# taz.de -- „Terrorgefangene“ in Afghanistan frei: Karsai überstimmt Obama | |
> Der afghanische Präsident Hamid Karsai lässt 72 als „gefährlich“ | |
> eingestufte Gefangene aus dem Lager in Baqram frei. Gegen den Willen der | |
> US-Regierung. | |
Bild: Das Bagram-Gefängnis bei der der Eröffnung eines neugebauten Teils unte… | |
BERLIN taz | Nun ist es amtlich: Nach kurzem, aber heftigen Streit mit | |
Washington über den Jahreswechsel hat Afghanistans Präsident Hamid Karsai | |
entschieden, 72 von 88 von den USA als höchst gefährlich eingestufte | |
afghanische Gefangene mangels Beweisen freizulassen. Das wurde am späten | |
Donnerstag in Kabul bekannt gegeben. | |
Damit hat sich „Karsai, der nur noch bis zu den Wahlen im April amtiert und | |
nicht mehr antreten darf, ein weiteres Mal gegen US-Präsident Barack Obama | |
durchgesetzt. Daheim stärkt das seinen Ruf als Patriot, der selbst gegen | |
den amerikanische Goliath aufsteht. Damit will er sich politischen Einfluss | |
auch auf seinen Nachfolger sichern. | |
Die 88er-Gruppe gehört zu ursprünglich 7200 Afghanen, die US-Militär und | |
-Geheimdienst in einem Gefängnis auf dem Stützpunkt Bagram nördlich Kabuls | |
festhielten. Das wurde im März 2012 an die afghanische Regierung übergeben, | |
die seither bis auf etwa 570 alle Häftlinge entließ. Washington behielt | |
zwar ein Mitspracherecht in besonders gefährlichen Fällen. Aber das hat | |
Karsai nun kraft seines Amtes überstimmt. | |
Die US-Amerikaner warfen den meisten der 88 Gefangenen vor, Dutzende | |
afghanische und US-Soldaten getötet zu haben. Die dafür vorgelegten Beweise | |
aber erklärten Karsai und seine Parteigänger nur in 16 Fällen als | |
ausreichend. | |
## Bagram gilt als „zweites Guantánamo” | |
Zwei prominente US-Senatoren, die Karsai letzte Woche in Kabul noch | |
umstimmen wollten, sprachen von „irreparablem Schaden“ für die | |
gegenseitigen Beziehungen. Die Unterzeichnung des von Washington | |
angestrebten Bilateralen Sicherheitsabkommens, das auch die Grundlage für | |
die neue NATO-Mission in Afghanistan nach Ende 2014 bilden soll, steht | |
damit in den Sternen. | |
Washington hat bereits gewarnt, dass damit auch Hilfsgelder wegfallen | |
könnten, von denen Afghanistan abhängig ist. Die US-Regierung argumentiert | |
auch, dass Karsais Regierung den Freigelassenen keine hinreichenden | |
Auflagen erteilen könnte und diese - wie schon andere Ex-Taliban-Häftlinge | |
- wieder in den Kampf zurückkehren könnten. | |
Bagram gilt als „zweites Guantanamo“. Im Gegensatz zu dem Stützpunkt auf | |
Kuba haben Häftlinge dort keinerlei Zugang zu Rechtsbeistand. Zudem halten | |
die Amerikaner in Bagram offenbar 60 bis 70 Nichtafghanen, davon etwa zwei | |
Drittel Pakistani, in einem „schwarzes Gefängnis“ fest, auf das auch die | |
afghanischen Behörden keinen Zugriff haben. Dort wird nach Berichten | |
Entlassener auch gefoltert. | |
Die Gefangenen sind für Karsai auch deshalb wichtig, weil er damit die | |
Taliban-Führung für direkte Gespräche ködern will. Die lehnen das ab, | |
wollen aber auch ihre Kämpfer frei bekommen. Zudem hat eine Kabuler | |
Präsidentensprecherin Anfang der Woche von Washington auch die Übergabe von | |
fünf hochrangigen Taliban aus Guantanamo verlangt. Dem dürfte Obama nach | |
Karsais Alleingang in Bagram nun kaum noch zustimmen. | |
Zusätzlich zu dem öffentlichen Streit motiviert haben dürfte Karsai die | |
kürzliche Veröffentlichung der Memoiren von Obamas Ex-Verteidigungsminister | |
Robert Gates, der scheibt, Obama könne Karsai nicht ausstehen. | |
10 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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von Bagram. |