| # taz.de -- Oikocredit-Direktor über Mikrokredite: "Banken gehen weniger Risik… | |
| > Die Mikrofinanzierung steckt in einer Krise, sagt Ben Simmes, Direktor | |
| > bei Oikocredit. Eine weitere Kommerzialisierung auf der finanziellen | |
| > Seite müsse verhindert werden. | |
| Bild: Kauffrau Idimo Fosilowa (r.), hier mit Tochter (m.) und einer Freundin (l… | |
| taz: Herr Simmes, die Finanzkrise hätte den Mikrofinanzorganisationen einen | |
| kräftigen Schub verleihen müssen. Stattdessen kämpft die Branche mit | |
| Imageproblemen. Warum? | |
| Ben Simmes: Die Mikrofinanzierung steckt selbst in einer Krise, vor allem | |
| in Indien, wo sie sehr, sehr schnell gewachsen ist. | |
| Dort haben sich überschuldete Kreditnehmer umgebracht, es ist nicht in | |
| allen Fällen gelungen, die Armut zu verringern. | |
| Da ist zwischendurch sehr viel versprochen worden - zum Beispiel, dass sehr | |
| viele neue Arbeitsplätze entstehen würden. | |
| Was durfte man denn erwarten? | |
| Zunächst ging es darum, dass Menschen Zugang zu Finanzdienstleistungen | |
| bekommen, denen er bislang versperrt war. Die Mikrofinanzierung hat drei | |
| Phasen durchlaufen: In der ersten ging es darum, zu zeigen, dass Bedarf da | |
| ist und dass Arme zuverlässige Kunden sein können. Damals waren NGOs und | |
| soziale Investoren beteiligt. In der zweiten Phase emanzipierten sich die | |
| Mikrofinanzorganisationen von Spenden und Subventionen. Sie begannen zu | |
| wachsen und Profit zu erwirtschaften. Jetzt in der dritten Phase merken | |
| wir, dass einige Organisationen zu schnell gewachsen sind, andere Akteure | |
| sind hinzugekommen - und das Ziel, die Armutsbekämpfung, ist etwas aus dem | |
| Blickfeld gerückt. | |
| Welche Rolle spielt dabei der Markteintritt großer Banken? | |
| Dass große Pensions- und andere Fonds die Mikrofinanzierung als ethisches | |
| Anlageprodukt entdeckt haben, hat die Entwicklung beschleunigt - aber | |
| schwarze Schafe gibt es auch unter den Mikrofinanzorganisationen. Der | |
| Unterschied liegt eher zwischen sozialen Investoren und solchen, die vor | |
| allem finanzielle Interesse haben. | |
| Der Imageverlust trifft aber alle. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? | |
| Die Krise in Indien hat die Schwächen des Systems gezeigt. Wir müssen eine | |
| weitere Kommerzialisierung auf der finanziellen Seite verhindern, wir | |
| müssen aber vor allem auch die soziale Seite professionalisieren. | |
| Das heißt? | |
| Wir müssen herausfinden, wie wir tatsächlich die Ärmsten erreichen, welche | |
| Produkte sie wirklich brauchen, was ihnen hilft. Sparen oder Versicherungen | |
| gegen Ernteausfälle können wichtiger sein als Kredite. | |
| Aber bei solchen Produkten werden Ihnen die Banken den Rang ablaufen … | |
| Um Spareinlagen annehmen zu dürfen, müssten sich die Mikrofinanzinstitute | |
| als Banken anmelden und würden anders reguliert. Bei Versicherungen ist es | |
| noch schwieriger. Aber wir brauchen ja auch beides: die Banken und die | |
| Mikrofinanzierer. Für die Banken und Pensionsfonds, die 6, 7, 8 oder 9 | |
| Prozent Rendite erwarten, lohnt es sich zum Beispiel nicht, raus auf die | |
| Dörfer, zu den Leuten zu gehen. Und sie gehen weniger Risiken ein als | |
| soziale Investoren wie wir. Unsere Mitglieder sind mit 2 Prozent | |
| finanzieller Rendite zufrieden, für sie steht die soziale im Vordergrund. | |
| Da können wir auch Darlehen in Landeswährung vergeben statt in Dollar. Dann | |
| tragen wir und nicht unsere Partner das Währungsschwankungsrisiko. | |
| Und wenn aus den Armen erst einmal Finanzkunden geworden sind, kommen die | |
| Banken ins Spiel? Was wird dann aus dem sozialen Ansatz? | |
| Interessant wird es bei der Mesofinanzierung, also etwa Krediten für kleine | |
| Genossenschaften. Wenn die Bauern mit ihren Darlehen Milchvieh kaufen, muss | |
| es auch eine Molkerei geben, die auch finanziert werden muss. Hier gibt es | |
| zwei Entwicklungen: Das übernehmen Banken, die ihr Geschäft damit nach | |
| unten ausweiten. Oder sozial engagierte Mikrofinanzierer weiten ihr Modell | |
| nach oben aus. Auf den Philippinen macht das die CARDBank schon sehr | |
| erfolgreich. | |
| Sie wollen den Markt sich einfach so entwickeln lassen? | |
| Wir brauchen auch Regulierung, aber die muss anders aussehen als bei den | |
| Banken. Wenn die Mikrofinanzinstitute so viel Eigenkapital vorhalten müssen | |
| wie die, können sie das, wozu sie gegründet wurden, nicht mehr machen. Gute | |
| Ansätze gibt es derzeit in Indien: Kunden dürfen nicht bei mehr als zwei | |
| Finanzierern Geld aufnehmen. | |
| Das indische Modell, zu dem auch eine Zinsobergrenze gehört, ist aber | |
| umstritten. | |
| Es ist eine Antwort auf die Krise und noch ganz jung. Wir müssen es | |
| weiterentwickeln. | |
| 6 Jul 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Beate Willms | |
| ## TAGS | |
| Westafrika | |
| Unternehmen | |
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