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# taz.de -- Szenische Lesung aus "Berlin Alexanderplatz": Zu Besuch im brodelnd…
> Fünf SchauspielerInnen tragen Döblins „Berlin Alexanderplatz“ vor – e…
> Ausblick auf die geplante einmonatige Lesung des Romans im Sommer auf dem
> Alex
Bild: Die Stadt lesen. Mit oder ohne Buch.
SchauspielerInnen, die wie SchauspielerInnen aussahen. Eine Lärmkulisse,
die es in sich hatte. Als am Freitagabend die szenische Lesung zu „Berlin
Alexanderplatz“ im oberen Geschoss des Cafés St. Oberholz am Rosenthaler
Platz stattfand, mussten sich alle erst einmal auf die Atmosphäre
einstellen. Denn obwohl mindestens die Hälfte der Gäste dieses berühmten
Ladens still vor den Laptops saß, war es doch sehr laut. „Der brodelnde
Moloch Berlin“, wie er in dem Roman von 1928/29 so trefflich beschrieben
ist, wurde gut spürbar. Ein Getöse von Worten, das aus dem Erdgeschoss nach
oben aufstieg, und ein Milchaufschäumer, der wie eine außerirdische Waffe
klang.
Die fünf SchauspielerInnen, die eben so aussahen, wie SchauspielerInnen so
aussehen, gaben sich alle Mühe. Tatsächlich wirkten sie recht schnell so,
als würde ihnen der Lärm nichts ausmachen. Christoff Bleidt, der den
Erzähler markierte, war einer vom Schlage Harald Juhnkes; die beiden jungen
hübschen Frauen Inga Bruderek und Irena Jandris berlinerten ihre Rollen
leider leicht gekünstelt, schwangen sich dann aber zu einem Liedchen auf –
der Höhepunkt des Abends. Sven Brieger als Hauptfigur Franz Biberkopf
liebkoste sein Bierglas, um die Trinkseligkeit unseres Antihelden zu
demonstrieren, und John Ludwig schließlich versah seine Figur Reinhold mit
einem zähen Sprachfehler.
Im Sommer soll, zum zweiten Mal nach 2007, das ganze Buch noch einmal
komplett vorgelesen werden. Auf einer Bühne am Platz selbst. Einen Monat
lang jeden Tag. Warum jetzt, wurde nicht ganz klar. Steht nicht eigentlich
ein ganz anderes Jubiläum an im nächsten Sommer? Läuft nicht auch irgendein
großes Sportevent nahezu gleichzeitig? Egal, „Berlin Alexanderplatz“ ist
immer noch eine große Nummer. In dieser Stadt und in der deutschen
Literatur überhaupt. Die Antwort auf „Ulysses“, mindestens.
Und Dr. Döblin musste vom Grab aus ja auch schon mit ansehen, wie seine
Buchstaben von den Fassaden am Alexanderplatz verschwanden. Wie
gleichzeitig die Lichtorgel im Lehrerhaus für immer abgedreht wurde. Wie
der nach ihm selbst benannte Platz in Kreuzberg immer noch ein
Schattendasein führt und eher zum Skaten einlädt denn zum literarisch
inspirierenden Verweilen.
## Sprüche aus der Werbung
Gefallen hätte ihm wahrscheinlich, dass der Alexanderplatz inzwischen zum
Konsumzentrum mutiert ist. Schließlich kommt schon sein Roman nicht ohne
fortlaufende Zitate und Sprüche aus der Werbung aus – wie man bei dieser
szenischen Lesung aufs Beste mitbekam. Ein Montageroman, der sich nicht
scheute, zwischen Werbung und Politik und Gossenroman hin und her zu
schalten.
Das mit dem Gossenroman stellte nach der Grundlautstärke aber auch das
zweite Problem dieses Abends dar. Besonders die Szene, in der Reinhold
versucht, die Freundin seines Freundes Biberkopf zu verführen, auf eine
irgendwie auch eklige Art, wie man nach all der Zeit doch sagen muss, war
hartes Brot. Inga Bruderek, lange blonde Haare, kindmädchenhaftes Gesicht,
hat die richtigen Augenaufschläge und Gesichtszüge im Repertoire, aber John
Ludwig als junger, verschlagener Reinhold, nun ja. Vielleicht lag es auch
an der Szene selbst. Sehr zäh.
## Kolorit der 20er Jahre
Natürlich sollte man „Berlin Alexanderplatz“ gelesen haben, wenn man nach
Berlin zieht. Das Kolorit der zwanziger Jahre ist allerdings auch in
anderen Büchern gut, vielleicht sogar besser getroffen worden: in Erich
Kästners „Fabian“ etwa, in „Kleiner Mann, was nun?“ von Hans Fallada o…
in Irmgard Keuns „Kunstseidenem Mädchen“. Bücher, die es nicht minder
verdient hätten, mal szenisch gelesen zu werden. Auch gern einen Monat
lang.
9 Dec 2013
## AUTOREN
Rene Hamann
## TAGS
Berlin Alexanderplatz
Literatur
Rechtspopulismus
Roman
Literatur
Ausstellung
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