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# taz.de -- Kolumne Macht: Man weiß ja so wenig
> Wo ist MH 370? Warum ist Putin böse? Weshalb Mitleid mit Hoeneß und Hass
> auf Edathy? Wenn sich niemand mehr auskennt, bleiben nur noch Fragen.
Bild: Gelten als Symbol für Unwissenheit – aber weiß man's?
Man weiß ja insgesamt so wenig, pflegt eine Freundin von mir zu sagen. Das
ist ein beruhigender Satz. Er erklärt es zur Normalität, wenn man die Welt
nicht mehr versteht. Spräche ich diesen Satz nicht wie ein Mantra vor mich
hin, dann könnte ich derzeit weder Nachrichten schauen noch Zeitungen
lesen.
Man weiß ja insgesamt so wenig. Wie schafft es ein Richter, sich an einem
einzigen Abend einen Überblick über 70.000 Blatt Bankunterlagen zu
verschaffen? Warum glauben sowohl er als auch die Staatsanwaltschaft
unbesehen alle Angaben, die der Betrüger Ulrich Hoeneß zur Herkunft seines
nicht versteuerten Kapitals und zur Art seiner Geschäfte macht? Und: Können
künftig alle Straftäter auf so viel Mitgefühl hoffen wie der ehemalige
Präsident des FC Bayern?
Vermutlich nicht. Manche Leute dürfen sich ja nicht einmal auf den
Rechtsstaat und seine Grundsätze verlassen, obwohl sie keine Straftat
begangen haben. Es genügt, dass die Gesellschaft ihr Verhalten eklig
findet. Warum verklagt Sebastian Edathy eigentlich niemanden wegen
Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte – statt blödsinnige Interviews zu
geben, die seine Verteidigung selbst denen erschweren, die finden, dass ihm
Unrecht geschieht? Zum Beispiel mir? Man weiß ja so wenig.
## Nichts ist mehr vertraulich
Wie man manchmal erst dann merkt, wenn man plötzlich Dinge erfährt, die man
für ausgeschlossen gehalten hatte. Seit Jahren werfe ich vor der
Sicherheitskontrolle am Flughafen brav jede Coladose weg. Wenn’s der
Terrorbekämpfung nutzt, dann soll es mir recht sein. Ich habe mich daran
gewöhnt, dass keine Mail und kein Telefongespräch mehr vertraulich sind,
und lasse mir erzählen, dass das so sein muss. Im Interesse meiner
Sicherheit.
Und dann höre ich, dass es möglich ist, ein Flugzeug um den halben Erdball
zu fliegen, ohne dass die Maschine von Radar oder Satelliten erfasst werden
kann. Wenn das denn stimmen sollte, dann fände ich, es gäbe dringlichere
Aufgaben als das Abhören der Kanzlerin. Aber vielleicht stimmt es ja auch
nicht, und das Schicksal der MH 370 ist mancherorts kein Rätsel mehr. Man
weiß ja insgesamt so wenig.
Na schön. Akzeptiert. Beunruhigend ist allerdings, dass offenbar auch
diejenigen keine Ahnung haben, von denen man annahm, dass sie gut
informiert seien. Das scheint nicht der Fall zu sein. Wie anders lässt sich
die Verblüffung und die kopflose Reaktion westlicher Regierungen auf die
Tatsache erklären, dass Russland die Entwicklung in der Ukraine nicht
gelassen hingenommen hat?
Man kann das, was auf der Krim passiert ist, mit guten Gründen verurteilen.
Aber man kann doch nicht wirklich davon überrascht worden sein. Wie würden
denn wohl die USA reagieren, wenn Kanada ein Bündnis mit Moskau einginge
und feindselige Signale an Washington aussendete? Ja, genau. Das US-Embargo
gegen Kuba besteht übrigens seit 1960. Und mehrere Versuche, den früheren
Staatschef Fidel Castro zu ermorden, sind nachgewiesen. Und wir sollen
glauben, dass die Reaktion von Wladimir Putin gänzlich unvorhersehbar
gewesen ist? Hm.
Nachrichtensendungen geben in diesen Tagen keine Auskünfte, sondern werfen
immer neue Fragen auf. Natürlich können nicht alle vertraulichen
Angelegenheiten auf dem offenen Markt verhandelt werden. Aber wenn man das
Gefühl hat, dass nicht einmal mehr die Rahmendaten stimmen, dann brechen
goldene Zeiten für Verschwörungstheoretiker an. Denn man weiß ja insgesamt
so wenig.
22 Mar 2014
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Krim
Edathy
Uli Hoeneß
Flug MH370
Ukraine
Uli Hoeneß
Steuerhinterziehung
Ukraine
Elite
Friedensforschung
Sebastian Edathy
Uli Hoeneß
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