| # taz.de -- Piraten in der Krise: 9 Schritte zur Selbstauflösung | |
| > Die Piraten machen ernst mit ihrer Selbstauflösung – aber der Zerfall | |
| > dauert ewig. Geht das nicht irgendwie schneller? Eine Gebrauchsanweisung. | |
| Bild: Europa und die Piraten – ob das noch was wird? | |
| BERLIN taz | Die jüngere Geschichte der Piratenpartei ist zwar eine | |
| erstklassige Zerfallsgeschichte, aber eine langwierige. Zwar bekämpfen sich | |
| die Parteiflügel bis aufs Blut und seit Monaten treten immer neue | |
| prominente Mitglieder aus. Aber selbst diese Selbstzerfleischung kennt kein | |
| Ende. Am Wochenende trat gleich der halbe Bundesvorstand zurück. Drei von | |
| sieben Vorstandsmitgliedern machten – mitten im Europawahlkampf – einen | |
| Abgang. Damit ist der Bundesvorstand der Piraten nach eigener Einschätzung | |
| handlungsunfähig, will die Geschäfte jedoch noch kommissarisch „weiter | |
| führen“. | |
| Moment mal: Weiterführen? Was denn? Und liegt die Betonung dabei eher auf | |
| weiter oder auf führen? | |
| Die taz will helfen und sagt, wie man den Laden dicht macht. Doch Vorsicht: | |
| Das ist gar nicht so leicht. Neun Antworten zum Schlussmachen. | |
| 1. Wie löse ich eine Partei auf? | |
| Dazu hilft den Piraten ein [1][Blick in die eigene Satzung], die sich am | |
| [2][Parteiengesetz] orientiert. In der Satzung der Piraten ist unter | |
| [3][Abschnitt 1, Paragraf 13], alles geregelt, was zur „Auflösung und | |
| Verschmelzung“ wichtig ist. Da die Partei ja schon verschmolzen genug ist, | |
| reicht es, dort alles zum Thema „Auflösung“ zu lesen. | |
| 2. Dann mal konkret: Wie können sich die Piraten noch schneller abschaffen? | |
| Zunächst die gute Nachricht für alle Parteienauflöser: „Ein | |
| Auflösungsbeschluss kann auf jedem ordentlichen oder außerordentlichen | |
| Parteitag gefasst werden“, heißt es aus dem Büro des Bundeswahlleiters. Die | |
| schlechte Nachricht dagegen: Die Hürden für eine Selbstauflösung sind | |
| sauhoch und dauern eine Weile. Das heißt: Selbst im schnellsten Fall wird | |
| es die Piraten wohl noch mindestens drei Monate geben – vielleicht auch | |
| noch viel länger. | |
| 3. Warum? | |
| Die erste Hürde für die Piraten: Zunächst müsste überhaupt ein | |
| Bundesparteitag zusammenkommen. Das hat der sogenannte „Restvorstand“ der | |
| Partei zwar schon angekündigt, aber das kann gut und gern noch drei Monate | |
| dauern. | |
| Zweite Hürde: Um dort darüber abstimmen zu dürfen, ob sich die Partei | |
| auflöst, muss ein entsprechender Antrag mindestens vier Wochen vor dem | |
| Bundesparteitag beim Bundesvorstand eingegangen sein, aber – genau: Wer ist | |
| eigentlich gerade der Bundesvorstand? Im Moment gibt es ihn noch, denn das | |
| Parteiengesetz fordert mindestens drei Vorstandsmitglieder. Das ist derzeit | |
| der Fall. Möglich wäre, dass der Rest des Vorstands nun auch die Brocken | |
| wirft. Dann könnte unter bestimmten Voraussetzungen ein Gericht einen | |
| Notvorstand bestellen. Aber das würde die Auflösung ja wieder nur | |
| verzögern. | |
| Dritte Hürde: Auf dem Bundesparteitag müsste sich eine Dreiviertel-Mehrheit | |
| der Stimmberechtigten für die Auflösung der Bundespartei entscheiden. | |
| 4. Super, war's das dann? | |
| Noch lange nicht. Denn das Parteiengesetz und die Piratensatzung machen es | |
| den Piraten nicht leicht, sich endlich aufzulösen. Selbst wenn eine | |
| gigantische Mehrheit der Stimmberechtigten beim Parteitag die Auflösung | |
| beschließt, müssen sämtliche Mitglieder in einer Urabstimmung das Ergebnis | |
| – erneut mit Dreiviertel-Mehrheit – bestätigen. Oh Mann. | |
| Aus dem Büro des Bundeswahlleiters heißt es: „Eine solche Urabstimmung zur | |
| Auflösung einer Partei ist nicht zu umgehen. Jedes Mitglied muss die | |
