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# taz.de -- Patchwork-Familien: Von Baum zu Baum zu Baum
> Ihre Schwester ist für unsere Autorin mehr Weihnachten als Kekse und
> Geschenke zusammen. Weil beide wissen, wer immer heult. Und noch viel
> mehr.
Bild: Vom großen Baum zum kleinen. Von Bienenwachs- zu Elektrokerzen
Wenn meine Kinder mich – wie voriges Jahr auch – heute wieder fragen, warum
wir keinen Weihnachtsbaum haben und Heiligabend bei meiner Schwester
verbringen, werde ich – wie voriges Jahr auch – wieder antworten: „Weil
dort mehr Platz ist. Und den Baum brauchen wir doch nur, um die Geschenke
darunter zu legen. Das machen wir dort.“
Sachlich ist die Argumentation richtig – und doch beantworte ich damit nur
die Frage nach dem Symptom, aber nicht nach der Ursache. Denn die Ursache
dafür, dass ich in 36 Jahren nur zwei Mal nicht mit meiner kleinen
Schwester Weihnachten gefeiert habe und dass sie für mich mehr Weihnachten
ist als Kekse, Tannenbaum und Geschenke zusammen, liegt nicht in der
Quadratmeterzahl um den Tannenbaum begründet.
„Weil für meine Schwester und mich Weihnachten das gleiche bedeutet und das
gleiche nicht bedeutet“, wäre die richtige Antwort auf die Frage, warum wir
denn immer bei ihr feiern müssen. Weil sie mit mir jahrzehntelang
Weihnachten zuerst bei der Mutter und dann beim Vater verbracht hat. Weil
ich mit ihr 20 Mal am 25. Dezember von einer Stadt in die andere gefahren
bin. Weil wir mit den selben Stiefgeschwistern ein paar Weihnachten
verbracht haben und sie dann nie mehr wiedergesehen haben.
Weil sie das alles genauso schräg fand wie ich. Weil sie auch noch weiß,
wie es Weihnachten bei Oma gerochen hat. Weil wir beide dieselben
Adventskalender basteln, wie wir sie früher bekommen haben. Weil wir beide
niemals elektrische Kerzen verwenden würden.
## Beide wissen, wer immer heult.
Weil wir dieselbe Weihnachts-CD hören wollen. Weil es egal ist, ob wir uns,
unsere Partner oder Kinder gerade doof finden. Weil wir trotzdem zusammen
gehören. Weil wir uns jedes Jahr, als wäre es das erste Mal, über das
diesjährige Weihnachtsfest abstimmen. Weil es trotzdem immer gleich ist.
Beide wissen, wer schief singt. Wer immer heult. Wer nicht kochen kann. Wer
den Baum umwirft. Weil ich irgendwie vermitteln will, was Weihnachten mir
bedeutet. Weil meine Kinder Weihnachten auch nicht jeden Tag mit mir, und
auch nicht jeden Tag mit ihrem Vater, aber immer miteinander verbringen.
Weil sie zusammen Weihnachten meistens zuerst mit Mutter und Oma bei ihrer
Tante und deren Familie, und dann am nächsten Tag bei ihrem Vater
verbringen. Und dabei nicht alleine sind.
Weil nur sie beide wissen, wie es ist, von der einen Wohnung in die andere
zu kommen. Vom großen Baum zum kleinen. Von Bienenwachs- zu Elektrokerzen.
Von Groß- zu Kleinfamilie. Von Geschenkeberg zu Geschenkeberg. Weil nur sie
beide wissen, wer schief singt. Wer immer heult. Wer nicht kochen kann. Wer
den Baum umwirft. Wer die coolsten Pakete schickt. Und was der größte
Weihnachtsflop war.
Weihnachten 2013 womöglich. Weil die größten Wünsche gar nicht wie
angekündigt unter dem Baum liegen. Weil nämlich der Sohn sich eine
Playstation 4 für 400 Euro wünscht, die man hätte im August bestellen
müssen, damit sie zu Weihnachten da ist.
Und weil die Tochter sich ein Buch mit der Anleitung „Wie man heiratet“
wünscht. Da will man nicht in des Christkinds Haut stecken, ich schon gar
nicht. Vielleicht versuch ich es diesmal mit der langen Erklärung. Weil es
irgendwie schön ist.
Julia Niemann, 40, schlägt ihre 2 Kinder auf der Playstation nur noch im
Prügelspiel Tekken, da hat sie mehr Übung. Sie schenkt ihrer Tochter statt
der Heiratsanleitung lieber eine zum Kindermachen.
23 Dec 2013
## AUTOREN
Julia Niemann
## TAGS
Patchwork
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Kinder
Weihnachten
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Palästina
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Fernsehen
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