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# taz.de -- Kein Geld für Qualifizierung: Quirl ist insolvent
> Der Beschäftigungsträger „Frauenbetriebe Quirl“ hat Insolvenz angemeldet
> und protestiert damit auch gegen Verfehlungen in der Arbeitsmarktpolitik.
Bild: Arbeiten und Lernen: Bei Quirl schaffte das bisher Perspektiven für 125 …
Der Beschäftigungsträger „Quirl“ hat Insolvenz angemeldet. Mit seinen
Frauenbetrieben bietet der Verein 125 langzeit-erwerbslosen Frauen eine
Perspektive, die auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance hätten. In sechs
Küchenbetrieben und Gasträumen, einem Waschsalon und einem Kolleg werden
sie unterstützt und qualifiziert. Quirl existiert seit 27 Jahren und hat
mittlerweile 85 MitarbeiterInnen, die meisten in Teilzeit. Etwa die Hälfte
arbeite in den drei Kinderhäusern des Vereins, deren Betrieb laut
Geschäftsführerin Katja Barloschky nicht gefährdet ist. Die Insolvenz ist
dabei eine politische Ansage: Man ziehe damit „Konsequenzen aus den
systemischen Verwerfungen arbeitsmarktpolitischer Förderinstrumente“, heißt
es in einer Erklärung des Vereins.
Worum geht es? Die Frauen, die zu Quirl kommen, haben oft keinen
Schulabschluss, sind alleinerziehend, können nicht so gut deutsch oder sind
traumatisiert. Bei Quirl finden sie zusätzlich zu einem Ein-Euro-Job
individuelle Unterstützung: Durch Sprachkurse oder Workshops, die erklären,
wie man Kassenbücher führt oder mit Kunden redet. Acht Prozent der Frauen
schafften dabei den Schritt in den ersten Arbeitsmarkt.
Bezahlt wird das mit Fördermitteln des Jobcenters. Doch seit im April 2012
diese arbeitsmarktpolitischen Instrumente durch die Bundesregierung
reformiert wurden, geht das nicht mehr so einfach. Ein-Euro-Jobs etwa
dürfen nichts mehr mit Qualifizierung zu tun haben. Doch gerade die
Kombination aus Arbeit und Lernen setze Quirl sinnvoll ein, so
Vereinsvorsitzende Adelheid Biesecker. Ein Modellprojekt mit dem Jobcenter
Bremen, bei dem den Frauen neben Ein-Euro-Jobs noch eine Qualifizierung
genehmigt wurde, sei am enormen Verwaltungsaufwand gescheitert.
Zudem darf Quirl Einnahmen, wie etwa durch den Cateringbetrieb, nicht
behalten: Etwa 460.000 Euro Umsatz machte der Verein damit 2012. Die 95.000
Euro Verlust des gleichen Jahres wären damit leicht ausgeglichen – doch
laut Zuwendungsrecht müssen Gewinne abgeführt werden. Insgesamt fehlten pro
Jahr mindestens 150.000 Euro, schätzt Barloschky.
Nun könnte Quirl darauf so kreativ reagieren, wie andere
Weiterbildungsträger im Jobcenter-Maßnahmen-Dschungel: Hochbezahltes
Abstellgleis für Hartz-IV-Empfänger sein, sie in Massen vor einen Computer
mit Stellenanzeigen absetzen. Damit können Weiterbildungsträger Geld
verdienen und die Jobcenter sind ihre „Kunden“ los.
Doch Quirl will das: Eckpfeiler wie die „hohe fachliche Qualität in der
Betreuung der Teilnehmerinnen“, die „strikte Beachtung der gesetzlichen
Vorgaben“, sowie „Tariflöhne für die MitarbeiterInnen“ will der Verein
„nicht verleugnen“. Katja Barloschky wird noch grundsätzlicher: „Der
repressive Charakter der Arbeitsmarkt-Politik, der sich mit der
Instrumentenreform noch verschärft hat, hilft niemandem und entmündigt und
entwürdigt die Menschen“, sagte sie zur taz.
Für Peer Rosenthal von der Arbeitnehmerkammer müsse man die
Instrumentenreform gemeinsam mit den Kürzungs-Beschlüssen der
Bundesregierung von 2010 betrachten: In der Folge seien Fördermittel für
das Jobcenter Bremen von 70 Millionen Euro in 2010 auf 45,7 Millionen in
2012 gesunken. „Die Kürzung war völlig kontraproduktiv, insbesondere, wenn
man arbeitsmarktfernen Gruppen eine Perspektive auf Teilhabe durch Arbeit
ermöglichen will“, so Rosenthal.
5 Nov 2013
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Insolvenz
Agentur für Arbeit
Jobcenter
Qualifikation
Frauen
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