| # taz.de -- Wie Mandela zum Pop-Phänomen wurde: Ein Name, der nachklingen wird | |
| > Kein anderer Politiker ist so oft besungen worden wie Nelson Mandela. Das | |
| > ließ ihn schon zu Lebzeiten zu einer Pop-Ikone werden. | |
| Bild: Popstars unter sich: Nelson Mandela, damals noch Südafrikas Präsident, … | |
| Wenn die Größen der Welt von Nelson Mandela Abschied nehmen, will die | |
| Popwelt nicht abseits stehen. Zu seinem Tod zeigt sie sich dabei über | |
| Generationen hinweg in Trauer vereint. Paul Simon, der Songwriter aus den | |
| USA, gab sich ganz staatstragend: „Mandela war einer der großen Anführer | |
| und Lehrer des 20. Jahrhunderts“, erklärte der 72jährige in einem | |
| E-Mail-Statement. „Sein Tod sollte uns einen neuen Anstoß zu weltweiten | |
| Friedensbemühungen geben.“ | |
| Etwas poetischer drückte es die Soul-Sängerin Aretha Franklin, 71, aus: | |
| „Ein großer Mann ist von uns gegangen und etwas höher gestiegen“. Auch der | |
| Produzent Quincy Jones, der US-Schauspieler Morgan Freeman, der ihn einmal | |
| im Film personifiziert hat, und viele andere Showgrößen verneigten sich vor | |
| dem Verstorbenen. Der US-Rapper Common nannte ihn „einen der größten | |
| Menschen, den dieser Planet je gesehen hat“, und sein Kollege Bustha Rhymes | |
| twitterte gar, einer der „letzten großen Könige“, ja der „Gott unseres | |
| Universums“ sei von uns gegangen. | |
| Die Aufwartung hat ihre Gründe: Kein anderer Politiker hat die Popwelt so | |
| inspiriert wie Nelson Mandela, keiner ist so oft in Popsongs besungen | |
| worden wie er. Gerade die vielen musikalischen Huldigungen haben ihn, neben | |
| den vielen Filmen, Büchern und anderen Würdigungen, selbst schon zu | |
| Lebzeiten zu einer Pop-Ikone werden lassen. | |
| Die Anfänge dieser Entwicklung lassen sich auf die frühen Achtzigerjahre | |
| datieren, als britische und amerikanische Initiativen Mandela gezielt zur | |
| Symbolfigur ihres Kampfes gegen die Rassentrennung in Südafrika aufbauten. | |
| Zu dieser Zeit, 1983, besuchte Jerry Dammers, Mitbegründer der legendären | |
| Ska-Band The Specials, ein Anti-Rassismus-Konzert in London und wurde dort | |
| auf das Schicksal des inhaftierten Anwalts und ANC-Aktivisten namens Nelson | |
| Mandela aufmerksam. | |
| Dammers antirassistische Einstellung konnte man schon am Logo seines 2 | |
| Tone-Plattenlabels ablesen: ein schwarz-weißes Schachbrettmuster, Sinnbild | |
| für die friedliche Koexistenz der Kulturen. Die Specials hatten sich zwar | |
| schon 1981 aufgelöst. Aber mit seiner Nachfolgeband The Special Aka nahm | |
| Dammers eine beschwingte Ode an den südafrikanischen Anwalt auf, der damals | |
| bereits seit zwei Jahrzehnten im Gefängnis auf dem berüchtigten Robben | |
| Island vor der Küste von Kapstadt saß. Der Titel war eine deutliche | |
| Aufforderung: [1][“Free Nelson Mandela“]. | |
| Obwohl das Thema traurig war, schlug Dammers einen fröhlichen und | |
| kämpferischen Ton an, mit dem er ganz nebenbei das alte Genre des | |
| Protestsongs auffrischte. „21 years in captivity, shoes to small to fit his | |
| feet / his body abused, but his mind is still free / are you so blind, that | |
| you cannot see“, reimte er zu einem flotten Ska-Beat, der auf vielen | |
| Tanzflächen der Renner werden sollte. Diese Zeilen brachten den Kampf gegen | |
| die Apartheid auf den Punkt und den Namen Nelson Mandela einem breiten | |
| Publikum nahe – zu einer Zeit, als dieser von den Regierungen in den USA | |
| und Großbritannien, von US-Präsident Ronald Reagan und der britischen | |
| Premierministerin Margaret Thatcher, wegen seines offenen Eintretens für | |
| den bewaffneten Widerstand offiziell noch als „Terrorist“ eingestuft wurde. | |
| ## Boykott des Las Vegas von Südafrika | |
| Im Jahr 1984 kam die Single „Free Nelson Mandela“ auf den Markt. Rasch | |
| stieg sie in die britischen Charts und, wichtiger noch, zur inoffiziellen | |
