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# taz.de -- Mindestlohn beim Axel-Springer-Verlag: Beileger, Sie sind raus!
> Die Mitarbeiter einer für den Axel-Springer-Verlag tätigen Druckerei
> sollten mehr Geld bekommen. Sie freuten sich nur kurz: Bald könnten sie
> arbeitslos sein.
Bild: Die Mitarbeiter der Stark Holding arbeiten (bis jetzt) in der Druckerei: …
Die Zeichen stehen auf Streik. 220 Mitarbeiter in einer Druckerei im
Berliner Bezirk Spandau blicken auf ein Jahr zurück, in dem sie hoch
gepokert haben und tief gefallen sind. Und sie werfen dem
Axel-Springer-Konzern vor, ihnen den entscheidenden Stoß versetzt zu haben.
Im September setzten die Beschäftigten eine Lohnerhöhung von zwei Euro
durch. Doch ihr Arbeitgeber, der seit 20 Jahren im Auftrag von Springer
tätig ist, kündigte kurz nach den erfolgreichen Tarifverhandlungen seinen
Vertrag mit dem Verlag. Wenn es schlecht läuft, sind die Beschäftigten ab
März 2014 arbeitslos.
Um zu verstehen, wie Lohnforderungen und prekäre Arbeitsverhältnisse zu der
aktuellen Situation geführt haben, braucht es einen kurzen Blick auf die
Arbeitsbedingungen in der Spandauer Werkshalle: Die Druckerei ist Eigentum
des Axel-Springer-Konzerns. In ihr werden unter anderem die Bild, die Welt,
der Tagesspiegel und die B.Z. gedruckt.
Rund 550 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Ein Großteil von ihnen ist
direkt bei der Axel Springer AG angestellt, für manche der Aufgabenbereiche
in der Druckerei vergibt der Konzern allerdings Werkverträge an
Fremdfirmen. So auch an die Stark Holding.
## Bis September gab es 6,19 Euro die Stunde
Das Bremer Unternehmen sorgt dafür, dass in den Zeitungen, die jeden Tag
die Spandauer Druckerei verlassen, Werbeprospekte eingelegt werden. 220
Mitarbeiter beschäftigt sie dafür. Bis zum September 2013 zahlte sie ihnen
einen Stundenlohn von 6,19 Euro. Viele der Beschäftigten stockten beim
Jobcenter auf. Der Staat finanzierte indirekt den Gewinn des
Axel-Springer-Konzerns mit.
Im Sommer drohte der Betriebsrat, in Absprache mit der Gewerkschaft Ver.di,
zu streiken, sollte sich die Stark Holding mit ihren Mitarbeitern nicht auf
einen Tariflohn einigen. Nach zähen Verhandlungen kam im August der
Durchbruch: Ab September 2013 sollen die Beschäftigten 8,50 Euro pro Stunde
überwiesen bekommen. Gute zwei Euro pro Stunde mehr. „Dann war alles gut“,
schaut David Henson vom Betriebsrat zurück. „Alle haben sich gefreut.“ Die
Freude währte wenige Wochen.
Ende November teilt Stark plötzlich mit, dass das Unternehmen den
Werkvertrag mit Axel Springer gekündigt habe. Anstatt einen besser
bezahlten Job zu haben, haben die Angestellten nun bald keinen mehr. Die
Prospektebeileger wissen nicht, wie es für sie im nächsten Frühjahr
weitergeht. Sie haben noch keine Kündigung erhalten, sie wissen aber auch,
dass Stark sie in Berlin nicht mehr braucht.
## Ein „aggressiver Akt“ so Ver.di
Dass es so weit gekommen ist, nennt Ver.di „eine einmalige Geschichte in
der Zeitungsbranche“. „Das ist ein ganz aggressiver Akt seitens Axel
Springer“, sagt Ver.di-Mitarbeiter Jörg Reichel, der zusammen mit dem
Betriebsrat die Lohnerhöhung ausgehandelt hatte. „Tageszeitungen werden
unterhalb der Armutslohngrenze produziert.“
Bei Springer wiederum versteht man die Wut nicht, sieht in der Geschichte
eher einen natürlichen Geschäftsvorgang, schließlich sei die Kündigung von
Stark ausgegangen. Es wurde dann ein neuer Vertragsnehmer gewonnen.
Betriebsratsmitglied David Henson kann das nicht fassen: „Axel Springer
wollte die Lohnerhöhung nicht mitmachen“, wirft er dem Konzern vor. Seit
sechs Jahren steht er in der Spandauer Druckerei am Band. Und wenn Springer
sein Honorar an Stark nicht erhöhe, dann könne auch Stark nicht mehr
zahlen. Deshalb habe die Firma den Vertrag aufkündigen müssen.
Henson mag seinen Arbeitgeber eigentlich, trotz des niedrigen Lohns. Es
habe eine gute Zusammenarbeit gegeben. Und er sagt: „Ich bin mir sicher,
dass Stark den Werkvertrag gerne behalten hätte.“ Der Chef des Unternehmens
selbst will sich nicht äußern. 20 Jahre lang war die Stark Holding in der
Spandauer Druckerei vertreten. „Für ein solches Unternehmen ist es ein
Renommee-Projekt für einen solchen großen Verlag zu arbeiten“, sagt
Ver.di-Mann Jörg Reichel. Auch von ihm gehen daher die Vorwürfe nicht an
Stark, sondern an das Unternehmen, das eine Stufe drüber steht: „Die
Lohnerhöhung hätte nur funktioniert, wenn Axel Springer da mitgegangen
wäre.“
## Der Springer-Verlag sieht keinen Zusammenhang
Der Verlag selbst weist einen Zusammenhang zwischen den Geschehnissen,
zwischen Lohnerhöhung und Kündigung, von sich. Schließlich müsse auch das
neu beauftragte Unternehmen mit einem Lohn von 8,50 Euro rechnen. „In der
Ausschreibung hat Springer schriftlich festgehalten, dass im Hinblick auf
die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns die Kalkulation eines
Stundenlohns von 8,50 Euro zu berücksichtigen ist.“ Dies ist der einzige
Satz, den die Springer-Pressestelle als Zitat freigibt.
Der Nachfolger von Stark ist bereits in anderen Bereichen in der Spandauer
Druckerei tätig. Er zahle, sagt Reichel, 7,50 Euro an seine Mitarbeiter.
19 Dec 2013
## AUTOREN
Wiebke Schönherr
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