| # taz.de -- Politthriller in Belgrad: Mord auf Bestellung | |
| > Die Ermordung des Journalisten Ćuruvija scheint 15 Jahre nach der Tat | |
| > aufgeklärt – die mutmaßlichen Täter sollen aus Geheimdienstkreisen | |
| > kommen. | |
| Bild: Der Journalist Slavko Curuvija wurde 1999 ermordet. | |
| BELGRAD taz | Ostersonntag, 11. April 1999: Die Nato intensiviert die | |
| Luftangriffe auf Serbien. Die Tage verlaufen im Takt des Fliegeralarms. Es | |
| herrscht Kriegszustand. Der Journalist und Herausgeber von Dnevni telegraf | |
| und Evropljanin (Europäer), Slavko Ćuruvija, ist von gleichgeschalteten | |
| Medien als Verräter und Nato-Söldner angeprangert. Er hatte sich dem wild | |
| gewordenen Regime widersetzt. Er ist sich der Gefahr bewusst. Er weiß aber | |
| nicht, dass ihn seit Tagen der Geheimdienst verfolgt. | |
| Am späten Nachmittag steht er mit seiner Lebensgefährtin Branka Prpa vor | |
| seinem Haus im Zentrum Belgrads. Zwei Männer überfallen sie. Der eine | |
| schlägt Branka mit dem Kolben einer Pistole auf den Kopf. Sie wird | |
| ohnmächtig. Der andere feuert aus einer Skorpion M-84 siebzehn Kugeln auf | |
| Ćuruvija ab. Er stirbt. Es war einer von Dutzenden Morden, die der | |
| serbische Staat in den 1990er Jahren an eigenen Bürgern begangen hatte. Der | |
| Journalist Slavko Ćuruvija wird eines der Symbole der mörderischen Zeiten. | |
| Es schien, als seien seine Mörder ungeschoren davongekommen. | |
| Doch dann kam der Dienstag dieser Woche. Fast fünfzehn Jahre nach dem Mord | |
| verkündete Serbiens Staatsanwalt für das organisierte Verbrechen die Namen | |
| der mutmaßlich Verantwortlichen und Täter: Ratko Marković, damaliger Chef | |
| des serbischen Sicherheitsdienstes DB, der schon wegen anderer Verbrechen | |
| 40 Jahre im Gefängnis absitzt; Milan Radonjić, zur Zeit der Ermordung von | |
| Ćuruvija Chef des Belgrader DB, und Ratko Romić, Beamter des | |
| Sicherheitsdienstes. Beide wurden in Belgrad verhaftet. Der Vierte, | |
| Miroslav Kurak, der auf Curuvija geschossen haben soll, befindet sich auf | |
| der Flucht. Er ist Safariführer in Tansania. | |
| Die Staatsanwaltschaft bestätigte so erstmals, was eigentlich alle gewusst | |
| haben: Im Auftrag des serbischen Staats sind während der Herrschaft von | |
| Slobodan Milošević Morde begangen worden. Milošević ist 2006 im Gefängnis | |
| des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen gestorben. Im Fall Ćuruvija führt | |
| die Spur direkt zu Milošević’ Gattin Mira Marković, die sich im Asyl in | |
| Russland befindet. Ćuruvija war ihr Busenfreund – bis sie sich von ihm | |
| verraten fühlte. Die Untersuchung nach den Auftraggebern wird fortgesetzt. | |
| ## Noch immer in den kriegerischen 90ern | |
| Der Kronzeuge im Fall Ćuruvija ist noch so ein Relikt der Zeiten, von denen | |
| sich Serbien reinwaschen möchte: Milorad Ulemek, genannt Legija, ehemaliger | |
| Kommandant der serbischen Sondereinheit Rote Beretta, der wegen der | |
| Ermordung von Reformpremier Zoran Djindjić im Jahr 2003 zu 40 Jahren Haft | |
| verurteilt worden war. | |
| Es wurde bis heute nicht geklärt, wer die Auftraggeber waren. „Zwei weitere | |
| Zeugen bestätigten Ulemeks Aussage“, erklärte Vizepremier und Koordinator | |
| der Sicherheitsdienste Aleksandar Vučić. Der starke Mann Serbiens | |
| bekräftigte, dass Morde wie der von Ćuruvija nie wieder geschehen dürften | |
| und „niemand für begangene Verbrechen ungeschoren davonkommen würde“. | |
| Am kommenden Dienstag beginnt Serbien Beitrittsverhandlungen mit der | |
| Europäischen Union. Und doch befindet sich das Land immer noch im langen | |
| Schatten der kriegerischen Neunzigerjahre. Wie lang und dunkel er ist, | |
| zeigt auch, dass im jenen April 1999, als Beamte des Sicherheitsdienstes | |
| Ćuruvija ermordeten, der heutige Premierminister Ivica Dačić Pressesprecher | |
| von Milošević’ Sozialistischer Partei Serbiens (SPS) und | |
| Verteidigungsminister Aleksandar Vučić damals Informationsminister war. | |
| Der aktuelle Staatspräsident Tomislav Nikolić erklärte früher wiederholt, | |
| dass ihm die Ermordung von Ćuruvija „nicht leid tat“. Natürlich sagt er d… | |
| nicht mehr, seit er vor wenigen Jahren den proeuropäischen Kurs einschlug. | |
| 15 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrej Ivanji | |
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