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# taz.de -- Jahrestag der Revolution in Ägypten: Die Polizei singt auf dem Tah…
> Die Anhänger von Armeechef Sisi feiern im Zentrum Kairos. Doch bei
> Angriffen auf Aktivisten und Muslimbrüder kommen 49 Personen ums Leben.
Bild: Anhänger von Armeechef Sisi am Samstag auf den Tahrir-Platz in Kairo.
KAIRO taz | In Ägypten soll noch vor den Parlamentswahlen ein neuer
Präsident gewählt werden. Das kündigte Übergangspräsident Adli Mansour am
Sonntag in einer kurzen Fernsehrede an. Einen Termin nannte er nicht.
Damit wird der Präsident nach dem Urnengang als einzig gewählte Instanz die
politische Schirmherrschaft über die Parlamentswahlen übernehmen.
Militärchef Abdel Fattah al-Sisi hält sich bisher bedeckt, ob er für das
höchste Amt kandidieren wird. Er wäre bereit, wenn dies der „Wille des
Volkes“ sei, ließ er vor wenigen Tagen verlauten.
Glaubt man der Szene auf dem Tahrirplatz am Samstag, dem dritten Jahrestag
des Beginns der Revolution, gibt es am „Willen des Volkes“ wenig Zweifel.
Der Platz war ein Meer von Plakaten mit dem Bild des Generals. „Ich werde
so lange auf dem Platz bleiben, bis er kandidiert“, rief einer der
Demonstranten. Eine Frau beteuert gar, sie sei bereit, Sisi zu heiraten.
Auf einem großen Banner war Sisi mit einem Schlachtmesser zu sehen,
darunter der vom Militär als Präsident abgesetzte Muhammed Mursi als Schaf,
mit einer ganzen Reihe anderer führender Muslimbrüder. „Exekutiert die
Muslimbrüder“ und „Sisi ist mein Präsident“, skandiert die Menge.
Doch es ist eine andere Szene, die in den sozialen Medien die Runde macht.
Ein Polizeioffizier steht auf einer Bühne auf dem Tahrirplatz und singt vor
Tausenden fahnenschwingenden Ägyptern am Revolutionstag die Nationalhymne.
Damit ist die Geschichte der ägyptischen Revolution offiziell
umgeschrieben. Das Innenministerium, das in den 18 Tagen des Aufstandes
gegen Mubarak brutal vorgegangen war und einen guten Teil der 840 Toten von
damals zu verantworten hat, ist nicht nur rehabilitiert, sondern
beansprucht die Revolution nun für sich.
## Tahrir-Aktivisten von 2011 demonstrieren gegen das Militär
Nur wenige hundert Meter von der Bühne des singenden Offiziers entfernt
wurden am Samstag mehrere hundert junge Ägypter verhaftet und verprügelt,
die vor drei Jahren wirklich auf dem Tahrir standen. Diese Gruppe säkularer
Aktivisten war eine halbe Stunde zuvor von dem Gebäude des
Journalistenverbandes aus losgezogen. Dort hatten sie Slogans gegen die
Muslimbrüder und vor allem gegen das Militär gerufen.
„Was auf dem Tahrir gerade passiert ist, dass sie einen neuen Pharao
schaffen, das ist das Letzte, was unser Land braucht“, sagte der Aktivist
Khaled Daoud. Daoud war noch im vergangenen jahr Sprecher der Nationalen
Rettungsfront, als diese noch von Muhammad El-Baradei angeführt wurde.
## Versuch eines Dissens – mit dem Leben bezahlt
Nur wenige Minuten nach dem Gespräch wurde die Demonstration von Polizei
und Sisi-Anhängern angegriffen. Dabei wurde El Sayed Wezza erschossen, ein
junges Mitglied der 6. April Bewegung. Er hatte letztes Jahr Unterschriften
für die Tamarud, die Rebellenbewegung, gesammelt, mit denen Präsident Mursi
aufgefordert wurde, vorgezogene Neuwahlen abzuhalten. Nun wollte Wezza
gegen die Militärführung demonstrieren, die ihren Putsch mit Tamarud
gerechtfertigt hatte. Es war der Versuch eines Dissens, den er mit seinem
Leben bezahlte.
Doch es waren vor allem die zahlreichen Gegendemonstrationen der
Muslimbrüder in vielen Landesteilen, die am Revolutionstag zahlreiche Opfer
forderten. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums kamen am Samstag
landesweit 49 Personen ums Leben, die meisten in den Kairoer Armenvierteln
Alf Maskin und Matariya , die als Muslimbruderhochburgen gelten.
Laut dem Innenministerium sollen am gleichen Tag 1.079 Menschen verhaftet
worden sein. Am 25.1.2011 waren 700 Menschen verhaftet worden. Damit wurden
am dritten Jahrestag der Revolution mehr Demonstranten festgenommen, als am
ersten Tag der Proteste selbst, – während Polizeioffiziere auf dem Tahrir
die Nationalhymne anstimmten.
26 Jan 2014
## AUTOREN
Karim Gawhary
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