# taz.de -- Debatte Grüne: Die List mit der Freiheit | |
> Was kann die kleinste Oppositionspartei tun, um in vier Jahren wieder | |
> vorne mitzuspielen zu können? Vielleicht lässt sich von der FDP etwas | |
> lernen. | |
Bild: Weniger Verbot, mehr freies Atmen. | |
Es ist smart, was die Grünen machen. Es ist smart, mit einem Wort, das so | |
viel Verheißung in sich trägt und dabei doch so unkonkret bleiben kann, das | |
Projekt Wiederauferstehung einzuläuten. „Freiheit“ also ist einer der | |
zentralen Begriffe des neuen Positionspapiers, das die Partei jetzt in | |
Weimar verabschiedet hat. | |
Ganze 63 Bundestagsabgeordnete werden es als kleinste Opposition schaffen | |
müssen, die traumatisierte Partei zu heilen. Sie müssen die beiden Flügel | |
versöhnen, die zerstritten sind wie lange nicht. Dem neuen Spitzenpersonal | |
muss es gelingen, den Glauben an die eigene Bedeutung zurückzugeben, an die | |
Möglichkeit, ganz vorne mitspielen zu können. | |
Das ist nicht leicht in einer Zeit, in der sich alle Parteien mit Themen zu | |
profilieren versuchen, deren Deutungshoheit über Jahrzehnte bei der | |
emanzipatorischen Ökopartei lag. | |
Umso mehr ist das mit der Freiheit klug gesetzt. Und das gleich aus | |
mehreren Gründen: Zwar hatte die Westerwelle-FDP nicht mehr wirklich etwas | |
mit der Verteidigung von Freiheit am Hut. Aber sie besetzte das Spektrum | |
Freiheit, Liberalismus und Bürgerrechte. Mit ihrem Rausschmiss aus dem | |
Bundestag klafft nun eine riesige Lücke, und das in Zeiten von | |
unkalkulierbaren Überwachungsrisiken durch den eigenen oder den fremden | |
Staat. | |
## Das leidige Label Verbotspartei | |
Hier können die Grünen durchaus an ihren emanzipatorischen | |
Gründungsgedanken anknüpfen und einen Bereich reaktivieren, den sie allzu | |
fahrlässig einzelnen aufrechten FDPlerinnen überlassen haben. | |
Auch wollen die Grünen alles dafür tun, um endlich das leidige Label | |
Verbotspartei loszuwerden. Ein Image, das den Absturz am Wahlabend ganz | |
maßgeblich mitverursacht hat. Allen voran der Springer-Presse, mit | |
ordentlicher Schützenhilfe von FAZ und FAS, war es gelungen, die alte | |
Forderung nach einem Veggie-Day so aufzublasen, dass am Ende die Grünen | |
nicht als klug und der Zukunft zugewandt dastanden – was dem Vorschlag | |
angemessen wäre –, sondern als die spaßbefreite Moralapostelpartei, die dem | |
anständigen Bürger auch noch die letzte Scheibe Wurst missgönnt. | |
Und schließlich ist der Begriff auch deshalb weise gewählt, weil er sich | |
erst mal so gut anfühlt. Allerdings sollten die Grünen nicht glauben, dass | |
die richtige Wortwahl allein schon reicht. Freiheit ist nur möglich, wenn | |
die materielle Grundausstattung aller Bürger stimmt. Freiheit gibt es nur, | |
wenn jedes Kind einen fairen Zugang zur Bildung hat und nicht in Armut | |
aufwachsen muss. Sie ist also nicht zu entkoppeln von Steuergerechtigkeit | |
und Umverteilung. Diesen Fehler der FDP sollten die Grünen nicht | |
wiederholen. Die Große Koalition dürfte vier Jahre lang regieren. Die | |
Grünen können die Fachkompetenz in den eigenen Reihen also gelassen | |
ausspielen. | |
## „Was ist die Steigerung von Todfeind? Parteifreund“ | |
Existenziell aber wird sein, ob es den Grünen gelingt, dafür einen medialen | |
Resonanzboden zu gewinnen. Jürgen Trittin hat dazu [1][einen ausgesprochen | |
bemerkenswerten Beitrag] für die Wochenzeitung Freitag verfasst. Medien | |
seien schon lange nicht mehr die Kontrolleure der Macht, sondern selbst zu | |
unmittelbaren Akteuren, zu einem Teil der Macht geworden, gegen deren | |
Agenda-Setting seitens der Parteien nicht anzukommen sei. | |
Trittin weiß, wovon er spricht. Den Grünen wurde in der Tat von Bild und | |
FAS und FAZ, unterstützt von knallharter Lobbyarbeit der Industrie, übel | |
mitgespielt. Aber für den Neustart, den die Partei braucht, wird es für den | |
Trittin-Flügel nicht ausreichen, die Fehler nur bei anderen zu suchen. In | |
der Kritik seiner Lieblingsserie „House of Cards“ bemüht der ehemalige | |
Grünen-Chef den Volksmund: „Was ist die Steigerung von Todfeind? | |
Parteifreund.“ Ein Satz, den wohl viele ehemalige | |
Grünen-SpitzenpolitikerInnen unterschreiben würden. | |
Diese Worte machen die Bitterkeit von Trittin so transparent, wie der | |
Begriff Freiheit die notwendige Debatte über Gerechtigkeit verschleiert. | |
Mit beidem wird sich die Partei irgendwann auseinandersetzen müssen. | |
12 Jan 2014 | |
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## AUTOREN | |
Ines Pohl | |
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