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# taz.de -- Ríos-Montt-Fall in Guatemala: Rückkehr korrupter Richter
> Der Fall des Exdiktators Efraín Ríos Montt soll vor dem
> Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte neu aufgerollt werden.
Bild: Protest mit Bildern von Verschwundenen in Guatemala-Stadt.
BERLIN taz | „Das ist nicht das letzte Wort, es gibt
Berufungsmöglichkeiten“, sagte Héctor Reyes von der
Menschenrechtsorganisation CALDH im Anschluss an das Urteil des
Berufungsgerichts. Das hatte Mitte Januar entschieden, dass die
Beweisaufnahme im Prozess gegen den Exdiktator Efraín Ríos Montt fehlerhaft
gewesen sei und dass der Prozess neu aufgerollt werden müsse. Ein erneuter
Tiefschlag für die Anklagevertretung, zu der auch der deutsche Anwalt
Michael Mörth als Nebenkläger gehört.
„Die Situation ist schwierig, denn die Politik setzt auf Amnestie und
Versöhnung“, so Mörth. Platz für die juristische Aufarbeitung der
Vergangenheit bleibt da wenig, kritisiert der seit achtzehn Jahren als
Menschenrechtsanwalt in Guatemala tätige Jurist. Mörth berät CALDH. Die
Organisation hat Anfang November gemeinsam mit dem Opferverband Vereinigung
für Gerechtigkeit und Versöhnung (AJR) Klage bei der Interamerikanischen
Kommission für Menschenrechte eingereicht.
„Es gibt Beweise, dass drei der fünf Verfassungsrichter gelogen haben, als
sie das Urteil gegen Ríos Montt wegen Verfahrensfehlern aufhoben“, sagt
Mörth und deutet auf einen Stoß Unterlagen. Nun soll der Fall vor dem
Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgerollt werden. „Das
ist die einzige Instanz, die das Urteil des Verfassungsgerichts im Fall
Ríos Montt für null und nichtig erklären kann“, erklärt Mörth.
Anhand der transkribierten Audiodateien der letzten Verhandlungstage, aber
auch aus den Mitschnitten der Sitzung der Verfassungsrichter wollen die
Anwälte belegen, dass die Richter regelwidrig ein historisches Urteil zu
Fall brachten.
## Kultur des Schweigens beendet
Die Verurteilung des Exdiktators zu 80 Jahren Haft wegen Völkermord und
Verbrechen gegen die Menschlichkeit hatte hohe Wellen geschlagen, das
anschließende Kassieren des Richterspruchs durch die Verfassungsrichter
auch. „Es gibt ein Vor und ein Nach dem Urteil. Mit dem Prozess wurde die
Kultur des Schweigens beendet“, urteilt der Rektor der Universität Rafael
Landívar, Rolando Alvarado. Die von Jesuiten gegründete Universität bildet
auch Juristen aus. Auch Guatemalas Generalstaatsanwältin Claudia Paz y Paz
hat hier studiert.
Über die Nachfolge der gewieften Juristin, die Anfang Oktober noch als
potenzielle Kandidatin für den Friedensnobelpreis gehandelt wurde, wird in
den nächsten Monaten entschieden. Derzeit tagen die Kommissionen von
Hochschulen, Anwaltskammern und Juristenverbänden, um die Kandidaten für
die 90 höchsten Richterämter zu küren. Die werden von besagten Gremien
gewählt und alle paar Jahre ausgetauscht. Danach werden die Kandidaten für
die Generalstaatsanwaltschaft gewählt, die dann vom Präsidenten besetzt
wird.
„In Guatemala gibt es keine Richterlaufbahn. Die wichtigsten Posten werden
alle paar Jahre neu vergeben“, erklärt Rektor Alvarado das Procedere. Das,
so kritisieren Menschenrechtsanwälte wie Edgar Pérez, berge viele
Einflussmöglichkeiten.
„Die Justiz ist ein Machtfaktor, eng verwoben mit der Politik. Erst in den
letzten paar Jahren hat die Rechtsprechung an Unabhängigkeit und Ansehen
gewonnen“, so Pérez. Verantwortlich dafür sind Persönlichkeiten wie Claudia
Paz y Paz oder César Barrientos, Präsident der Strafkammer des Obersten
Gerichtshofs. Die haben in ihrem Einflussbereich für effektive Strukturen
gesorgt und die Korruption zurückgedrängt.
Das lässt sich an mehr Urteilen und weniger Straflosigkeit ablesen. Die
Quote der Prozesse, die ohne Urteil blieben, sank von 96 auf derzeit 70
Prozent. Doch Menschenrechtsorganisationen warnen vor einem politischen
Rollback. „Einflussreiche Kreise aus Wirtschaft und Politik bringen ihre
Kandidaten in Position. Kürzlich hat die Kommission für die Besetzung des
Wahlgerichts getagt. Alle Kandidaten sind regierungsnah“, erklärt Michael
Mörth.
21 Jan 2014
## AUTOREN
Knut Henkel
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