# taz.de -- Zweiter Arbeitsmarkt: Noch mehr Arbeitslose | |
> Das Bremer Jobcenter hat soziale Unternehmen ins Visier genommen. Die | |
> sollen nur noch armen Menschen ihre Dienste anbieten – sonst werden | |
> Stellen gestrichen. | |
Bild: Zieht ohnehin keine reiche Kundschaft an: Das OTe-Bad in Tenever. | |
Zahlreiche von Beschäftigungsträgern betriebene Stadtteilcafés und | |
Begegnungsstätten müssen um ihre Existenz bangen: Das Jobcenter hat sie | |
angewiesen, ihre Dienste nur noch Menschen zur Verfügung zu stellen, die | |
nachweislich arm sind – alle anderen müssen draußen bleiben. Leistet ein | |
soziales Unternehmen dem nicht Folge, verliert es seine „Injobber“-Stellen. | |
Betriebe mit InjobberInnen – so werden in Bremen 1-Euro-JobberInnen genannt | |
– dürfen ihre Dienste „ausschließlich sozial benachteiligten Personen zur | |
Verfügung (...) stellen. Zur Sicherstellung der Einhaltung der | |
Wettbewerbsneutralität wird der Träger die Nutzer auffordern, ihre soziale | |
Benachteiligung (z. B. Bezug von Leistungen nach dem SGB II, Einkommen | |
unter dem Existenzminimum etc.) nachzuweisen.“ Dieser Satz aus einer | |
Stellungnahme des Jobcenters ist kein neuer Bestandteil des | |
Sozialgesetzbuches, „aber bislang haben wir da immer ein Auge zugedrückt“, | |
sagt Jobcenter-Sprecherin Katrin Demedts. | |
Damit soll es nun vorbei sein, denn die „interne Revision“, eine | |
Stabsstelle der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit, habe das Jobcenter | |
Bremen überprüft. „Wir sind ermahnt worden“, sagt Demedts, „künftig das | |
Gesetz einzuhalten.“ Und das besagt, dass eine vom Jobcenter geförderte | |
Einrichtung niemandem mehr Kaffee verkaufen darf, der auch nur 50 Cent über | |
dem Existenzminimum verdient. | |
Für Martina Hoffmann ist das „fernab jeder Realität“. Sie arbeitet beim | |
Beschäftigungsträger Bras als Anleiterin des „Rosencafé“ in der Neustadt. | |
„Wir bieten hier nicht nur Kaffee und Mittagessen, sondern helfen Menschen | |
aus ihrer Isolation, machen Hilfsangebote.“ Neben der Gastronomie können | |
BesucherInnen auch Sport- und Kreativangebote nutzen. RentnerInnen kämen | |
genauso zu ihnen wie Mütter mit ihren Kindern, sagt Hoffmann. „Da gibt es | |
Alleinerziehende, die drei Jobs haben und damit fünf Euro mehr in der | |
Tasche als das, was sie vom Sozialamt bekämen.“ Die dürfen ihre Angebote | |
nun nicht mehr in Anspruch nehmen – es sei denn, das „Rosencafé“ würde … | |
InjobberInnen verzichten. | |
Bloß: Bras ist ein Beschäftigungsträger genau für diese Menschen, also | |
solche, die auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben. | |
Ihnen eine sinnvolle Beschäftigung oder sogar die Chance auf | |
Wiedereingliederung in das normale Berufsleben zu ermöglichen, ist Aufgabe | |
des Vereins, der rund 700 InjobberInnen beschäftigt. Gefördert wird Bras | |
durch die EU, die Stadt Bremen und eben durchs Jobcenter. Die InjobberInnen | |
werden bedarfsgerecht eingesetzt – wenn also zukünftig eine Einrichtung | |
weniger „Kunden“ hat, können die Stellen entsprechend gekürzt werden. | |
„Die Anweisung vom Jobcenter kostet Arbeitsplätze“, sagt Anne Vetter, die | |
für die Grünen im Ortsbeirat Osterholz sitzt. „Alle reden von Inklusion, | |
aber hier verlieren Menschen am Rande der Gesellschaft ihre Jobs – das ist | |
ausgrenzend und menschenverachtend.“ Dass sie nicht dramatisiert, zeigt das | |
vom Mütterzentrum Tenever betriebene „Café Leuchtturm“ im OTe-Bad: Die | |
dortigen Injobber-Stellen sollen ab Februar nicht weiter bewilligt werden. | |
„Das Café steht in keinerlei Wettbewerb zu anderen Anbietern“, sagt Christa | |
Brämsmann vom Mütterzentrum. Die Bremer Bädergesellschaft habe versucht, | |
die Schwimmbad-Gastronomie privat zu verpachten, allerdings ohne Erfolg. | |
Das Bistro sei viel zu klein, habe keine eigenen Toiletten „und | |
zahlungskräftige Kunden gibt‘s hier in Tenever nicht“, sagt Brämsmann. Nun | |
arbeiten dort zwei Injobberinnnen und bewirten Badegäste – unabhängig von | |
deren Einkommenssituation. „Anders würde der Betrieb ja gar keinen Sinn | |
machen“, sagt Brämsmann. Ihr ist durchaus bewusst, dass die geförderten und | |
preisgünstigen Unternehmen der Beschäftigungsträger nicht in Konkurrenz zur | |
freien Wirtschaft treten dürfen: „Wir lassen uns zum Beispiel in unserer | |
Schneiderei immer die Hilfsbedürftigkeit des potenziellen Kunden | |
nachweisen. Hat er zu viel Geld, schicken wir ihn zum Änderungsschneider um | |
die Ecke.“ Aber „Kundenkarten“, die ausweisen, dass jemand arm ist, seien | |
für das Schwimmbad-Café keine Option. „Das habe ich dem Jobcenter auch | |
mitgeteilt – mit der Folge, dass unsere Injobber-Stellen ab Februar nicht | |
weiter bewilligt werden.“ | |
Nun formuliert sie einen Widerspruch. Sollte auch der erfolglos bleiben, | |
„werden wir unsere Öffnungszeiten reduzieren und Ende des Jahres wohl dicht | |
machen“. Dann nämlich wird auch der einzige dort noch verbliebene | |
Angestellte arbeitslos. Der ist im Rahmen des 2010 von Ex-Arbeitsministerin | |
Ursula von der Leyen initiierten Projekts „Bürgerarbeit“ angestellt – und | |
das läuft 2014 aus. „Ohne Ende“, sagt Brämsmann, „werden Stellen auf dem | |
ersten Arbeitsmarkt subventioniert, aber Menschen, die nahezu keine Chance | |
auf Arbeit haben, gehen leer aus.“ | |
26 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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