# taz.de -- Porsche-Betriebsrat über Gott und Politik: „Ich kümmer mich um … | |
> Uwe Hück, Betriebsratsvorsitzender bei Porsche, über eine | |
> Ausbildungspflicht für Firmen, seine Pläne, Jugendminister zu werden und | |
> warum er keinen Urlaub kennt. | |
Bild: Der Porsche-Betriebsratsvorsitzende Uwe Hück beim Charity-WM-Boxkampf ge… | |
Uwe Hück ist Betriebsratsvorsitzender bei Porsche, Freund deutlicher Worte | |
und Thaiboxer. Mitten auf dem Konferenztisch in seinem Büro bei Porsche in | |
Zuffenhausen sitzt ein Plüschmännchen mit blauen Augen. „Schlag mich, wenn | |
du Stress hast“, steht in Englisch auf seinem Bauch. | |
Hück verpasst ihm einen rechten Haken. Das Männchen ächzt und schreit. Und | |
noch einen. Manche nennen Hück den deutschen Chuck Norris. Er kennt sein | |
Image und spielt damit. Das Boxen hat ihn, das ehemalige Heimkind, stark | |
gemacht. Jetzt will er Jugendliche stark machen und ihnen die Chance zum | |
Aufstieg geben. Hück will Jugendminister werden. | |
taz: Herr Hück, ein Wahlkampfslogan für den Betriebsrat von Porsche lautete | |
einmal: „Merkel braucht Glück, Deutschland braucht Hück“. Wann machen Sie | |
mit Ihren politischen Ambitionen Ernst? | |
Uwe Hück: Ich bin ja immer dann erfolgreich geworden, wenn ich unterschätzt | |
worden bin. Wenn’s mir alle nicht zutrauen, dann ist die Gefahr groß, dass | |
ich’s mach. | |
Ihr Traumjob ist Jugendminister. Was wäre Ihre erste Amtshandlung? | |
Die Einführung einer Ausbildungspflicht. Es ist unanständig, dass | |
Unternehmen die Ausbildung finanzieren und andere Unternehmen, die nicht | |
ausgebildet haben, solche Leute abwerben. Das ist Diebstahl, so wie wenn | |
Sie sagen: Ich hol die Äpfel, wenn sie reif sind, beim Nachbarn. Der Staat | |
könnte Arbeitgeber finanziell unterstützen, damit wirklich jeder ausbilden | |
kann. | |
Woher wollen Sie denn das Geld nehmen? | |
Wir haben in Deutschland genug Geld, wir müssen es nur vernünftig | |
verteilen. Ich würde anstoßen, dass Beamtenpensionen abgeschafft werden, da | |
die Rücklagen auf Dauer nicht finanzierbar sind. Man muss den Leuten mehr | |
Geld geben, aber sagen: Ihr müsst euch schon selber versichern. Falls ich | |
Jugendminister werden sollte, knirscht es. Ich bin ein Querkopf – das | |
wissen im Unternehmen, bei der IG Metall und in der Politik alle. Wenn ich | |
der Auffassung bin, dass etwas ungerecht ist, dann kann ich in wenigen | |
Sekunden von der Rose zur Naturgewalt werden. | |
Sie sind SPD-Mitglied und hatten sich einen Regierungswechsel gewünscht. | |
Den haben Sie jetzt. Ist das nicht ein Trauerspiel, was wir von der Großen | |
Koalition bisher sehen? | |
Nö. Ich war nach der Wahl pragmatisch und habe gesagt, wir brauchen die | |
Große Koalition. Man kann nur Tore schießen, wenn man auch spielt. Die vier | |
Jahre werden jetzt nicht einfach sein. Seehofer hat jetzt schon total | |
vergessen, dass er einen Mindestlohn mit unterschrieben hat. Aber das ist | |
bei ihm öfter so. | |
Die SPD ist mit der Basisbefragung in die Koalition gestartet. Da zitterten | |
bei Gabriel offensichtlich die Nerven … | |
Es ist doch so: Wir sind lange nicht Fahrrad gefahren. Und Gabriel hat | |
gesagt: Jetzt machen wir ein Rennen. Ich sage: Lasst uns öfters Fahrrad | |
fahren! Einige haben ihm nicht zugetraut, dass er den Koalitionsvertrag | |
durchkriegt. Aber Sigmar hat genau den richtigen Weg eingeschlagen. Jetzt | |
muss er seine Stärke nutzen, damit das Land das bekommt, was es benötigt. | |
Sie leihen Ihre Stärke anderen: Mit Ihrer Lernstiftung unterstützen Sie | |
benachteiligte Kinder, weil Sie finden, dass Bildung vom Geldbeutel | |
abhängt. Was kann man gegen diesen Zusammenhang tun? | |
Ein Kind kann nichts dafür, wenn die Eltern sterben, sozial schwach oder | |
krank sind. Ich hab das am eigenen Leib gespürt. Ich war im Kinderheim, | |
hatte nichts. Ich war laut und auffällig. Was haben sie mit mir gemacht? | |
Sie haben mich erst mal in eine Sonderschule reingesteckt. Aber man muss | |
Kinder aus diesen Zonen rausholen und ihnen die Würde zurückgeben. Weil ich | |
