der wunderschönen | |
US-Bürgerrechtlerin. Mein antikolonialistisches Herz schlug für beide | |
gleichermaßen. | |
Nelson Mandela war einer in jener Reihe von Schutzbedürftigen, die ich als | |
Kind mochte und an die ich keineswegs nur wunschgemäß und weil es irgendwie | |
von staatlicher Seite so erwünscht war, dachte. Diese Empathie für | |
Unterdrückte, Gefolterte, Gefangene überall in der Welt war eine Seite der | |
DDR, die ich immer noch richtig finde. | |
Dass unsere Bleistiftspenden für Vietnams Kinder, die Postakartenaktion für | |
die Freilassung des Chilenen Luis Corvalan oder – eben – Geburtstagskarten | |
nach Robben Island propagandistisch verwertet wurden, begriff ich erst | |
später. Diese kindlichen Gefühle ausgenutzt zu haben – das nehme ich der | |
DDR immer noch übel. Aber die Idee, dass Kinder mit Unterdrückten fühlen, | |
lasse ich mir dadurch nicht vermiesen. | |
## „Sie werden Angst vor euch bekommen“ | |
1986, da war ich schon erwachsen und gab einen Scheiß auf Politik, forderte | |
die Zeitschrift Bummi die DDR-Kinder auf, bunte Geburtstagskarten zu malen, | |
als „Freude für Nelson Mandela“. „Sie werden seinen Augen und seinem Her… | |
Stärke geben!“, feuerte die Bummi-Redaktion ihre kindlichen Leser an. „Je | |
mehr wir schicken, desto größer ist der Ärger der Gefängnisbewacher. Sie | |
werden Angst bekommen vor euch, die ihr so viele seid. Sie haben Angst, | |
dass sie Nelson Mandela freilassen müssen, der sein schwarzes Volk | |
anführt.“ | |
Drei Monate später meldet Bummi, dass im Kapstadter Pollsmoor-Gefängnis | |
80.000 „leuchtende Postkartenkindergrüße“ eingetroffen seien. Man habe au… | |
Mandelas Frau Winnie einige geschickt. „Sie wird bestimmt genauso viel | |
Freude daran haben wie ihr Mann. An seinem Geburtstag werden sie auch über | |
euch, die Kinder der DDR und ihre verständnisvollen, wunderbaren Eltern und | |
Erzieherinnen sprechen!“ Nach allem, was ich heute über Nelson Mandelas | |
damalige Frau Winnie weiß, wird sie mit ihrem Mann eher nicht über den | |
Nachwuchs eines Siebzehn-Millionen-Landes zu reden gehabt haben. | |
Als 1990 plötzlich in meinem Leben alle Türen aufgingen, öffneten sich auch | |
Nelson Mandelas Gefängnistore. Der gruselige Frederic de Klerk hatte die | |
Freilassung angeordnet. Und, noch unglaublicher: Er hatte im Februar 1990 | |
das ANC-Verbot aufgehoben. Fast noch mehr als der Umstand, dass ich | |
plötzlich in Ostberlin direkt aus meiner Wohnungstür hinüber in den Wedding | |
spazieren konnte, fast noch mehr überraschte mich diese Wendung der | |
Geschichte. Wenn das möglich war – nämlich dass der Mann hinter dem | |
Stacheldraht freikommt –, dann war wirklich alles möglich. Und genauso war | |
es ja dann auch. | |
6 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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