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# taz.de -- VW schluckt Porsche: Der Löwe tritt ab
> Porsche wird von Volkswagen geschluckt und Patriarch Wiedeking verlässt
> den Sportwagenhersteller. Die Eigentümerfamilien Piëch und Porsche haben
> jetzt noch mehr Einfluss.
Bild: Ist gegangen worden: Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking.
Sogar der Himmel hielt sich nicht zurück. Es prasselte zwischen den
Wellblechwänden der Motorenproduktion und der Sattlerei von Porsche in
Stuttgart-Zuffenhausen, wo sich während des letzten Auftritts von Wendelin
Wiedeking Hunderte seiner größten Fans versammelt hatten: die
Porsche-Mitarbeiter. Rote Augen hatte Wiedeking, vor Rührung und von der
14-stündigen Aufsichtsratssitzung in der Nacht zuvor. "Ja, liebe
Mitarbeiterinnen und Mit…", hob er an und stockte, dann applaudierten sie
ihrem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden minutenlang, der ihren Konzern seit
17 Jahren führte.
In der Nacht hatte ihn der Aufsichtsrat zusammen mit Finanzvorstand Holger
Härter vor die Tür gesetzt. Hier sagte Wiedeking dagegen, er habe sich
freiwillig zurückgezogen. Die permanente Beschädigung Porsches durch die
Angriffe auf ihn müssten aufhören. Zuvor brüllt Betriebsratschef und
stellvertretender Aufsichtsratschef der Porsche Holding SE, Uwe Hück, die
für die Mitarbeiter wichtigste Botschaft ins Mikrofon: "Die Porsche AG
bleibt eigenständig." So hätten es die Familien Porsche und Piëch in einem
Brief zugesichert.
"Eigenständigkeit": Erst war man unendlich stolz darauf, der kleinste,
unabhängige Autobauer der Welt zu sein. Wiedeking nannte den Konzern gern
den David, der schneller, wendiger ist als die großen Goliaths. Nun haben
sie den Trostpreis: die Zusage, dass Entwicklung, Vertrieb und Produktion
eigenständig bleiben. Hück versprach, die Arbeitsplätze und Standorte seien
sicher, das alles in einem "integrierten Konzern". Die Porsche AG bleibt
erhalten, gehört aber zu 100 Prozent zu VW. Die Marke agiert unabhängig.
Dreht man die Uhr auf November 2008 zurück: Porsche als Herrscher über
Europas größten Autobauer. Porsche hatte gerade ein Rekordgeschäftsjahr mit
über 8 Milliarden Euro Gewinn hinter sich und hielt bereits 42 Prozent an
VW. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis der Minisportwagenbauer mit
knapp 100.000 Wagen VW mit der 36-fachen Produktion schlucken würde. "Es
tut in der Seele weh", so Wiedeking in Bezug auf das VW-Gesetz, das dem
Land Niedersachsen ein Vetorecht bei VW einräumte.
Jetzt gab Wiedeking im Regen den gleichen Schmerz zu Protokoll, denn
dazwischen lag nicht nur eine Finanzkrise, sondern auch ein Bündnis
zwischen Christian Wulff und Ferdinand Piëch, ehemaliger VW-Chef,
Porsche-Miteigner und heutiger VW-Aufsichtsratschef. Beide wollten die
Übernahme mit aller Macht verhindern und stattdessen Porsche bei VW
eingliedern.
Auf der anderen Seite dessen Vetter Wolfgang Porsche, ebenfalls Miteigner
an der Firma, Wiedeking und Härter. Der hatte dem Konzern zwar trotz Krise
Kredite über 10 Milliarden Euro gesichert, doch die Uhr lief gegen sie: Das
Geld würde für eine Übernahme von VW nicht reichen, die Schulden mussten
aber in einem wesentlich größeren Konzern mit dickerem finanziellem Polster
aufgehen - VW.
Immerhin, betonten Hück und Wolfgang Porsche, habe Wiedeking "wie ein Löwe"
in der Nacht gekämpft: Es soll eine Kapitalerhöhung bei Porsche über 5
Milliarden Euro geben, ohne die hätte er eine Abdankung abgelehnt. Unklar
war, wie hoch der Anteil der Eignerfamilien daran sein wird.
Zudem wird das Emirat Katar Optionen auf weitere VW-Anteile von Porsche
übernehmen. Damit wird Katar, wie Wulff am Donnerstag mitteilen ließ, an
einem gemeinsamen Konzern 17 Prozent halten. Porsche dürfte nun gestärkt in
anstehenden Verhandlungen mit VW gehen können, die Wiedeking-Nachfolger
Michael Macht führen wird.
Zudem gab es noch ein dickes Geschenk zum Abschied: Härter erhält eine
Abfindung von 12,5 Millionen Euro, Wiedeking von 50 Millionen. Dieser hat
angekündigt, das Geld komplett in Deutschland versteuern zu wollen und mit
25 Millionen eine soziale Stiftung gründen zu wollen.
Nach dem bulligen Hück sprach noch Aufsichtsratschef und Miteigner Wolfgang
Porsche, fast schüchtern, zum Schluss schluckte er die Tränen runter: "Der
Mythos Porsche lebt und wird nie untergehen."
Aus der Not habe Wiedeking Porsche in Höhen geführt, die undenkbar gewesen
sind. 1992 waren sie Eigner eines Sportwagenbauers, der nettgerechnet noch
300 Millionen wert war und vor der Pleite stand. Künftig halten sie die
Hälfte an VW, der sich anschickt, der größte Autobauer der Welt zu werden.
Da kann man schon eine Träne abdrücken.
24 Jul 2009
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Betriebsrat
Übernahme
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