aus dem Heim kam, haben mich alle beschimpft. Später wurde ich | |
Europameister und alle haben mir zugejubelt. Was hab ich festgestellt? | |
Sobald du etwas bist in der Gesellschaft, bekommst du jede Menge | |
Anerkennung. Hast du aber ein Schicksal erlitten, bist du der Loser. Mit | |
meiner Stiftung wollte ich zum Nachdenken anregen. Außerdem wird der Staat | |
das Bildungssystem nicht mehr alleine stemmen können, das müssen wir, die | |
Bürger, auch mitmachen. | |
Wen sehen Sie in der Pflicht? | |
Ich kenn ja einige, die Erfolg hatten und haben. Die sind auch bereit zu | |
spenden, wenn sie wissen, an wen. Dem Staat wollen sie nicht noch mehr | |
geben. Dem trauen die so weit, wie Sie einen Elefanten schmeißen können. | |
Wie kann man diese Leute dazu bringen, ihr Geld lockerzumachen? | |
Das hat mit persönlichem Anstand zu tun, das kann man nicht gesetzlich | |
vorschreiben. Man müsste einfach mal das Grundgesetz lesen, da steht drin: | |
Eingentum verpflichtet. Das finde ich was Tolles. Die Reichen müssen da, wo | |
sie sich befinden, in die Schulen investieren, die Kita mitfinanzieren. Wir | |
müssen sagen: Du bist reich geworden durch diese Gesellschaft, du musst ihr | |
auch was zurückgeben. | |
Legt der Porschefahrer nicht besonderen Wert auf Abgrenzung durch das | |
Statussymbol Auto? | |
Man macht immer den einen Fehler: Wenn einer mit der zerrissenen Jeans | |
kommt und über Gerechtigkeit redet, dem glaubt man. Wer im | |
Nadelstreifenanzug darüber redet, dem glaubt man nicht. Dabei ist es doch | |
so: Die Gesellschaft muss Geld haben, um das Soziale zu finanzieren. Der | |
Sozialismus hat ja gezeigt, von nichts kommt nichts. Solidarität in der | |
Gesellschaft hat nichts mit Sozialismus zu tun, das darf man nicht | |
verwechseln. | |
Der Porschefahrer hat also auch einen Platz in Ihrer Gesellschaftsvision? | |
Der muss sogar Platz haben. Das ist wie in der Industrie: Wenn es nur Polos | |
gäbe, ein Auto mit geringem fianziellem Deckungsbeitrag, dann könnte man | |
keine Elektroantriebstechnik entwickeln. Das finanzieren die Reichen, und | |
das ist auch gut so. Wir bei Porsche geben im Jahr zirka 1,4 Milliarden | |
Euro für die Entwicklung aus, nur für die Entwicklung! Wer soll denn das | |
finanzieren? Fahrradfahrer? | |
Porsche ist erfolgreich. In Teilen Ihres Unternehmens gibt es die | |
34-Stunden-Woche. Ist das ein Modell Deutschland? | |
Ja. Für Europa sogar. Die Produktivität in Deutschland ist extrem hoch. | |
Auch in anderen Ländern wird diese Produktivitätssteigerung kommen. Das ist | |
auch gut so, aber im Gegenzug müssen wir die Leute entlasten. Wir brauchen | |
an die Arbeitsintensität angepasste Arbeitszeiten. Ein Entwickler kann | |
entscheiden: Ich nehm die 40-Stunden-Woche. Die Produktion kann sagen: Wir | |
nehmen die 34-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich – weil die Akkord | |
arbeiten. | |
Sie machen nie Urlaub, heißt es. Wie finden Sie Ihren Belastungsausgleich? | |
Ich bin ja sehr gläubig. Ich bete zweimal am Tag, früh und abends. Um das | |
zu werden, was ich heute bin, musste ich was Schlimmes erleben. Ich glaube, | |
da hat mir irgendeiner da oben gesagt: Ich schmeiß dich mal richtig in die | |
Brühe rein, damit du weißt, wie das ist. Deshalb habe ich eines | |
versprochen, als ich acht Jahre alt war und eigentlich aufhören wollte zu | |
leben. Da hab ich gesagt: Wenn du mich groß und stark machst, dann kümmere | |
ich mich um den Mist. Jetzt hat er mich groß und stark gemacht, jetzt muss | |
ich mich um den Mist kümmern. | |
Aber auch bei Ihnen ist doch irgendwann der Speicher leer. | |
Ich ziehe Energie daraus, wenn Leute sagen: Das hast du gut gemacht. Und | |
logisch brauch ich auch Regenerationsphasen. Ich bleib dann mal einen Tag | |
zu Hause, schirme mich ab, geh in meinen Trainingsraum. Im Urlaub könnte | |
ich mich nicht erholen. Dort gibt es kein Rednerpult. | |
5 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Lena Müssigmann | |
## TAGS | |
Betriebsrat | |
Porsche | |
Mindestlohn | |
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