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# taz.de -- Zentralafrikanische Republik: Was steckt hinterm „Religionskrieg�…
> Frankreichs Militär beruhigt die Hauptstadt Bangui. Die religiöse Gewalt
> auf lokaler Ebene ist Ausdruck eines politischen Machtkampfes.
Bild: Aufgehetzt. verängstigt, schutzsuchend: Vertriebene auf dem Gelände der…
BERLIN taz | Die französische Armee patrouilliert in Bangui. Wenige Tage
nach Beginn der „Operation Sangaris“ der Exkolonialmacht Frankreich
herrscht in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik prekäre Ruhe.
Am Freitag hatten die am Flughafen von Bangui stationierten Franzosen,
verstärkt durch eingeflogene Soldaten, auf Banguis Hauptstraßen Position
bezogen, nachdem es am Donnerstag zu blutigen Massakern gekommen war.
Christliche Milizen hatten die Stadt angegriffen und gezielt Jagd auf
Muslime gemacht. Muslimische Kämpfer der herrschenden Rebellenbewegung
Séléka hatten die Angreifer zurückgeschlagen.
Journalisten zählten allein in einer Moschee 54 Tote. Nach Angaben des
Roten Kreuzes wurden in Bangui rund 400 Menschen getötet.
Am Samstag überschritten weitere französische Truppen aus Kamerun die
Grenze zur Zentralafrikanischen Republik und ließen sich in Bouar, einst
Standort einer der größten französischen Militärbasen in Afrika, als
„Befreier“ feiern. Am Samstagabend erreichte die französische Streitmacht
in der Zentralafrikanischen Republik 1.600 Mann – viel mehr als
angekündigt.
Und erstmals ließ Frankreich politische Ambitionen erkennen. „Man kann
einen Präsidenten, der nichts tun konnte oder sogar die Dinge hat laufen
lassen, nicht im Amt behalten“, sagte Frankreichs Präsident François
Hollande über seinen zentralafrikanischen Amtskollegen Michel Djotodia von
Séléka. Ein Regimewechsel in Bangui entspricht nicht dem UN-Mandat, unter
dem Frankreich agiert, aber historisch entscheidet immer Paris, wer in
Bangui regiert.
## Sélékas Staatsaufbau ist gescheitert
Die Séléka-Rebellen, die Ende März Bangui eroberten, haben es nie
geschafft, eine stabile Regierung zu bilden. Im August ließ sich
Séléka-Chef Djotodia als Präsident für eine Übergangszeit von 18 Monaten
bis zu freien Wahlen vereidigen. Aber der Staatsaufbau scheitert am
Geldmangel. Der Staatshaushalt 2013 musste drastisch zusammengestrichen
werden, von 395 auf 131 Millionen Euro Ausgaben.
Djotodia hat sich außerdem mit seinen beiden mächtigsten Warlords Mohamed
Dhaffane und Noureddine Adam zerstritten. Als Versuch einer politischen
Öffnung ersetzte er Adam als Sicherheitsminister durch dessen Vorgänger aus
Bozizé-Zeiten, Josué Binoua, ein christlicher Prediger wie Bozizé selbst.
Es ist wohl kein Zufall, dass die Zentralafrikanische Republik seitdem in
einem blutigen Religionskrieg versunken ist. Bewaffnete christliche
Milizen, genannt „Anti-Balaka“ (Gegen die Macheten) greifen gezielt Muslime
an. Séléka-Hardliner radikalisieren sich als Reaktion darauf. Es kommt zu
Gewalt und Gegengewalt selbst dort, wo Religionszugehörigkeit bisher keine
Rolle spielte, wie in Bangui, berichten lokale Zivilgesellschaftler.
## Bossangoa, Brennpunkt der Gewalt
Brennpunkt der Gewalt ist die Stadt Bossangoa, wo am 17. September ein
Großangriff der „Anti-Balaka“ zahlreiche Opfer forderte.
Séléka-Racheangriffe trieben daraufhin alle 150.000 Einwohner der
umliegenden Provinz Ouham, Heimatprovinz Bozizés, in die Flucht.
Vergangene Woche griffen die Anti-Balaka erneut Bossangoa an. Alle 7.000
Bewohner des muslimischen Stadtviertels flohen in eine Schule unter
Séléka-Schutz. Im christlichen Stadtteil wiederum suchten 35.000 Menschen
Zuflucht auf dem katholischen Kirchengelände, berichtet Peter Bouckaert von
Human Rights Watch.
Am Sonntag traf sich Bouckaert in Bossangoa mit den Séléka-Generälen. „Ihre
Truppen jagen die Leute wie Tiere und erschießen sie auf ihren Feldern, und
Sie sind verantwortlich“, habe er Séléka-Kommandeur Saleh gesagt.
Der habe ihm daraufhin ein Video vorgespielt, auf dem der muslimische
Bürgermeister des Ortes Zéré von Anti-Balaka-Milizionären lebendig
verbrannt und zerstückelt wurde.
## Christenmilizen mit obskuren Unterstützern
Die Anti-Balaka sind mehr als bloß spontane Dorfmilizen. Ihr Kampf
erscheint als Facette des nationalen Machtkampfes. Einige dieser Milizen
haben sich mit Unterstützern Bozizés in der Afrikanischen Allianz der
Anti-Dschihadisten (AAAJ) vereinigt. Ein Teil der AAAJ, die von Bozizé im
Exil gegründete Front zur Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung in
Zentralafrika (Frocca), hat sich zum Angriff auf Bangui vom Donnerstag
bekannt.
Am Wochenende gab die Staatsanwaltschaft in Bangui bekannt, man habe im
Haus des Sicherheitsministers Binoua zahlreiche Waffen gefunden und
verdächtige ihn der Zusammenarbeit mit den Angreifern.
Djotodia sieht nun seine einzige Chance in der Zusammenarbeit mit den
Franzosen. Am Samstag begrüßte er deren Eingreifen und rief die Bevölkerung
auf, wieder zur Arbeit zu gehen. „Die Lage ist komplett unter Kontrolle“,
behauptete er. Unter wessen Kontrolle – das ließ er offen.
8 Dec 2013
## AUTOREN
Dominic Johnson
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