# taz.de -- Christlicher Fundamentalismus: Stark im Glauben | |
> Homophob, selbstgerecht, geistig arm: Die Evangelikalen sind die | |
> Buhmänner unter den Christen. Die Wirklichkeit ist ein bisschen | |
> komplizierter. | |
Bild: Erreicht die Menschen oft nicht: die Amtskirche. | |
HAMBURG taz | Die Evangelikalen sind aus unterschiedlichen Gründen in | |
weiten Kreisen unpopulär, und natürlich sind sie selbst schuld daran. | |
Schlecht zu ertragen ist aber die Arroganz, mit der man ihnen begegnet, sei | |
es – diskret – in der Volkskirche, sei es weniger diskret im säkularen | |
Rest. Die Evangelikalen, das sind in den Augen der meinungsbildenden | |
Akademiker und Halbbildungsbürger die Naiven unter den Religiösen, | |
diejenigen, die noch nicht zu den Segnungen der Abstraktion gefunden haben, | |
geistig Arme, die mehr Spektakel brauchen und buntere Bilder. | |
Soweit der einfache Teil. Der schwierigere: Der Begriff „evangelikal“ ist | |
ungefähr so weit wie „gläubig“. Es gibt evangelikale Gemeinden in der | |
Landeskirche, für den früheren EKD-Ratsvorsitzenden Huber bedeutet | |
evangelikal schlicht die Fortsetzung des Pietismus, andere sagen, dass es | |
das ist, was man früher fromm genannt hätte. Und dann gibt es evangelikale | |
Gemeinden, deren Weltbild die Größe einer Schuhschachtel hat, die freudige | |
Koalitionäre von homophoben Rechtsaußen sind. | |
Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Fanny Dethloff, erzählte bei | |
einem weitgehend unbesuchten Podium zum Thema Mission von den Erfahrungen | |
der Amtskirchen-Mitarbeiter, die jahrzehntelang in Flüchtlingsunterkünften | |
interreligiöse Treffen und praktische Beratung anboten. Es kamen auch | |
andere Gruppen, evangelikale, die zu Gebetszeiten einluden, und siehe da, | |
immer wieder konvertierten anschließend Menschen. „Warum haben wir nie über | |
unsere Beweggründe gesprochen, diese Arbeit zu machen“, fragten sich einige | |
der Amtskirchler. | |
Es scheint, als hätten die Flüchtlinge sie als Sozialarbeiter oder | |
Wohlmeinende ohne religiösen Hintergrund wahrgenommen. Interessanterweise | |
haben die Konvertiten sich später oft von ihnen distanziert, die | |
Amtskirchler waren für sie keine echten Christen. Das macht das | |
Religionsverständnis der Konvertiten und der Missionierenden nicht | |
besonders sympathisch. Es hat aus der Entfernung auch eine gewisse Komik, | |
vor allem aber zeigt es, dass ein Hamburger Pfarrer, dessen Gemeinde zur | |
Landeskirche gehört, aber evangelikale Anteile hat, die Sache trifft, wenn | |
er sagt: „Es ist sonderbar, wenn ich Christ bin, aber so tue als sei ich | |
gar nichts.“ Für ihn ist Christentum eben keine philosophische Größe, die | |
vor allem eine sympathische und gesellschaftlich förderliche Ethik nach | |
sich zieht, sondern die Erfahrung von „Gottes Liebe, der eine Beziehung zu | |
uns hat“. | |
Die Amtskirche, zumindest in ihrer norddeutsch-nüchternen Variante, bekommt | |
Ausschlag bei solchen Gefühlsaufwallungen. Ihr Zentrum für Predigtkultur | |
hat gerade empfohlen, auf große Worte wie Gott und Jesus in der Fastenzeit | |
zu verzichten, da deren Inhalte „ausgewandert“ seien. | |
Die Evangelikalen sind der Stachel im Fleisch der Kirche, das macht sie | |
nicht beliebt, notwendig sind sie trotzdem. Es gibt Theologen wie den | |
Hamburger Hans-Martin Gutmann, die darauf verweisen, dass es mit der | |
Prinzipientreue der streng Evangelikalen nicht ganz so weit her ist, wie | |
man annehmen könnte. Die Speisegesetze setzen sie dann doch nicht um, und | |
auch die patriarchale Mehrehe, die wenn nicht Vorschrift, so doch soziale | |
Selbstverständlichkeit des Alten Testaments ist, bleibt in der Mottenkiste. | |
Aber Gutmann lässt keinen Zweifel daran, dass einiges in dieser | |
evangelikalen Glaubenswelt zu entdecken ist. Eine Intensität des Gebets, | |
das mehr ist als ein Ich-zünde-eine-Kerze-an-aber-sage-auf-keinen | |
Fall-Etwas, eine Freudigkeit, die andeutet, dass Christentum mehr sein kann | |
als eine mit Haltung getragene Aufgabe. | |
Ein Interesse an der Bibel, jenseits der Frage, ob man neben den Hirten | |
nicht auch Hirtinnen einspeisen kann. Da gibt es eine Sozialgesetzgebung, | |
die vom Gläubigen fordert, den Schuldnern alle sieben Jahre die Schulden zu | |
erlassen. Die Äcker nicht vollständig abzuernten, sondern etwas für die | |
Armen stehen zu lassen. Da gibt es aber auch, sorry Zentrum für | |
Predigtkultur, Gott, Jesus und Sünde. Man kann etwas falsch machen, siehe | |
da. Gut möglich, dass diese Vorstellung für Unfreude sorgt in einer Zeit, | |
in der es unsere Hauptsorge ist, uns zu entfalten, in welcher Scheinblüte | |
auch immer. Sonderbar allerdings, dass Popularität das wesentliche | |
Kriterium sein sollte in Glaubensfragen. | |
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14 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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