# taz.de -- Heftige Kritik an Erdogan: „Für das Modell Putin entschieden“ | |
> Der türkische Ministerpräsident geht erneut hart gegen Protestler vor. | |
> Die Kritik aus Europa wird lauter. Viele EU-Politiker betrachten die | |
> Entwicklung mit Sorge. | |
Bild: Die Demonstranten lassen nicht locker, Erdogan aber auch nicht | |
BERLIN/ISTANBUL dpa | Im Korruptionsskandal in der Türkei gerät | |
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan unter zunehmendem Druck auch aus | |
Europa. Nach dem für die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara zuständigen | |
EU-Kommissar Stefan Füle forderten auch Bundesaußenminister Frank-Walter | |
Steinmeier (SPD) und Grünen-Chef Cem Özdemir eine rasche Aufklärung aller | |
Vorwürfe. Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen | |
Ausschusses im Europaparlament, betonte, die Unabhängigkeit der Justiz sei | |
dabei von zentraler Bedeutung. | |
„Wir vertrauen auf die Kraft des türkischen Staates, dass die im Raum | |
stehenden Korruptionsvorwürfe ohne Ansehen der Person aufgeklärt werden“, | |
sagte Steinmeier der Bild am Sonntag. „Das zu gewährleisten, ist | |
Bewährungsprobe für jede auf Rechtsstaatlichkeit bauende Politik.“ | |
Der Grünen-Vorsitzende Özdemir forderte, die Korruptionsvorwürfe müssten | |
„schleunigst schonungslos aufgeklärt werden“. „Der türkische | |
Ministerpräsident Erdogan hat sich offensichtlich für das Modell Putin als | |
Regierungsform entschieden. Das bedeutet autoritäre Herrschaft und prall | |
gefüllte Taschen für das unmittelbare Umfeld“, sagte Özdemir dem | |
Tagesspiegel am Sonntag. | |
In Istanbul war die Polizei am Freitagabend mit großer Härte gegen | |
Demonstranten vorgegangen, die in Sprechchören den Rücktritt der Regierung | |
forderten. Die Polizei setzte noch vor dem geplanten Beginn der | |
Demonstration Wasserwerfer, Tränengas und Plastikgeschosse ein. Nach | |
Schätzungen von Augenzeugen hatten sich mindestens 1000 Menschen | |
versammelt, um gegen die Erdogan-Regierung zu protestieren. Auch aus Ankara | |
und Izmir wurden Proteste gemeldet. | |
## Zenit überschritten | |
Füle hatte am Freitag erklärt, er verfolge die Entwicklung in der Türkei | |
„mit zunehmender Besorgnis“. Die von der Regierung in Ankara beschlossenen | |
Änderungen der Polizeiarbeit hätten „die Unabhängigkeit der Justiz und | |
deren Handlungsfähigkeit untergraben“. Er begrüße, dass das oberste | |
Verwaltungsgericht die Maßnahmen ausgesetzt habe und hoffe auf eine baldige | |
endgültige Entscheidung. Füle bekräftigte, die Justiz müsse unabhängig | |
arbeiten können. Er sei über die Amtsenthebungen einer größeren Zahl von | |
Polizisten besorgt. | |
Füle erinnerte die Türkei zugleich an ihre Pflichten als Beitrittskandidat | |
und forderte die Regierung in Ankara auf, „alle nötigen Schritte zu | |
unternehmen, damit die Vorwürfe von Rechtsverletzungen ohne Benachteiligung | |
oder Bevorzugung transparent und unparteiisch aufgeklärt werden“. | |
Derzeit steuert die Türkei nach Ansicht des CDU-Europapolitikers Brok | |
allerdings auf sehr unsichere, instabile Zeiten zu. Er glaube, dass | |
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan „seinen Zenit überschritten hat“, | |
[1][article_id=273153:sagte Brok am Samstag im Deutschlandfunk]. Erdogan | |
versuche, „alle Mittel einzusetzen“, um an der Macht zu bleiben. | |
Wichtig sei jetzt, dass die Türkei nicht in einen islamistischen Prozess | |
gerate. Dafür sollte das Land nach Ansicht von Brok wirtschaftlich enger an | |
die Europäische Union heranrücken und ihr Rechtssystem reformieren. „Man | |
sieht, dass die Regierung dramatischen Einfluss auf die Unabhängigkeit der | |
Justiz nimmt (...)“, sagte der CDU-Politiker. Die Justiz in der Türkei sei | |
nur formal unabhängig. | |
## Beitrittsverhandlungen liegen auf Eis | |
Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen der EU über einen Beitritt der | |
Türkei sagte Brok, es sei „vielleicht interessant“, jetzt nicht über | |
Regionalpolitik zu verhandeln, sondern zu versuchen, in Fragen von | |
Grundrechten und Justiz Fortschritte zu erreichen. | |
Vertreter der EU und Ankaras hatten im November die ins Stocken geratenen | |
Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei auf den Themenbereich | |
Regionalpolitik ausgeweitet. Es ist das 14. von 35 sogenannten Kapiteln, | |
über die vor einem Beitritt verhandelt werden muss. Den Beginn der | |
Gespräche hatte die EU im Juni aus Protest gegen die Niederschlagung von | |
Demonstrationen in der Türkei auf Eis gelegt. Die Beitrittsverhandlungen | |
zwischen der EU und der Türkei laufen bereits seit acht Jahren. | |
Der Korruptionsskandal erschüttert die Türkei seit zehn Tagen und hat zum | |
Rücktritt von drei Ministern geführt. Einer davon hatte auch Erdogan zum | |
Amtsverzicht aufgefordert. Erdogan hatte am Mittwoch zehn seiner 26 | |
Kabinettsposten neu besetzt. Bei den Ermittlungen geht es unter anderem | |
darum, ob gegen Schmiergeld illegale Baugenehmigungen erteilt und | |
Handelssanktionen gegen den Iran unterlaufen wurden. | |
28 Dec 2013 | |
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