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# taz.de -- Prominente über ihr Fest: Besäufnis statt Lametta
> Eine Politikerin, eine Queer-Ikone, eine Weinköniging und andere Promis:
> Wie wird Weihnachten gefeiert. Was hat das mit Plüschpantoffeln zu tun?
> Eine taz-Umfrage.
Bild: Dem Untergang geweiht: allein bei Gregor Gysi kommen drei Gänse auf den …
Bruce LaBruce, Regisseur, Performance-Künstler
„Ein wirklicher Fan von Weihnachten bin ich nicht, allerdings schaue ich
mir gerne ungewöhnliche Weihnachtsfilme an, „Die Drei Tage des Kondors“ mit
Faye Dunaway oder „Meine Braut ist übersinnlich“ mit Kim Nowak
beispielsweise. Während der Feiertage verreise ich auf die Farm meiner
Eltern, dort bin ich aufgewachsen.
Weihnachten ist hier nur die Entschuldigung, um endlich wieder mit meinen
Eltern zusammen sein zu können. Sie sind tolle Menschen und ich sehe sie
viel zu selten. Gemeinsam mit ihnen in den verschneiten Wäldern spazieren
zu gehen ist wunderbar. Keine Religion, kein Singen, Beisammensein und eine
der seltenen Auszeiten genießen, das ist für mich Weihnachten.“
Ursula von der Leyen, Politikerin, Bundesverteidigungsministerin
„Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr bedeutet für uns Familie und
endlos Zeit für Zusammensein. Traditionell kommen meine Brüder mit ihren
Familien zu Besuch. Mein Vater hat 31 Enkelkinder, das jüngste ist vier,
das älteste 29. Er genießt den Trubel, den sie ins Haus bringen. Die
Cousins und Cousinen, die alle nicht in Hannover wohnen, schlagen überall
im Haus ihre Matratzenlager auf und haben sich untereinander natürlich eine
Menge zu erzählen.
Alle hoffen, dass es schneit, denn dann spannen wir die Ponys vor bis zu 3
Schlitten und jagen über die Äcker. An den Abenden hocken wir zusammen,
klönen oder machen Spiele wie „Activity“ und „Tabu“. Morgens schlafen …
alle lange aus, um dann gemeinsam ausgiebig zu frühstücken.
Dahinter steckt eine eingeübte Logistik, bei der inzwischen die
Enkelgeneration 18+ das Heft in die Hand genommen hat. Jeden Tag kurvt ein
Team zum Supermarkt. Auf den Einkaufslisten stehen schon mal zehn
Salatköpfe, 30 Liter Milch oder Berge von Nudeln.
Wir Alten können uns zurücklehnen, denn die WG-erprobten Jungen kochen auch
ganz fantastisch für die ganze Mannschaft. Wenn sich das Haus Richtung
Sylvester langsam wieder leert, staune ich jedes Jahr, wie das wieder
funktioniert hat.“
Martin Schulz, Politiker, Präsident des Europaparlaments
„Obschon ich nicht übermäßig christlich geprägt bin, ist mir das
Weihnachtsfest sehr wichtig. Denn nur zu diese Zeit im Jahr kehrt bei uns
Zuhause vollkommene Ruhe ein und ich kann das tun, was ich am liebsten
mache: Mit meiner Familie zusammen sein und lesen!
Da wird dann gut gegessen, viel über das vergangene Jahr gesprochen, das
Neue wird geplant und eingewickelt in eine wollende Decke werden auf dem
Sofa dicke Wälzer verschlungen. In diesem Jahr möchte ich vor allem die
Neuerscheinungen zu Willy Brandts 100. Geburtstag lesen und mich erneut mit
der Zeit vor dem 1. Weltkrieg beschäftigen. Wenn ich beim Lesen auf der
Couch einschlafe, ist das durchaus gewünscht, denn nur dann werde ich fit
genug sein, um im kommenden Jahr täglich intensiv die taz zu lesen.“
Mely Kiyak, Autorin, Journalistin
„Deutsche Lover denken oft, es gäbe nichts Herrlicheres, als mit ihren
Eltern in Stuttgart oder Meppen Weihnachten zu verbringen. Man tut den
Lovern den Gefallen und nimmt die Einladungen an. In anderer Leute
Plüschpantoffeln sitzt man dann am Baum („Sie bekommet den Ehrenplatz,
Melanie! “)und lässt sich alles haarklein erklären („Wir schmücket nur m…
Opas Originallametta von 1953“).
Man fühlt sich in solchen Momenten immer, als bewege man sich in
Wollklamotten, die im Wäschetrockner eingegangen sind. Alles steif, alles
kratzt. Man versucht sich auf die Ankunft des Herrn zu konzentrieren und
Fragen zu beantworten („Hat’s im Ischlam Weihnachten?“).
