# taz.de -- „Klerikalfaschistische“ Dresdener Rede: Lewitscharoff bedauert … | |
> In einem Punkt entschuldigt sich die Schriftstellerin Lewitscharoff wegen | |
> ihrer Aussagen zur Reproduktion. Selbst der Suhrkamp-Verlag rückt von ihr | |
> ab. | |
Bild: Glaubt, mit einer Mini-Entschuldigung davonzukommen: Sibylle Lewitscharof… | |
DRESDEN/BERLIN dpa/taz | Autorin Sibylle Lewitscharoff hat sich für ihre | |
Aussagen zur künstlichen Befruchtung und zu Retortenkindern entschuldigt. | |
„Das tut mir wirklich leid, der (Satz) ist zu scharf ausgefallen. Ich | |
möchte ihn sehr gerne zurücknehmen, ich bitte darum“, sagte die | |
Schriftstellerin am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“. | |
Die Büchnerpreisträgerin hatte bei der Rede im Dresdner Staatsschauspiel | |
Retortenkinder als „Halbwesen“ bezeichnet und die Reproduktionsmedizin mit | |
Praktiken aus dem Nationalsozialismus verglichen. „Ich würde niemals ein | |
Kind, das auf diese Weise zur Welt kam, als fragwürdigen Menschen | |
bezeichnen“, sagte Lewitscharoff jetzt. [1][Alle anderen Sätze ihrer Rede] | |
sind ihr keine Entschuldigung wert. | |
Noch am Donnerstag hatte die 59-Jährige ihre Äußerungen in einem Interview | |
verteidigt. „Darf ich in einer Rede nicht sagen, was ich denke?“, erklärte | |
sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, [2][die das Interview zuerst | |
online veröffentlichte.] | |
Lewitscharoff hatte die Rede bereits am vergangenen Sonntag im | |
Staatsschauspiel Dresden gehalten. Der dortige Chefdramaturg Robert Koall | |
warf ihr am Mittwochabend [3][in einem Offenen Brief] gefährliche | |
Stimmungsmache und indirekt die Verletzung der Menschenwürde vor. Der | |
deutsche Lesben- und Schwulenverband und die Berliner Akademie der Künste | |
[4][reagierten schockiert auf die Äußerungen.] | |
## Lewitscharoffs Rechtfertigung | |
Lewitscharoff, eine der renommiertesten deutschen Schriftstellerinnen, | |
hatte laut Manuskript über künstlich gezeugte Kinder gesagt: „Nicht ganz | |
echt sind sie in meinen Augen, sondern zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, | |
halb künstliches Weißnichtwas.“ | |
Der FAZ sagte sie: „Nein, ich will es nicht zurücknehmen.“ Allerdings habe | |
sie auch klargemacht, dass ein Kind nichts dafür könne. „Niemals würde ich | |
einem Kind, das auf solchen Wegen entstanden ist und das mir sympathisch | |
ist, meine Zuneigung verweigern.“ | |
Zudem habe sie ihre Rede damit begonnen, dass ihr Vater ein Gynäkologe | |
gewesen sei, der sich umgebracht habe, erklärte die Autorin. „Ich gebe doch | |
den Menschen im Publikum damit zu verstehen, dass ich anders auf diese | |
Themen reagiere, schärfer und auch persönlicher.“ | |
Die Rede wurde vom Staatsschauspiel zum Herunterladen ins Internet | |
gestellt. Laut Text nannte Lewitscharoff Reproduktionsmediziner „Frau | |
Doktor und Herr Doktor Frankenstein“, das biblische Onanieverbot mit Blick | |
auf die Samenspende „geradezu weise“. | |
## Reaktionen auf Lewitscharow | |
„Das ist ein fieser Angriff auf alle Familien, die wie viele | |
Regenbogenfamilien auf dem Wege der Insemination Kinder bekommen“, erklärte | |
Renate Rampf für den Lesben- und Schwulenverband in Berlin. Als | |
Schriftstellerin wisse Lewitscharoff, was Worte anrichten könnten. „In | |
diesem Wissen spricht sie den Kindern die Würde ab. Das ist nicht dämlich, | |
sondern Hass – eine Sprache, die wir sonst nur von Verwirrten oder | |
Fundamentalisten kennen.“ | |
Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, erklärte: „Wir weisen | |
den menschenverachtenden Ton und Gestus der Dresdener Rede von Sibylle | |
Lewitscharoff aufs Schärfste zurück.“ Es sei ungeheuerlich, künstlich | |
gezeugte Kinder als „Halbwesen“ zu bezeichnen. Eine Sprecherin des | |
Suhrkamp-Verlags sagte: „Die Haltung, die in der Rede von Sibylle | |
Lewitscharoff zum Ausdruck kommt, ist nicht mit der des Verlags zu | |
verwechseln.“ | |
Auf Spiegel Online [5][schrieb Georg Diez], sie liefere „die Blaupause für | |
einen neuen Klerikalfaschismus“. In Online-Netzwerken wie Facebook und | |
Twitter gab es zahlreiche Äußerungen gegen Lewitscharoff. Ihre | |
„schreckliche Tirade“ zeuge von „Menschenverachtung“ oder sei bloßer | |
„geistiger Dünnschiss“, hieß es dort etwa. | |
## „Dann hätten wir sie nicht eingeladen“ | |
Lewitscharoff hatte 1998 für ihren Roman „Pong“ den Ingeborg-Bachmann-Preis | |
erhalten. Die Romane „Montgomery“ (2003), „Apostoloff“ (2009) und | |
„Blumenberg“ (2011) folgten. Unter anderem erhielt sie den Preis der | |
Leipziger Buchmesse, den Kleist-Preis und 2013 den Georg-Büchner-Preis. | |
Das Staatsschauspiel organisiert in Kooperation mit der Sächsischen Zeitung | |
regelmäßig Dresdner Reden. Vor Lewitscharoff kamen in diesem Jahr dabei | |
auch schon die Journalisten Heribert Prantl, Roger Willemsen und der | |
Grünen-Politiker Jürgen Trittin zu Wort. | |
Koall sagte, er sei von der Heftigkeit und Absurdität der Äußerungen | |
Lewitscharoffs völlig überrascht gewesen. „Natürlich haben wir nicht damit | |
gerechnet, dass jemand auf der Bühne diese Vergleiche anstellt“, so der | |
Chefdramaturg. „Dann hätten wir sie nicht eingeladen.“ | |
[6][In der taz sagte er:] „Ich wende mich ja gar nicht gegen ihre Thesen. | |
Die teile ich nicht, empfinde sie abstrus und zum Teil als nicht von dieser | |
Welt, aber damit habe ich kein großes Problem. Das fällt unter die | |
Meinungsfreiheit und die hält man aus. Ich finde den Sprachduktus | |
gefährlich und wende mich gegen den Sprachraum, in dem sie sich bewegt. Ich | |
unterstelle ihr, dass sie sich darüber sehr genau bewusst ist, als | |
Schriftstellerin muss sie das.“ | |
7 Mar 2014 | |
## LINKS | |
[1] /!134309/ | |
[2] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/sibylle-lewitscharoff… | |
[3] http://www.staatsschauspiel-dresden.de/spielplan/und_ausserdem/dresdner_red… | |
[4] /Nach-Lewitscharoffs-Dresdener-Rede/!134346/ | |
[5] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/georg-diez-ueber-die-lewitscharof… | |
[6] /Dramaturg-Koall-ueber-seine-Kritik/!134383/ | |
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