Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinder in China: Sechsjährige in der Babyklappe
> Babyklappen werden in China als soziale Errungenschaft gepriesen. In
> Guangzhou jedoch musste eine wieder schließen – zu viele Kinder wurden
> abgegeben.
Bild: Babyklappe in der Provinz Shaanxi.
PEKING taz | Mit einem so großen Andrang hatte Xu Jiu nicht gerechnet. Er
ist Leiter des staatlichen Wohltätigkeitszentrums von Guangzhou und
Initiator der ersten Babyklappe in der südchinesischen Provinzmetropole.
Erst Ende Januar hatte er die „Sichere Insel“, wie die Einrichtung auf
Chinesisch genannt wird, eröffnet. Seitdem sind 262 Kinder abgegeben worden
– im Schnitt jeden Tag fünf. „Wir wussten einfach nicht mehr, wohin mit
ihnen“, wird er in chinesischen Zeitungen zitiert. Wegen Überfüllung musste
er die Babyklappe vorübergehend schließen.
Wie in den meisten Ländern ist in China das Aussetzen von Kindern verboten.
Es drohen bis zu fünf Jahren Haft. Doch in den vergangenen Jahren ist immer
wieder von tragischen Fällen bekannt geworden, wie mittellose Eltern aus
Verzweiflung versuchen, ihre zumeist behinderten Kinder loszuwerden, weil
sie die Behandlungskosten nicht aufbringen können.
Nach Angaben von unabhängigen Gewerkschaftsgruppen handelt es sich oft um
junge Wanderarbeiterinnen, die vom Land kommen und in den
Industriemetropolen an der Küste in den großen Textilfabriken Arbeit
suchen. Die Gewerkschafter berichten von zahlreichen Fällen, bei denen
diese Frauen von den Fabrikvorstehern geschwängert werden. Das Neugeborene
gelte als Bastard und werde von den zumeist ländlichen Familie nicht
akzeptiert. Die verzweifelten Mütter setzten ihr Kind daraufhin ebenfalls
aus.
Vor drei Jahren hat die staatliche Wohlfahrtsgesellschaft daher sogenannte
Babyklappen eingeführt, um sich dem Leben dieser schutzlos ausgesetzten
Kinder anzunehmen. Nach westlichem Vorbild kann die Mutter ihr Kind durch
ein Fenster in ein Babybett legen, auf eine Klingel drücken und hat dann
zwischen fünf und zehn Minuten Zeit, unerkannt zu verschwinden. Erst dann
kommen Mitarbeiter der Einrichtung und kümmern sich um das Kind.
## Unterschied zu anderen Ländern
25 Babyklappen verteilt auf zehn Provinzen gibt es in China bereits. Im
vergangenen Jahr hat das zuständige Ministerium angekündigt, dass diese
Einrichtungen auch in allen anderen 18 Provinzen eröffnet werden sollen.
„Jede größere Stadt soll eine Babyklappe erhalten“, kündigte das
Ministerium an. Die Hauptstadt Peking werde noch in diesem Jahr mit einer
Babyklappe ausgestattet.
Doch in China gibt es einen gravierenden Unterschied zu anderen Ländern:
Während in der Schweiz zumeist hilflose und überforderte Alleinstehende ihr
Kind abgeben, werden in der Volksrepublik nicht nur Kinder im
Säuglingsalter abgeliefert, sondern sogar Sechsjährige, die meisten von
ihnen mit Beeinträchtigungen. Von den 262 Kindern in der neu eröffneten
Babyklappe in Guangzhou etwa hatten nach Angaben des Direktors Xu 110
Kinderlähmung, 39 Trisomie 21 und 32 einen Herzfehler. „Nur zwei Drittel
waren unter einem Jahr alt“, berichtet Xu.
Dass die Babyklappe in Guangzhou besonders überfüllt ist, hängt zudem damit
zusammen, dass im umliegenden Perlflussdelta mit seinen vielen Fabriken
besonders viele Wanderarbeiterinnen arbeiten.
In den chinesischen Medien und in den sozialen Netzwerken tobt nun eine
Debatte, inwiefern die Babyklappe das Aussetzen der Kinder nicht noch
fördere. Xu wiegelt ab. Viele Mütter kämen vom Land und seien arm. Sie
brächten ihre Kinder in die Städte in der Hoffnung, eine Behandlung für sie
zu finden. Doch das erweise sich als Illusion. „Erst dann endet es damit,
dass sie sie aussetzen.“
Xu will daher dafür sorgen, dass die Babyklappe in Guangzhou schnell wieder
öffnet. Mit, so hofft er, größerer Kapazität.
20 Mar 2014
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Kinder
Wanderarbeiter
Prostitution
China
China
China
China
China
## ARTIKEL ZUM THEMA
Großrazzia in chinesischen Bordellen: Wenn die Huren weiterziehen
2.000 Bordelle, 300.000 Prostituierte: Dongguan war berühmt für sein
Rotlichtgewerbe. Dann kam die Polizei. Nun steht die Stadt vor dem Ruin.
Chinesische Bürgerrechtlerin: Empörung über Shunlis Tod
Fünf Monate saß Cao Shunli in Haft, medizinische Hilfe wurde ihr
verweigert. Am Donnerstag ist sie gestorben. Amnesty und die
EU-Außenbeauftragte Ashton erheben Vorwürfe.
Alljährliche Tagung des Volkskongresses: Chinas Führung macht auf öko
Chinas Staatsführung erklärt der Umweltverschmutzung den „Krieg“ und will
handeln. Auch, wenn dadurch die Wirtschaft langsamer wächst.
Repression in China: Der Alptraum der Freiheit
Menschenrechtler kritisieren die massive Unterdrückung von Bürgerrechtlern
im ersten Amtsjahr von Xi Jinping. Es „sei die schlimmste Unterdrückung
seit Anfang der 90er“.
Anschlag auf chinesischem Bahnhof: Mehr als 30 Tote nach Messerattacke
Unbekannte haben in Südchina mindestens 34 Menschen an einem Bahnhof
getötet. Die Behörden beschuldigen die Uiguren, doch deren Heimat ist 1.000
Kilometer entfernt.
Chinesischer Bürgerrechtler: Vier Jahre Haft für Jurist Xu
Für die angebliche Störung der öffentlichen Ordnung ist der Jurist Xu
Zhiyong in Peking verurteilt worden. Er ist einer der wichtigsten
Bürgerrechtler in China.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.