Jahre habe ich gebraucht, bis ich begriff, der sichere Tod einer heißen
Liebschaft ist ein Weihnachtfest mit den Eltern des Darlings. Besser man
bleibt im Kreise seiner türkischen Eltern und besäuft sich besinnungslos.“
Gregor Gysi, Politiker, Chef der Linke-Bundestagsfraktion
„Weihnachten geht bei mir nicht ohne echte Kerzen am Baum, ohne
weihnachtliche Musik von Bach bis „Stille Nacht“ und ohne die
Weihnachtsgans mit Klößen und Rotkohl auf dem Tisch. Also alles ganz
traditionell. In diesem Jahr brauche ich wahrscheinlich drei Gänse, denn am
25. feiere ich mit meiner großen Familie, während an Heiligabend eher meine
kleine Familie zusammenkommt. Am zweiten Weihnachtsfeiertag erhole ich mich
dann vom Festtagsstress.“
Julia Klöckner, Politikerin, frühere Weinkönigin
„An Weihnachten gibt es bei uns keine Experimente, ich setze auf die
altbekannten Klassiker: Weihnachtsbaumschmücken, Essen mit der Familie,
gemeinsames Singen, Bescherung, Gottesdienst.
Zwischendurch: Bücher lesen, Bücher lesen, Spazieren gehen. Am zweiten
Weihnachtsfeiertag gibt es eine riesige Tafel - seit etwa zehn, fünfzehn
Jahren – mit Freunden, das Essen wird den Tag über gemeinsam zubereitet,
ein Riesentrubel, und es gibt: Truthahn – nach britischer Variante, da
einer der Freunde aus England stammt. Ach ja: Für die Weinauswahl bin ich
zuständig. Wie gesagt: Keine Experimente!“
Manuel Schubert, Filmkritiker, taz-Autor
„Weihnachten ist abgeschafft. Ich habe Abschied genommen von Heiligabend
und familiärem Tamtam, inklusive der üblichen Ingredienzien ala Baum und
Gans. Meine Eltern führen ein Restaurant, an den Weihnachtsfeiertagen sind
sie auf meine Mitarbeit angewiesen. Weihnachten ist Arbeit.
Die beiden Feiertage stehen für die höchsten Umsätze des Jahres. Und für
den schlimmsten Stress. Weihnachten ist anstrengend. Wenn die Gäste in
Mannschaftsstärke aufschlagen, samt genervtem Anhang und schwelender
Familienstreitigkeiten, kommt die professionelle Freundlichkeit ans Limit.
Weihnachten ist falsch.
Ich flüchte. Heiligabend bietet mir das Kino Asyl, danach gehe ich für 48
Stunden in die innere Emigration. Es gibt nur eine Gewissheit: Der 27.
Dezember kommt bestimmt.“
Claudia Roth, Politikerin, Bundestagsvizepräsidentin
„Ich als richtiger Weihnachtsjunky kann mir das Fest gar nicht anders
vorstellen als mit der ganzen Freundes-Familie, mit Kerzen, großem
Weihnachtsbaum, den typischen Gerüchen, Geschmäckern und Liedern. Das hat
für mich schon immer zu Weihnachten gehört, selbst in den härtesten
Hausbesetzer- oder TonSteineScherben-Zeiten.
Deshalb blicke ich auch heute noch mit Grausen an ein Weihnachten zurück,
das ich mit meiner Mutter einmal auf einer Sonneninsel am Strand verbracht
habe – völlig abartig. Darüber waren wir uns schnell einig und von da an
gab’s das auch nicht mehr. Ein einmaliger, schlimmer Ausrutscher. Seitdem
geht’s nur noch in den weihnachtlichen Schnee – was angesichts des
Klimawandels eine echte Herausforderung ist.“
Gretchen Klotz, Autorin, Witwe von Rudi Dutschke
„Ich habe sieben Enkelkinder, das bestimmt Weihnachten für mich. Also heißt
Weihnachten Alexander, Kalinka, Luna, Alfred, Asker, Luise und Julius. Sie
alle kennen die Horrorweihnachten von 1979 (als mein Mann starb) nicht. Sie
freuen sich auf Weihnachten, also freue ich mich zusammen mit ihnen. Nicht
immer sind wir alle genau am 24.12. zusammen. Immer aber mit einigen und
alle sind in meinen Gedanken. Frieden, Freude und Zukunft.“
Vaginal Davis, Performance-Künstlerin, Queer-Ikone
„Ein dämliches christliches Fest ist Weihnachten für mich, das mit seinen
heidnischen Wurzeln nichts mehr zu tun hat. Wenn so viele Andere glauben,
sie müssten sich der familiären Fröhlichkeit aussetzen, genieße ich es
allein und für mich zu sein, zu reflektieren und nachzudenken. Wobei
Alleinsein nichts mit Einsam sein zu tun hat.
Meine Freunde überall auf der Welt, versorgen mich ständig mit dem neuesten
Geschwätz und den wichtigsten Gerüchten. Berlin ist während der
Weihnachtszeit ein wunderbarer Ort: Es hat sich seinen eigenen Charme
bewahrt. Dem Kapitalismus ist es hier bisher nicht gelungen, die Stadt in
eine einzige Shopping-Meile zu verwandeln. So wie es mit London, Paris, New
York und auch meiner Geburtsstadt Los Angeles geschehen ist.“
Die Eindrücke wurden eingesammelt von Manuel Schubert.
23 Dec 2013
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