| Möglichkeit haben, einer Parteiauflösung zuzustimmen oder sie abzulehnen.“ | |
| Kurz: Erst wenn die Urabstimmung vollzogen ist und erfolgreich war, ist die | |
| Partei rechtskräftig aufgelöst. | |
| 5. Kann man wenigstens schonmal schnell ein paar Landesverbände | |
| dichtmachen? | |
| Von wegen. Dafür gelten so in etwa die gleichen Hürden. Plus: Die | |
| Landesverbände können sich nicht einfach selbst auflösen. Selbst wenn sie | |
| das wollen, muss immer noch der Bundesparteitag zustimmen. Vertrackt. | |
| 6. Was ist mit den anstehenden Wahlen? | |
| Das ist ja der Mist. | |
| 7. Wieso? | |
| Man muss da jetzt antreten. | |
| 8. Hä? Können die Piraten denn nicht einfach nicht mehr an der Europawahl | |
| teilnehmen? | |
| Völlig ausgeschlossen. Selbst wenn die Piraten, was verständlich wäre, | |
| keine Lust mehr auf die [4][Europawahlen am 25. Mai] hätten: Sie müssen an | |
| der Wahl teilnehmen, ob sie wollen oder nicht. Denn neben der | |
| [5][Alternative für Deutschland], der [6][Partei für Arbeit, Rechtsstaat, | |
| Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative] und der | |
| [7][CHRISTLICHEN MITTE – Für ein Deutschland nach GOTTES Geboten] ist auch | |
| die [8][Piratenpartei] zur Wahl zugelassen worden. Pech gehabt. | |
| „Wer jetzt schon zur Wahl zugelassen ist, muss auch teilnehmen. Das ist | |
| nötig, damit Klarheit in dem Wahlverfahren herrscht“, heißt es aus dem Büro | |
| des Bundeswahlleiters. | |
| Es wird noch besser: Selbst der Rechtsweg ist ausgeschlossen. | |
| Zwar können Parteien, die nicht zur Wahl zugelassen wurden, dagegen beim | |
| Bundeswahlausschuss oder beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen. | |
| Aber: Parteien, die bereits zugelassen wurden, können sich nicht mehr zur | |
| Wehr setzen. Plus: [9][Weil das Bundesverfassungsgericht die | |
| Drei-Prozent-Hürde bei den Europawahlen gekippt hat], könnten die Piraten | |
| mit ein bisschen mehr Pech tatsächlich noch ein Mandat bekommen. Das hieße: | |
| Wieder fünf Jahre durchhalten. Jetzt bleibt also nur noch eines übrig: Alle | |
| KandidatInnen könnten erklären, dass sie von einer Wahl ihrer eigenen | |
| Partei abraten. Falls sie dann dennoch gewählt werden, müssten die | |
| Erwählten ihre Mandate gezielt nicht annehmen. Das ginge immerhin. | |
| 9. Voll kompliziert. Also muss man einfach immer weitermachen? | |
| Wäre ein Option. Aber das löst ja nicht das Problem, dass die Partei sich | |
| eigentlich abschaffen will. Geht es nach den Piraten, dann deutet | |
| allerdings einiges darauf hin, dass sie die Strategie eines Abschieds auf | |
| Raten wählt. Eine Parteisprecherin sagte der taz: „Es ist schwer zu sagen, | |
| wo es hingeht, aber es geht auf jeden Fall weiter." | |
| Auch der Noch-Bundesvorsitzende der Piraten, Thorsten Wirth, sagte der taz: | |
| „Wir haben noch ein wenig Zeit mit der Selbstauflösung – und vorher haben | |
| wir noch ein paar Sachen zu klären.“ Das ist tatsächlich elementar, denn | |
| auch ein Auflösungsparteitag will schließlich bezahlt werden. Und Wirth hat | |
| ein Problem: „Wir brauchen jetzt erstmal wieder Zugriff auf unser Konto. | |
| Der Schatzmeister ist ja auch gegangen.“ | |
| 17 Mar 2014 | |
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| [2] http://www.gesetze-im-internet.de/partg/ | |
| [3] http://wiki.piratenpartei.de/Bundessatzung#.C2.A7_13_-_Aufl.C3.B6sung_und_V… | |
| [4] http://de.wikipedia.org/wiki/Europawahl_2014 | |
| [5] http://www.alternativefuer.de/ | |
| [6] http://www.die-partei.de/ | |
| [7] http://www.christliche-mitte.de/ | |
| [8] http://www.piratenpartei.de/ | |
| [9] /Urteil-zur-Europawahl/!133815/ | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Kaul | |
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