| # taz.de -- Oikocredit-Vertreterin über Mikrokredite: „Gut für das Selbstbe… | |
| > Kleinstdarlehen als Instrument für Entwicklung sind in Verruf geraten. Zu | |
| > Unrecht, sagt die Repräsentantin der Genossenschaft Oikocredit, Mariam | |
| > Dao Gabala. | |
| Bild: Kakao-Anbau in Yamoussoukro (Elfenbeinküste). | |
| taz: Frau Gabala, Mikrokredite als Instrument der Entwicklungsfinanzierung | |
| sind durch den Missbrauch von Geschäftemachern in Indien in Verruf geraten. | |
| Wie wirkt sich das auf die Arbeit von Oikocredit in Westafrika aus? | |
| Mariam Dao Gabala: Gar nicht. Die Diskussionen gab es größtenteils in | |
| Westeuropa. Die Investoren investieren ungebrochen. Bei uns ist die | |
| Kommerzialisierung der Branche ein völlig neues Phänomen. Auch die | |
| Überschuldungsproblematik ist noch nicht präsent. | |
| Gibt es schwarze Schafe? | |
| Die meisten Institute sind Genossenschaften, Nichtregierungsorganisationen | |
| oder Vereine, die den Menschen vor Ort gehören. Aber es gibt auch rein | |
| kommerzielle Institutionen und multinationale Konzerne, die wissen, dass | |
| arme Menschen sparen und ihre Kredite zurückzahlen. Damit wollen sie Profit | |
| machen. Das geht, weil die Nachfrage größer ist als das Angebot. Wir wollen | |
| dem aber vorbeugen. | |
| Wie machen Sie das? | |
| Wir verpflichten unsere Partnerinstitutionen, ein internationales Abkommen | |
| zum Kundenschutz zu unterzeichnen und umzusetzen. Außerdem sollen die | |
| Informationen aller Kreditnehmer in einem zentralen Pool zusammenlaufen. | |
| Vor Kreditvergabe wird geprüft, ob der Bewerber bereits woanders einen | |
| anderen Kredit aufgenommen hat. | |
| Oikocredit war der erste Mikrokredit-Investor in Westafrika, viele sind | |
| nicht nachgekommen. Warum nicht? | |
| In Westafrika reguliert die Zentralbank für die frankophone Region die | |
| Zinsrate. Mikrokredite dürfen zu einem Zinssatz von ein bis maximal zwei | |
| Prozent pro Monat vergeben werden. | |
| Das ist Verbraucherschutz … | |
| Ja, das stimmt. Die Kehrseite ist, dass Investoren ausbleiben. In einer | |
| Hochrisikoregion wie Westafrika erwarten sie mehr Profite. Sie gehen nach | |
| Indien, Indonesien oder Lateinamerika. | |
| Wie wirksam sind Mikrokredite für die Entwicklung? | |
| Eine tiefgründige Entwicklung und nachhaltige Strukturen können | |
| Mikrokredite allein nicht schaffen. Ich glaube, dass es da eine falsche | |
| Erwartungshaltung gibt. Aber sie können den Menschen Ressourcen an die Hand | |
| geben, damit sie produktiv werden und Einkommen generieren können. Das | |
| stärkt das Selbstbewusstsein und kann Demokratisierungsprozesse anschieben. | |
| Zusätzlich wird in der Mehrheit der Fälle durch die Mikrokredite Wachstum | |
| angeschoben. Mikrokredite sind aber keine Langzeitkredite. Große | |
| Anschaffungen ermöglichen sie nicht, etwa einen Traktor. Die Mikrokredite | |
| gehen dahin, wo ein schneller Ertrag erwirtschaftet werden kann. | |
| Zum Beispiel? | |
| Eine Lehrerin im Senegal kaufte Nüsse von einem 30-Euro-Kredit, röstete und | |
| verkaufte sie in ihrer Schule. Die Nachfrage war so groß, dass sie mithilfe | |
| eines weiteren 150-Euro-Kredits eine Rösttrommel anfertigen ließ. Nach | |
| sechs Jahren bekam sie einen 80.000-Euro-Kredit – kein Mikrokredit mehr –, | |
| mit dem sie Maschinen kaufte. Heute hat sie 50 Angestellte und beliefert | |
| sogar eine Fluglinie. Sie ist von der Mikrofinanzkundin zur | |
| Großunternehmerin gewachsen. | |
| In welchen Bereichen werden die meisten Kredite vergeben? | |
| Meist im Handel, ein kleiner Teil in der Landwirtschaft. Aber das ist | |
| riskant, weil wetterabhängig. Wir entwickeln deshalb saisonale | |
| Finanzierungsmodelle. Ein Bauer kann seinen Kredit nicht monatlich | |
| abzahlen, das muss an die Erntezeiten angepasst werden. | |
| 28 Dec 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Lübke | |
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