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# taz.de -- Ernst Elitz hat zu allem eine Meinung: Diekmanns Götterbote
> Ernst Elitz leitete einst den Süddeutschen Rundfunk, er war Intendant
> beim Deutschlandradio. Jetzt feuert er Blitze in der „Bild“ ab. Warum?
Bild: Ernst Elitz
Ernst Elitz sieht anständig aus. Ordentlich. Er hat weißes, kurzes Haar,
trägt einen fleckenfreien, beigefarbenen Trenchcoat und einen Schal über
dem Jackett. Er ist der Typ „älterer Herr mit Hut“.
Ernst Elitz ist 72 Jahre alt. Er war mal Redakteur beim Spiegel,
stellvertretender Leiter und Moderator beim „heute-journal“, Chefredakteur
beim Süddeutschen Rundfunk und Intendant des Deutschlandradios. Er ist der
Typ Journalist, der nie aufhört, Journalist zu sein. Weil dieser Beruf für
die, die ihn begriffen haben, mehr ist als Broterwerb. Er ist die
Möglichkeit, einen Beitrag zur Gestaltung der Welt zu leisten und zur
Selbstvergewisserung.
Deshalb schreibt Ernst Elitz in einem Alter weiter, in dem andere von Sylt
aus ihre Aktien verfolgen. Er schreibt unter anderem für die Zeitung des
Deutschen Bundestags Das Parlament und den „Deutschen Koordinierungsrat“,
einem Verein zur christlich-jüdischen Zusammenarbeit. Außerdem unterrichtet
er als Honorarprofessor den journalistischen Nachwuchs.
Ernst Elitz schreibt Sätze wie diese in der Bild: „Wenn Sarrazin
rausfliegt, fliegt die Wahrheit aus der Partei!“ Oder: „Ein Patriot steht
für eine Sache ein.“ Er ist Kommentator bei der Zeitung. „Abwechslung ist
mein Lebensprinzip“, sagt er. Und: „Boulevard habe ich noch nicht gemacht.�…
Jetzt ist er auf der Straße angekommen. Er fühlt sich wohl.
## Sätze wie Donnerblitze
Ernst Elitz ist einer der Journalisten, die als Elder Statesman gefragt,
gehört und geladen werden. Sie genießen eine Art Narrenfreiheit: Weil sie
erfahren und klug sind, ist ihre Meinung geschätzt; weil sie nicht mehr im
Tagesgeschäft sind, können sie Dinge sagen, die sich die jetzt Aktiven
nicht trauen. Manchmal allerdings kommt die Frage nach dem Verfallsdatum
auf: Ist der noch ganz frisch?, fragt man sich bei mancher Äußerung von
Herren, die an ihrer guten alten Zeit kleben wie das Brausepulver an der
Handfläche und das Internet als ein Fegefeuer betrachten, das bald
verglühen wird.
Aber Ernst Elitz ist nicht gestrig. Ernst Elitz ist bestens informiert. Er
ist einer jener, die, wenn sie in den Tag aufbrechen, alle wichtigen
Zeitungen gelesen, im Deutschlandradio die Analysen verfolgt und online
geschaut haben, was die neuen Meldungen sind. Er kennt sich aus im
Zeitgeschehen und im Aktuellen. Und er weiß, was davon zu halten ist.
Deswegen will er sich mitteilen.
Für Bild-Chefredakteur Kai Diekmann ist dieser Mann ein Geschenk. Unter
Diekmann hat sich die Bild zu einem bunten, unterhaltsamen Medium
entwickelt, dessen Menschenverachtung und Perfidie in der allgemeinen
Anerkennung von Zynismus ein bequemes Dasein gefunden haben. Diekmann hat
das Wir-Gefühl verstärkt und eine spaßorientierte Leserschaft aufgebaut,
die sich an nichts stört, solange es nicht impotent macht. Für die Älteren,
für jene, die in ihrem Bedürfnis, auf den Tisch zu hauen, abgeholt werden
müssen, gibt es Ernst Elitz.
Thematisch hat Elitz freie Hand. Und nichts ist vor seinem Zugriff sicher.
Snowden, Pofalla, Steuern, Obama, Heizkosten – Elitz bildet sich zu allem
eine Meinung, und die teilt er mit. Er gibt den Götterboten des wahren
Gedankens. Wie Donnerblitze schickt er seine Sätze ins Blatt. Gut und Böse
fahren in den Leser, wie Nachrichten des Jüngsten Gerichts, auf dass die
Ordnung wieder hergestellt werde. Elitz’ Blitze gibt es nur in Schwarz oder
Weiß, Laut oder Leise.
## Jeder Shitstorm sei schlimmer als die NSA
Was herauskommt, sind verknappte Zusammenhänge; beschnittene Geflechte, die
die Vermutung nahelegen, es müsse ein sehr schlichtes Gemüt sein, das hier
wütet. Ein Beispiel: „Dabei richtet jeder Shitstorm gegen unbescholtene
Bürger in Deutschland mehr Unheil an als die Sammelwut der NSA.“ Bitte?!