| Hymne der weltweiten Anti-Apartheids-Bewegung auf. Schon zuvor hatte der | |
| britische Rockstar Peter Gabriel dem südafrikanischen Bürgerrechtler Steven | |
| Biko 1980 den Song „[2][Biko]“ gewidmet und damit die Aufmerksamkeit auf | |
| die Zustände in Südafrika gelenkt. | |
| Dieser Song mit seinem dumpfen, unruhigen Rhythmus sollte zu einer von | |
| Peter Gabriels Schlüsselsongs werden, er spielt ihn auch heute noch fast | |
| auf jedem Konzert. Doch erst mit „Free Nelson Mandela“ war 1984 die große | |
| Zeit der Südafrika-Solidarität angebrochen. | |
| Ein Jahr später schlossen sich eine Reihe von prominenten Musikern um den | |
| US-Rockstar Steven Van Zandt aka zu dem Projekt „Artists United Against | |
| Apartheid“ zusammen. Gemeinsam nahmen sie den Song „[3][Sun City]“ auf – | |
| benannt nach der südafrikanischen Entertainment-Oase, welche die | |
| Apartheids-Regierung in ihrem Land gerade frisch in einem ihrer so | |
| genannten „Homelands“ aus dem Boden gestampft hatte. | |
| Lautstark gelobten US-Stars wie Bruce Springsteen, Run DMC, Miles Davis, | |
| Bono und Bob Dylan in dem Song, niemals in diesem südafrikanischen Las | |
| Vegas aufzutreten, so lange das System der Rassentrennung in Südafrika | |
| bestand habe. Und als Stevie Wonder 1985 für seinen Filmsong „I Just called | |
| to say I love you“ einen Oscar erhielt, widmete er ihn Nelson Mandela. | |
| Auch als Paul Simon im August 1986 das Album Graceland veröffentlichte, | |
| wollte er es eigentlich als Würdigung des südafrikanischen | |
| [4][Township-Jives] und des kulturellen Widerstands verstanden wissen. Doch | |
| weil er das Album teilweise in Südafrika aufgenommen und damit den | |
| Kultur-Boykott des Landes durchbrochen hatte, hagelte es harsche Kritik von | |
| links. Um seine Haltung deutlich zu machen, nahm Paul Simon anschließend | |
| nicht nur das A-Capella-Ensemble [5][Ladysmith Black Mambazo], sondern auch | |
| [6][Hugh Masakela] und [7][Miriam Makeba], zwei südafrikanische Exil-Stars | |
| und Helden der Anti-Apartheids-Bewegung, mit auf seine Welttournee. | |
| ## London als Zentrum der Anti-Apartheids-Bewegung | |
| In diesen Jahren stieg Nelson Mandela unaufhaltsam zu einer | |
| Identifikationsfigur für den Kampf gegen das Apartheids-Regime auf, wie es | |
| Martin Luther King in den 1960er Jahren für die Bürgerrechtsbewegung | |
| gewesen war – und der Dalai Lama heute für die Unterdrückung der Tibeter. | |
| Aber nicht nur westliche Popstars haben ihn besungen. Auch afrikanische | |
| Idole wie [8][Youssou N‘Dour] und [9][Salif Keita] haben ihm Lieder | |
| gewidmet – allen voran aber seine Landsleute wie die südafrikanische | |
| Afropop-Sängerin [10][Brenda Fassie], der weiße Gitarrist und Sänger | |
| [11][Johny Clegg], der auch im Ausland Erfolge feiern konnte, sowie die | |
| Jazzmusiker wie der Trompeter [12][Hugh Masekela] mit seiner Hymne „Bring | |
| the Man Home“ und der Pianist [13][Abdullah Ibrahim] (Dollar Brand). | |
| Besonders nahe standen „Madiba“, wie er von seinen Verehrern bei seinem | |
| Xhoa-Namen genannt wurde, zeitlebens die Sängerin [14][Miriam Makeba], die | |
| im Exil der Anti-Apartheids-Bewegung ihre Stimme lieh, und der | |
| Balladensänger [15][Vusi Mahlasela], ein alter ANC-Kämpe, den Mandela 2002 | |
| zum Botschafter seiner weltweiten Anti-AIDS-Kampagne „46664“ ernannte – | |
| benannt nach Mandelas Häftlingsnummer auf Robben Island. | |
| Zum Zentrum der Anti-Apartheids-Bewegung in den 1980er Jahren aber | |
| avancierte London. Überrascht von dem großen Erfolg seiner Single „Free | |
| Nelson Mandela“, den er als große Verantwortung empfand, machte sich Jerry | |
| Dammers von The Special Aka anschließend daran, dort ein | |
| Unterstützer-Konzert zu organisieren. Für das „[16][Freedom Beat]“-Festiv… | |
| auf dem Londoner Claphan Common gaben sich Paul Weller, Neil Young, Hugh | |
| Masakela und Sade die Ehre. | |
