# taz.de -- Kopten in Ägypten: Diesmal wird zu Hause gebetet | |
> Am 7. Januar feiern die Kopten ihr Weihnachtsfest. Die orthodoxen | |
> Christen befürchten, zum Ziel von Anschlägen von Islamisten zu werden. | |
Bild: Ägyptische Kopten bei einem nächtlichen Protestzug nach dem Massaker in… | |
KAIRO taz | Die Kinder hocken vor dem winzigen Weihnachtsbaum aus Plastik, | |
der einzigen festlichen Dekoration, den sich die koptische Familie von | |
Milad im Armenviertel Imbaba in Kairo leisten kann. Er steht auf dem Sofa | |
und blinkt wild in allen Farben vor sich hin, während er jederzeit | |
umzufallen droht. Auf der anderen Seite des Raumes steht ein verbeulter | |
Gasofen, der für die Weihnachtsplätzchen vorgeheizt wird. Ägyptens Kopten, | |
die 10 Prozent der Bevölkerung des Nillandes ausmachen, feiern ihr | |
orthodoxes Weihnachtsfest am 7. Januar. | |
Doch die bescheidene festliche Atmosphäre trügt. „Ich habe meiner Familie | |
verboten, heute Nacht zur Weihnachtsmesse zu gehen, aus Angst vor möglichen | |
Anschlägen“, erzählt Milad, der als Fahrer arbeitet. „Wir können auch zu | |
Hause beten.“ Er hat Angst, dass in der polarisierenden Atmosphäre des | |
Landes die Islamisten ihren Ärger an den Christen auslassen könnten. Vor | |
seinem Haus demonstrieren jeden Freitag die Muslimbrüder gegen den | |
Militärputsch vom 3. Juli, der ihren Präsidenten Mohammed Mursi entmachtet | |
hat. „Die gehören alle eingesperrt,“ meint Milad. | |
Aber auch er weiß, dass das illusorisch ist, wenngleich er den ägyptischen | |
Militärchef Abdel Fattah al-Sisi unterstützt, in der Hoffnung, dass das | |
alles irgendwie besser wird. Wie genau? Milad schüttelt den Kopf. Er weiß | |
nur, dass dies sein bisher schlimmstes Weihnachten ist. | |
Für die ägyptischen Kopten ist dieses Weihnachtsfest beileibe nicht das | |
einzig angespannte der vergangenen Jahre. In der Silvesternacht 2010/2011 | |
kamen bei einem Bombenanschlag auf die Al-Qadissin-Kirche in Alexandria 20 | |
Menschen ums Leben, wenige Tage vor dem Fest und wenige Wochen vor dem | |
Sturz Husni Mubaraks. Es gibt Hinweise, dass die Staatssicherheit hinter | |
dem Anschlag steckte. Der Staat unter Mubarak hatte immer wieder die | |
Kopten-Frage instrumentalisiert, um seine Hegemonie abzusichern. | |
Im folgenden Jahr fand das Weihnachtsfest einige Wochen nach einem Massaker | |
statt, das das ägyptische Militär vor dem staatlichen Fernsehgebäude in | |
Kairo angerichtet hat. Bei einer überwiegend koptischen Demonstration kamen | |
mindestens 27 Menschen ums Leben, als das Militär zum Teil mit gepanzerten | |
Fahrzeugen über die Demonstranten fuhr. | |
## Der politische Albtraum | |
## | |
Doch dann materialisierte sich der politischer Albtraum der Kopten, als die | |
Muslimbrüder und die Salafisten die Wahlen gewannen. Das vergangene Fest | |
fand unter Mohammed Mursi statt. Unter den Kopten ging die Angst vor einer | |
weiteren Islamisierung des Staates um, angeheizt von Hetze gegen Christen | |
von Teilen der Islamisten und einer Verfassung, in der die Kopten erneut | |
ihre Bürgerrechte nicht garantiert sahen. | |
Doch ausgerechnet die Absetzung Mursis durch das Militär und die blutige | |
Auflösung der Protestlager der Muslimbrüder durch den Sicherheitsapparat im | |
vergangenen Sommer führte zu einer weiteren Verschlechterung der Lage der | |
Kopten. Laut ägyptischen Menschenrechtsorganisationen sind seitdem über | |
2.600 Personen umgekommen, mehr als beim Aufstand gegen Mubarak und | |
überwiegend Anhänger Mursis. Diese sehen die Kopten hinter dem Sturz ihres | |
Präsidenten, weil die Christen sich mehrheitlich hinter den Putsch gestellt | |
hatten. | |
Allein in einer Woche im August griff ein Mob über 100 christliche | |
Einrichtungen vor allem im südlichen Oberägypten an. Die ägyptischen | |
Christen wurden nach dem brutalen Vorgehen gegen die Islamisten zum | |
„Sündenbock“, schreibt Amnesty International. | |
## Bevorstehendes Verfassungsreferendum | |
„Die Kopten sind weitgehend bereit, diesen Preis zu bezahlen, in der | |
Hoffnung, dass ihre Lage in Zukunft besser wird“, erklärt Ishaq Ibrahim, | |
der bei der ägyptischen Menschenrechtsorganisation für | |
Persönlichkeitsrechte die Übergriffe gegen Kopten recherchiert. „Die | |
meisten Christen stehen auch hinter dem Militärputsch und dem brutalen | |
Vorgehen des Sicherheitsapparats gegen die Muslimbruderschaft“, fügt er | |
hinzu. | |
Deswegen werden sie nächste Woche bei einem Referendum auch mehrheitlich | |
für den neuen Verfassungsentwurf stimmen. Im Vergleich zu der unter Mursi | |
verabschiedeten Verfassung wurden einige der Hardliner-Interpretationen der | |
Scharia gestrichen. Doch der Paragraf, laut dem die Prinzipien der Scharia | |
die Grundlage der ägyptischen Gesetzgebung darstellen, steht auch im neuen | |
Entwurf. | |
„Die Christen stehen hinter der Armeeführung, vor allem weil es für sie | |
keine vernünftige Alternativen gibt. Alle zivilen Alternativen, ihre Rechte | |
zu garantieren, sind gescheitert“, erklärt Ibrahim. Dabei macht er sich | |
aber keine Illusionen: „Weder unter Mubarak, noch unter den Muslimbrüdern, | |
noch unter dem Militär wurden bisher die Bürgerrechte der Christen wirklich | |
garantiert.“ | |
7 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
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