# taz.de -- Weg in die Ausbildung: Kaltakquise für Lehrstellen | |
> Die Agentur "Die Ausbildungsberater" hilft Jugendlichen bei der Suche | |
> nach Lehrstellen und Betrieben bei der nach Azubis - ganz ohne staatliche | |
> Förderung | |
Bild: Michael Kron und Nicole Nienaß hatten keine Lust mehr aufs Formulare-Bin… | |
In Bremen gibt es eine Beratungsstelle für ausbildungssuchende Jugendliche, | |
die bundesweit einmalig ist: Sie arbeitet ohne einen Cent Zuschüsse aus | |
öffentlichen Töpfen. Und sie will auch keine haben. | |
Neben der Agentur für Arbeit bieten unter den Dächern von | |
Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Instituten oder Vereinen allerlei | |
Beratungsstellen Hilfe an beim Übergang von der Schule ins Berufsleben. | |
Diese Einrichtungen werden mit Mitteln aus beispielsweise dem Europäischen | |
Sozialfonds (ESF), dem Familienministerium oder der Sozialsenatorin | |
mitfinanziert. | |
Die SozialpädagogInnen Nicole Nienaß und Michael Kron kennen das, denn | |
beide haben früher unterm Dach der Bremer Jugendinformations- und | |
Beratungsstelle (Jib) gearbeitet, Nienaß bei „Frauen in Arbeit und | |
Wirtschaft e.V.“ ,Kron beim Beschäftigungsträger „Bras e.V.“. Ihre Stel… | |
konnten 2010 nicht länger finanziert werden: „Wir wollten aber unsere | |
Arbeit weitermachen“, sagt Nienaß. | |
Vor der Gründung ihrer GbR gehörte die Beratung von Jugendlichen mit oder | |
ohne Schulabschluss, mit Ausbildungsabbrechern oder Jugendlichen mit | |
Migrationshintergrund genauso zu ihrem Alltag wie der Kampf um | |
Fördergelder: „In meinen sieben Jahren bei Bras war es kaum möglich, zu | |
planen“, sagt Kron. Neben ESF-Mitteln gab es manchmal nur für drei Monate | |
Kofinanzierungen von der Arge, die damals noch Bagis hieß: „Mehr als einmal | |
haben wir auf gepackten Koffern gesessen“. Hinzu kam das Wirrwarr um | |
Zuständigkeiten: „Wir durften Jugendliche offiziell nur beraten, nicht aber | |
vermitteln“, sagt Nienaß. Beim Neuantrag für Fördergelder hätten sie jedo… | |
angeben müssen, wie hoch denn ihre Vermittlungsquote sei. | |
Bei der Bras lag sie 2010 bei 70 Prozent, „Die Ausbildungsberater“ liegen | |
20 Prozent darunter. „Erst waren die Firmen erfreut, weiter mit uns | |
zusammenarbeiten zu können“, sagt Kron. Weniger begeistert waren sie | |
hingegen, als sie plötzlich Geld für ihre Dienste zahlen mussten. | |
„Wir machen einen Kompetenzcheck, der Qualifikationen jenseits von | |
Schulnoten berücksichtigt“. Dadurch, sagt Kron, könnten Firmen Zeit für das | |
Sortieren nichtssagender Bewerbungen und Geld für das Schalten von | |
Stellenanzeigen sparen. „Die Personaler wissen unsere Arbeit zu schätzen, | |
scheitern aber oft an den Geschäftsführern“, sagt Nienaß. Dennoch haben die | |
Ausbildungsberater inzwischen zehn feste Kooperationen mit Firmen. | |
Um Kunden für ihre „Azubivermittlung“ zu gewinnen, müssen die beiden das | |
betreiben, was Nienaß als „Kaltakquise“ bezeichnet. „Aber dafür“, sag… | |
„können wir machen, was wir wollen.“ Nicht nur Jugendliche mit | |
„Vermittlungshemmnissen“ können sich dort melden: „Wir beraten auch zu d… | |
Themen duales Studium oder zweiter Bildungsweg, wir vermitteln Praktika zur | |
Einstiegsqualifizierung und Betriebe, die Azubis mit Migrationshintergrund | |
suchen.“. | |
Die Jugendlichen scheuen den Weg zu den Ausbildungsberatern nicht, trotz | |
der Gebühr von 75 Euro. „Die meisten waren vorher beim Jobcenter und sind | |
total frustriert“, sagt Kron. Neulich sei ein junger Mann da gewesen, der | |
drei Jahre lang vergeblich versucht habe, einen Ausbildungsplatz zu | |
bekommen: „Dem haben wir einen Job bei einer Firma besorgt, die ihn ab | |
August als Azubi übernimmt.“ Die Arbeitsagentur könne das nicht leisten: | |
„Die haben zehn Minuten Zeit für ein Beratungsgespräch.“ Auf die Idee, | |
Jugendliche zu Nienaß und Kron zu schicken, kommt das Jobcenter freilich | |
nicht: „Wir werden da als Konkurrenz wahrgenommen.“ | |
Von der Arbeitsagentur würden viele in berufsvorbereitende Maßnahmen oder | |
Einstiegsqualifizierungen gesteckt. „Damit gelten sie offiziell als | |
vermittelt – und sind danach arbeitslos“, so Kron. Die Dienstleistung der | |
Ausbildungsberater umfasst auch die Begleitung der Azubis bis zum Ende | |
ihrer Probezeit – erst dann sind sie vermittelt. | |
Nienaß und Kron geben Fortbildungen und Seminare und suchen zurzeit | |
Unternehmen, die Interesse an PraktikantInnen aus Dänemark haben. Diese | |
Vielfalt sei auch ein Teil der Freiheit, die ihnen ihr unabhängiges | |
Unternehmertum biete. | |
Fördergelder, sagt Nienaß, würden sie nur dann annehmen, „wenn wir | |
ausdrücklich langfristig und ohne weitere Einmischung Geld für Jugendliche | |
bekämen, die sich unsere Gebühr nicht leisten können“. Dazu gehören auch | |
Hartz-IV-EmpfängerInnen – die Kosten für privatwirtschaftliche Hilfe bei | |
der Ausbildungssuche bekommen die Jugendlichen nämlich nirgends erstattet. | |
18 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
## TAGS | |
Ein-Euro-Jobber | |
Duale Ausbildung | |
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