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# taz.de -- Hauptdarsteller von TV-Film über ADS: Privat ist er ganz nett
> Harald Schrott beherrscht den österreichischen Charme des
> Undurchsichtigen. Im ARD-Problemfilm „Keine Zeit für Träume“ kann er den
> kaum ausspielen.
Bild: Vater mit Aufgabe: Harald Schrott in „Keine Zeit für Träume“.
Den ersten Interviewtermin muss Harald Schrott absagen, weil sein kleiner
Sohn krank und seine Frau am Theater ist. Schrott weiß also aus eigener
Erfahrung, „wie schwer es manchmal ist, die beruflichen Bedürfnisse und
Sehnsüchte mit den privaten Verantwortlichkeiten unter einen Hut zu
kriegen“ – das Familienleben von zwei Schauspielern sei eine fragile
Konstruktion. „Wenn irgendwas quer schießt, kommt man schnell aus dem
Tritt.“
In „Keine Zeit für Träume“ spielt Schrott einen Vater, dessen Ehe an der
Diagnose Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) zu zerbrechen droht.
Regisseurin Christine Hartmann hat eine Art Ratgeber verfilmt, in dem alle
Fragen und Vorurteile zu der Verhaltensstörung Platz finden: Für die
Schwiegermutter ist ADS ein „Hirngespinst“, und die Eltern streiten
darüber, ob sie ihre betroffene Tochter Merle von der Regelschule nehmen
sollen. In ihrer Ablehnung gegen Tabletten sind sie sich dagegen einig.
„Ich mag den Film“, sagt Schrott, „auch wegen der Neutralität, die er si…
bewahrt.“ Das offene Ende zwinge den Zuschauer, sich zu fragen: Wie würde
ich mit so einer Situation umgehen?
Eine Lesart, die „Keine Zeit für Träume“ schmeichelt: Zwar sieht man nich…
ob Merle die Medikamente nimmt bzw. die Ehe hält, aber alle familiären
Spannungen lösen sich zu Singer-Songwriter-Gitarrenmusik in Wohlgefallen
auf, Papa bringt nach einer Nacht im Büro Croissants mit, und der Zuschauer
kann beruhigt vergessen, was er sich da gerade 90 Minuten angeguckt hat.
## Filmkarriere statt Galotti
Harald Schrott war lange am Theater, die Provinzochsentour, Innsbruck,
Mainz, Ulm, bevor er in Volker Schlöndorffs „Die Stille nach dem Schuss“
seine erste Filmrolle spielte. Seitdem dreht er eigentlich nur noch. Dabei
hätte aus ihm auch ein Theaterstar werden können, als er 2001 das Deutsche
Theater in Berlin verließ, war er gerade in Michael Thalheimers „Emilia
Galotti“-Inszenierung besetzt worden.
Schrott ist Österreicher, Tiroler genauer, lebt aber seit mittlerweile gut
25 Jahren in Deutschland. In Berlin fühlt sich der 46-Jährige längst zu
Hause, freut sich aber über jeden Film, den er in seiner Heimat dreht. Erst
seit etwa sechs Jahren wird er in österreichischen Produktionen besetzt.
Komisch, oder? Seine Landsleute hätten einfach lange nicht kapiert, wo er
herkommt, sagt Schrott in fast akzentfreiem Hochdeutsch.
An österreichischen Sets schätzt er „den selbstironischen Humor, diese
Lässigkeit“ – auch bei sich selbst: „Da kann ich mich anders entspannen.…
In Deutschland gebe es „eine große Ernsthaftigkeit, bis hin zur
Verbissenheit.“ In dieser Hinsicht ist „Keine Zeit für Träume“ ein sehr
deutscher Themenfilm.
## Die deutsche Eindeutigkeit
Doch für Schrott gehen die Unterschiede bei der Arbeit übers Atmosphärische
hinaus. Ist Roman in „Keine Zeit für Träume“ weniger Figur als Position,
darf er in der Heimat seine große Lust an der Ambivalenz ausspielen. „Die
Österreicher haben weniger Probleme damit, auch die Abgründe zu zeigen, das
hat fast schon was Obsessives.“ Wie etwa auch Christoph Waltz verleiht
Schrott seinen Figuren durch den Charme des Undurchsichtigen Tiefe. „Die
Deutschen dagegen wollen immer Eindeutigkeit“, sagt er und erzählt von
Menschen, die sich aufgrund seiner Rollen wundern, dass er privat ja
eigentlich ganz nett ist.
Neulich erst war Schrott mit der Familie in seiner Heimatgemeinde im
Urlaub. Die Kinder gingen in die Skischule, in der er als Jugendlicher
unterrichtet hat. „Schon damals wollte ich meinen Job gründlich machen“,
erinnert er sich. „Meine Schüler sollten möglichst gut und fundiert Ski
fahren lernen.“ Ein bisschen deutsch war Schrott offenbar schon, bevor er
nach Deutschland kam. Doch er ist Österreicher genug, um diesem Teil seiner
Identität nicht davonzulaufen: „Ich würde nie im Leben Deutscher werden
wollen.“
12 Mar 2014
## AUTOREN
David Denk
## TAGS
Schauspieler
Porträt
ARD
Österreich
Diagnose
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