Jeder Shitstorm gegen irgendeinen Normalbürger richtet mehr Schaden an als
die Möglichkeit, Privatpersonen, Politiker und die Wirtschaft auszuleuchten
und zu erpressen?
In der Abgrenzung von Journalismus zur PR „rieselt“ für ihn „der Kalk“:
„PR-Mitarbeiter können Weltmeister in der Erklärung komplizierter
Sachverhalte sein“, schreibt er im Medium Magazin. Ein Satz – jahrelange
Bemühungen an den Journalistenschulen zerschossen.
Der Versuch, Ernst Elitz zu verstehen, zu begreifen, was diesen Mann
antreibt, scheitert. Denn es ist alles nicht so, wie es scheint. Die Arbeit
als Kommentator für die Bild ist „wie ein Rückgriff auf das, was ich als
Chefredakteur beim Süddeutschen Rundfunk gemacht habe“. Schließlich seien
seine Kommentare für die „Tagesthemen“ nichts anderes gewesen: „Das war
auch damals schon klare Kante. Ein guter ’Tagesthemen‘-Kommentar ist wie
ein guter Kommentar der Bild: kurze Sätze, klare Meinung, nicht rumeiern.“
Ein Kommentar von Ernst Elitz besteht selten aus mehr als 15 Sätzen. Viele
davon sind kurz, gern benutzt er Wörter, die die Menschen schnell
erreichen. „Krieg“ ist so eines, „Herz“, „Hoffnung“, „Schuld“ d…
Oft fordert er „Schluss!“ Seine größte Stütze ist das Ausrufezeichen. In
einem Text mit 13 Sätzen streut er es neun Mal. Die Erklärung? „Die Sätze
sind alle gleich wichtig.“
Es ist nicht, als würde er sich winden, als müsse er im Gespräch mühevoll
Wege suchen, um Kritik auszuweichen. Es ist einfach immer nur ganz anders,
als man denkt. So ist der Boulevard nicht fragwürdiger als andere
journalistische Gattungen. Ein Deutschlandfunk-Intendant und ein
Bild-Chefredakteur arbeiten „für dieselbe Zielgruppe“. Diese Einschätzung,
die Ernst Elitz durch wissenschaftliche Untersuchungen belegen kann,
erlangt er dadurch, dass er Leser seiner Kolumne als Journalisten und
Politiker ausmacht, die – die Wissenschaft belegt es – Bild lesen. Bei ihm
sind die anderen die Dummen. Die FAZ etwa, die „von vornherein 60 Millionen
Menschen ausspart“.
## Schlicht und reaktionär
Was Ernst Elitz schreibt, ist erschreckend schlicht. Erschreckend
reaktionär. Der Kollege Stefan Niggemeier hat sich in seinem Blog
ausführlich mit Elitz’ sonderbaren Ausführungen zur Integration
beschäftigt, mit seiner Parteinahme für Thilo Sarrazin, über den Elitz
schrieb: „Aber er sagt unverblümt viele Wahrheiten über das Land. Zu viele
Kopftücher, zu viel Hartz IV, zu wenig Leistung.“
Ernst Elitz ist ein Herr der alten Schule. Charmant, aber bestimmt. Einer,
der im Gespräch geschickt pendelt zwischen Nähe und Distanz, Zu- und
Widerspruch. „Niggemeier“ ist das Stichwort, das seine Contenance wanken
lässt. „Oh, Gott! Ist das einseitig!“, ruft er. Schließlich wisse man
immer, was von Niggemeier kommen würde. Ein interessanter Vorwurf von
jemandem, der unter dem Willen zur Provokation jedes Thema durch
Schwarz-Weiß-Malerei auf den Empörungseffekt herunterbricht. Doch auch
diese Kritik will nicht greifen. Das sei keine Schwarz-Weiß-Malerei,
sondern „Komplexitätsreduktion“. Sie sei die große Gabe des Boulevards und
führe dazu, dass man den Lesern „in klaren Worten eine Sache erklärt“.
Boulevard ist gut, Bild auch. Das ist die Losung, der Ernst Elitz sich
verschrieben hat, sie wird verteidigt bis zum letzten Ausrufezeichen. Egal
wie die Einwände aussehen – Rügen des Presserates gegen die Bild, die
zynische, menschenverachtende Haltung –, immer sind andere auch schlecht,
immer sind es Vorwürfe, die „im Einzelfall bewiesen werden müssten“. Immer
ist die Wissenschaft Beleg für die Güte des Blattes. Gilt die Kritik einer
seiner Kolumnen, ist es Franz Josef Wagner, der sie gelobt hat. Des Teufels
Advokat bemüht des Teufels Adjutanten als Zeugen.
Ernst Elitz tut so, als gäbe es nichts zu begreifen. Er versucht, das Bild
des ewig neugierigen Tausendsassas zu implementieren, der toll findet, was
er schreibt. Das ist glaubhaft. Ernst Elitz findet toll, was er macht.
28 Feb 2014
## AUTOREN
Silke Burmester
## TAGS
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