# taz.de -- Mursi-Anhänger geben nicht auf: „Freitag der Wut“ in Ägypten | |
> Auf der Sinai-Halbinsel sind am Donnerstag fünf Soldaten getötet worden. | |
> Für Freitagnachmittag haben radikale Islamisten neue Proteste | |
> angekündigt. | |
Bild: Vor einem Regierungsgebäude in Kairo, das am Donnerstag in Flammen aufgi… | |
KAIRO dpa | Nach den schwersten Ausschreitungen in Ägypten seit dem Sturz | |
Husni Mubaraks 2011 droht die nächste Welle der Gewalt. Die Anhänger des | |
gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi riefen zu neuen Protesten nach dem | |
gemeinschaftlichen Gebet auf Freitagmittag auf. Radikale Islamisten | |
verkündeten einen „Freitag der Wut“. Nach dem blutigen Mittwoch zählten d… | |
Behörden mehr als 520 Tote. Die Muslimbrüder sprechen von noch höheren | |
Opferzahlen. | |
Mehrere westliche Staaten, darunter Deutschland, bestellten die ägyptischen | |
Botschafter ein. Die EU-Außenminister wollen die dramatische Lage in dem | |
arabischen Land voraussichtlich Anfang kommender Woche erörtern. | |
Die USA sagten eine gemeinsame Militärübung mit den Streitkräften Ägyptens | |
ab. Angesichts der Geschehnisse könnten die Vereinigten Staaten ihre | |
Beziehung mit dem Land derzeit nicht wie gewohnt weiterführen, sagte | |
US-Präsident Barack Obama am Donnerstag in seinem Ferienort auf der Insel | |
Martha's Vineyard im US-Staat Massachusetts. | |
Die gewaltsame Räumung der zwei großen Protestlager der Mursi-Anhänger in | |
Kairo hatte die blutigen Unruhen ausgelöst. Mursi war am 3. Juli durch das | |
Militär gestürzt worden und befindet sich an einem geheimen Ort. Seine | |
Untersuchungshaft wurde am Donnerstag um 30 Tage verlängert. | |
## Proteste nach Freitagsgebet | |
Die ägyptische Regierung gab die Zahl der Toten am Nachmittag mit 525 an. | |
3.717 Menschen sollen verletzt worden sein. Allein bei der Räumung der zwei | |
Protestlager in Kairo kamen nach Regierungsangaben 289 Menschen ums Leben. | |
Das Fernsehen meldete, 84 Islamisten seien dem Militärstaatsanwalt | |
übergeben worden. | |
Der Platz vor der Rabaa-al-Adawija-Moschee in Kairo, auf dem sich die | |
Polizei und die Islamisten am Vortag Straßenschlachten geliefert hatten, | |
bot am Donnerstag ein Bild der Verwüstung. In Kairo und Alexandria | |
organisierten Anhänger der Muslimbruderschaft neue Proteste gegen den | |
Militärputsch. Etwa 3.000 Islamisten sperrten die Straße vor der Kairoer | |
Al-Iman-Moschee ab, in der Dutzende Opfer der Gewaltexzesse vom Vortag | |
aufgebahrt waren. | |
Das Nachrichtenportal Al-Ahram meldete, in der Hafenstadt Alexandria hätten | |
Anwohner einen Protestmarsch der Muslimbrüder gestoppt, als sich die | |
Demonstranten auf eine koptische Kirche zubewegten. Sie riefen den Angaben | |
zufolge: „Mit unserer Seele und unserem Blut opfern wir uns für unsere | |
koptischen Brüder“ und „Wir sind alle Ägypter – Millionen gegen die | |
Muslimbrüder“. | |
Die Angriffe von Extremisten auf Polizeiwachen und christliche Kirchen | |
gingen indes weiter. Aus Sicherheitskreisen hieß es, in Abanub in der | |
Provinz Assiut sei eine koptische Kirche niedergebrannt worden. Nach | |
Angaben der christlichen Zeitung Watani attackierten die Islamisten im | |
Verlauf der Unruhen 35 Kirchen oder andere Einrichtungen der Kopten. | |
## „Immer gewaltfrei“ | |
Die Muslimbrüder übernahmen nicht die Verantwortung für die Attacken gegen | |
Kirchen und Polizeistationen durch Sympathisanten. Ihr Sprecher Gehad | |
al-Haddad erklärte über den Kurznachrichtendienst Twitter: „Wir werden | |
immer gewaltfrei und friedlich sein. Wir werden so lange Druck machen, bis | |
wir diesen Militärputsch zu Fall bringen.“ | |
Im Kairoer Stadtteil Giza stürmten mehrere Hundert Islamisten das Gebäude | |
der Provinzverwaltung. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen brach ein Feuer | |
aus. Das ägyptische Innenministerium wies daraufhin die Polizei an, ab | |
sofort mit scharfer Munition auf Plünderer und Saboteure zu schießen. In | |
einer Erklärung des Ministeriums heißt es, der Anlass dafür seien | |
„Terrorattacken der Organisation der Muslimbrüder auf verschiedene | |
Einrichtungen von Regierung und Polizei in mehreren Provinzen“. | |
Im Norden der Sinai-Halbinsel wurden fünf ägyptische Soldaten getötet. Nach | |
Angaben aus Sicherheitskreisen wurden bei der Attacke auf eine | |
Straßensperre in der Provinzhauptstadt Al-Arisch am Donnerstag zudem sieben | |
weitere Soldaten verletzt. Zuvor hatten Unbekannte in Al-Arisch Brandbomben | |
auf das Gebäude der Stadtverwaltung geworfen. | |
Die Führung in Kairo verteidigte trotz massiver internationaler Kritik das | |
gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte bei der Räumung. Sie rief den | |
Notstand über Kairo und andere Landesteile aus und verhängte eine | |
nächtliche Ausgangssperre. | |
US-Außenminister John Kerry mahnte: „Dies ist ein entscheidender Moment für | |
alle Ägypter.“ In den „kommenden Stunden, in den kommenden Tagen“ werde | |
sich das Schicksal des Landes entscheiden. Eine demokratische Lösung sei | |
noch möglich. | |
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes (AA) teilte mit, dem ägyptischen | |
Botschafter in Berlin sei bei dem Gespräch im AA „in aller Deutlichkeit die | |
Haltung der Bundesregierung dargelegt“ worden. Das Blutvergießen müsse ein | |
Ende haben, forderte Außenminister Guido Westerwelle. Auch in Paris, London | |
und Rom wurden die Vertreter Ägyptens geladen. In Frankreich bestellte | |
Präsident François Hollande in einer ungewöhnlichen Geste persönlich den | |
ägyptischen Botschafter zu sich. | |
15 Aug 2013 | |
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