| Es sollte aber nur die Ouvertüre bilden zu dem Mega-Event im [17][Londoner | |
| Wembley-Stadium], mit dem am 11. Juni 1988 der 70. Geburtstag des | |
| inhaftierten Nelson Mandela gefeiert wurde. Über siebzigtausend Zuschauer | |
| waren vor Ort, in 60 Länder wurde das Konzert übertragen – eine Dimension | |
| „wie bei der ersten Mondlandung“, wie sich der Musikchef des WDR-Senders | |
| „Funkhaus Europa“ Francis Gay erinnert. Die Simple Minds schrieben eigens | |
| zu diesem Anlass ihren Song „[18][Mandela Day]“. Neben Stars wie Sting und | |
| George Michael trat damals eine noch weitgehend unbekannte US-Songwriterin | |
| namens [19][Tracy Chapman] mit ihrer Gitarre auf die Bühne – und wurde auf | |
| einen Schlag weltberühmt. | |
| ## Promis pilgern zu Mandela | |
| Bald darauf fiel die Berliner Mauer, und weil die USA mit dem Ende des | |
| Kalten Kriegs nicht mehr so viel Wert auf die alten Allianzen legte, ließen | |
| sie auch das Apartheids-Regime in Südafrika fallen. Nach Geheimgesprächen | |
| mit der südafrikanischen Regierung wurde Nelson Mandela, zu diesem | |
| Zeitpunkt der berühmteste Häftling der Welt, am 11. Februar 1990 aus der | |
| Haft gelassen. Zwei Monate später schon trat Mandela bei einem weiteren | |
| Konzert in der Wembley-Arena auf, mit der seine Freilassung gefeiert wurde, | |
| und hielt seine erste, weltweit übertragene Rede. | |
| Drei Jahre später wurde die Apartheid in Südafrika abgeschafft, 1994 wurde | |
| Mandela zum Präsident von Südafrika gewählt. Mit seiner „Politik der | |
| Aussöhnung“ leitete er eine neue Ära für sein Heimatland ein. Showstars wie | |
| Whitney Houston, Michael Jackson und Naomi Campbell sollten in den | |
| folgenden Jahren scharenweise nach Südafrika pilgerm, um dem Helden des | |
| schwarzen Befreiungskampfes ihre Aufwartung zu machen und sich mit ihm | |
| ablichten zu lassen. | |
| Im Jahr 2008, zu seinem 90. Geburtstag, kamen seine Fans und Unterstützer | |
| noch einmal im Hyde Park zusammen. Will Smith, die Simple Minds, Annie | |
| Lennox und die junge [20][Amy Winehouse] standen auf der Bühne, um dem | |
| Jubilar zu gratulieren. | |
| Offiziell sollte das Konzert für den Kampf gegen Aids werben, dem sich | |
| Mandela zuletzt verschrieben hatte. Doch im Zentrum der Feier stand | |
| Mandela, der von den hunderttausenden Besuchern mit einem | |
| Geburtstagsständchen und mit einer mitreißenden Neuaflage von „[21][Free | |
| Nelson Mandela]“ gefeiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt war er selbst längst | |
| zu einem Pop-Phänomen geworden. Sein Name wird deshalb auch nach seinem Tod | |
| noch lange nachklingen. | |
| 6 Dec 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.youtube.com/watch?v=AgcTvoWjZJU | |
| [2] http://www.youtube.com/watch?v=MgM-1r0X5Zc | |
| [3] http://www.youtube.com/watch?v=aopKk56jM-I | |
| [4] http://www.youtube.com/watch?v=JeO0CJqjsgU | |
| [5] http://www.youtube.com/watch?v=XBMAXQ28V-w | |
| [6] http://www.youtube.com/watch?v=HHny1UyjXQU | |
| [7] http://www.youtube.com/watch?v=vgwtbeVFjb4 | |
| [8] http://www.youtube.com/watch?v=OYyRvHfNs8M | |
| [9] http://www.youtube.com/watch?v=JKlaOZ8D5gQ | |
| [10] http://www.youtube.com/watch?v=ERnAy7Exzzw | |
| [11] http://www.youtube.com/watch?v=BGS7SpI7obY | |
| [12] http://www.youtube.com/watch?v=XKCk8o5xzaM | |
| [13] http://www.youtube.com/watch?v=EJwhFO27aPI | |
| [14] http://www.youtube.com/watch?v=0-z6k27VG8w | |
| [15] http://www.youtube.com/watch?v=fvqLMFH25LU | |
| [16] http://www.youtube.com/watch?v=WVJGt1bwJZY | |
| [17] http://www.youtube.com/watch?v=nGsJmVm1mTI | |
| [18] http://www.youtube.com/watch?v=a-vZgxJIpuc | |
| [19] http://www.youtube.com/watch?v=wGmHpn-prd0 | |
| [20] http://www.youtube.com/watch?v=fS0NvVgvk64 | |
| [21] http://www.youtube.com/watch?v=0HiPmMMaHCk | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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