# taz.de -- Debatte Bankenregulierung: Erpressen und auspressen | |
> Auch die jüngsten Strafzahlungen in Milliardenhöhe beeindrucken die | |
> Investmentbanken nicht. Doch Gegenwehr bleibt möglich. | |
Bild: Der Verbraucher am Tresen im Spagat zwischen Sackgasse und Scheideweg | |
Wenige Großbanken beherrschen die Welt. Sie manipulieren die Zinsen, die | |
Rohstoffpreise und die Währungskurse, um ihre eigenen Gewinne zu | |
maximieren. Die Aufsicht versucht zwar, die Banken zu kontrollieren, aber | |
es ist eine Abwehrschlacht. Die Investmentbanken sind übermächtig. | |
Ihre Macht zeigt sich schon daran, dass sie selbst enorme Strafsummen | |
mühelos verkraften können. In dieser Woche hat die EU-Kommission Bußen in | |
Höhe von 1,71 Milliarden Euro verhängt, weil ein Bankenkartell aufgeflogen | |
war, das bei den Zinssätzen Libor und Euribor getrickst hatte. Doch das | |
eigentliche, hochkorrupte Geschäftsmodell der Investmentbanken wird durch | |
derartige Strafen weder verhindert noch gesteuert. | |
Der Kern dieses Geschäftsmodells ist das Derivat. Dies sind Finanzwetten | |
auf die künftige Kursentwicklung von Zinsen, Währungen und Rohstoffen. | |
Derivate können sinnvoll sein und existieren daher bereits seit der Antike. | |
Schon in Mesopotamien wurden sie benutzt, damit sich Bauern gegen | |
schwankende Erntepreise absichern konnten. | |
Doch aus diesen bescheidenen Anfängen ist ein gigantisches Spielkasino | |
geworden. | |
## Spekulation über den Tresen | |
Die jüngsten Daten stammen aus dem Juni, veröffentlicht von der Bank für | |
internationalen Zahlungsausgleich. Damals betrug der nominale Wert der | |
ausstehenden Derivate 693 Billionen Dollar. Zum Vergleich: Die weltweite | |
Wirtschaftsleistung beträgt nur rund 70 Billionen Dollar. | |
Es ist also offensichtlich, dass die allermeisten Derivate der reinen | |
Spekulation dienen und mit realwirtschaftlichen Aktivitäten nichts zu tun | |
haben. | |
Dieses Spielkasino findet übrigens nicht an Börsen statt, sondern die | |
Derivate werden „über den Tresen“, also zwischen einzelnen Banken, | |
gehandelt. Es ist ein extrem lukratives Geschäft – wenn man daran teilhat. | |
Denn der Derivatehandel wird von nur wenigen Investmentbanken | |
monopolisiert. Was niemanden mehr verwundern dürfte: Die großen | |
Derivatehändler sind genau jene Bankkonzerne, die auch die Referenzsätze | |
bei den Zinsen und Währungen manipulieren. | |
Es ist also ein extremes Insidergeschäft: Erst handeln die Investmentbanken | |
mit Derivaten, die auf die Entwicklung von Zinsen, Währungen und Rohstoffen | |
spekulieren – und dann werden genau diese Preise beeinflusst. Mit „Markt“ | |
haben die angeblichen „Finanzmärkte“ rein gar nichts zu tun, denn der | |
Wettbewerb ist komplett ausgeschaltet. | |
## Leistungsfreie Bereichung | |
Die Zeche zahlen die Verbraucher und die normalen Unternehmen. Und sie | |
zahlen nicht nur, weil sich die Investmentbanken zu Kartellen | |
zusammenschließen, um den Libor oder Euribor zu manipulieren. Diese | |
Tricksereien sind die berühmte „Spitze des Eisbergs“. Der eigentliche | |
Skandal ist der unkontrollierte Derivatehandel selbst, denn damit kassieren | |
die Investmentbanken eine Art Sondersteuer, die sie Bürgern und Firmen | |
aufoktroyieren. | |
Das Vorgehen der Investmentbanken ist denkbar simpel: Allein die schiere | |
Masse an Derivatkontrakten sorgt dafür, dass die Kurse von Zinsen oder | |
Währungen extrem schwanken. Diese „Volatilität“ zwingt dann wiederum die | |
normale Wirtschaft dazu, sich mit weiteren Derivaten gegen diese | |
Schwankungen abzusichern. Die Investmentbanken sind also eine ganz | |
besondere Branche: Sie können ihren Gewinn selbst erzeugen, indem sie die | |
Gesellschaft erpressen und auspressen. | |
Für die Investmentbanker lohnt sich dieses Geschäft: In Europa erhalten | |
3.529 von ihnen Jahresgehälter von mehr als einer Million Euro. Als Frage | |
bleibt, wie lange die Europäer noch akzeptieren wollen, dass sich die | |
Investmentbanken leistungsfrei bereichern. Dabei wäre die Gegenwehr so | |
einfach: Man müsste nur vorschreiben, dass Derivate ein hohes Eigenkapital | |
erfordern. Schon würde sich die Spekulation nicht mehr lohnen – und die | |
Manipulation von Zinssätzen natürlich auch nicht. | |
8 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
## TAGS | |
Verbraucher | |
Banken | |
Derivate | |
Banken | |
EU | |
EU | |
Konto | |
Landwirtschaft | |
Wolfgang Schäuble | |
EZB | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Haftstrafen für Marktmanipulation: Auch Bankster sind Gangster | |
Mal eben die Grundlage für Milliardengeschäfte zu manipulieren, soll | |
künftig hart bestraft werden, findet das Europaparlament. Aber spielen die | |
Briten mit? | |
EU-Regulierung: Großbanken behalten Privilegien | |
Die EU-Kommission hat Regeln für die europäischen Geldinstitute vorgelegt. | |
Doch eine Zerschlagung wird sie wohl scheuen. | |
Urteil Europäischer Gerichtshof: Verbot von Leerverkäufen rechtens | |
Hochspekulative Finanzwetten auf fallende Aktienkurse bleiben in der EU | |
verboten. Großbritannien hatte geklagt. London sah nationale Belange durch | |
das EU-Recht tangiert. | |
EU-Parlament will „Basiskonto“: Ein Konto für jeden in Europa | |
Das EU-Parlament fordert ein kostenloses Basiskonto für alle – jeder soll | |
bargeldlos zahlen können. Können die Abgeordneten ihren Vorschlag | |
durchsetzen? | |
Hunger und Lebensmittel-Spekulation: Deutsche Bank steigt a bisserl aus | |
Das Geldhaus will nicht mehr mit Nahrungsmitteln selbst handeln – aber | |
schon noch mit Wertpapieren darauf. Das produziert weiter Hunger, sagen | |
Kritiker. | |
Finanzminister attackiert Deutsche Bank: Zickenkrieg mit Schäuble | |
Wolfgang Schäuble und andere CDU-Politiker richten sehr deutliche Worte an | |
Deutsche-Bank-Chef Fitschen in Sachen Regulierung. Der hingegen fühlt sich | |
zu unrecht gescholten. | |
Eurokolumne: EZB-Miese? Kein Problem! | |
Verlust ist nicht immer Verlust: Warum soll Präsident Mario Draghi mit der | |
Europäischen Zentralbank nicht mal kräftig Miese machen dürfen? |