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# taz.de -- Korrespondenten-Mangel in Moskau: Von wegen Scheinweltmacht
> Im vergangenen Jahr hatten die „Zeit“ und das „Handelsblatt“ noch ihre
> Reporter aus Moskau abgezogen. Doch dann kam das Gerangel um die Krim.
Bild: Der Rote Platz in Moskau – ganz ohne deutsche Korrespondenten.
BERLIN taz | Wie unberechenbar Weltpolitik doch sein kann, erlebt im Moment
nicht zuletzt Bernd Ulrich. Vor gut einem Jahr hatte der Leiter des
Politikressorts der Zeit Russland an dieser Stelle noch „eine
Schein-Weltmacht“ genannt. Das Land sei unter Wladimir Putin „quasi
eingefroren“. Ulrich verzichtete fortan auf einen festen Korrespondenten in
der Region. Und auch das Handelsblatt hat sein Büro damals dichtgemacht und
sich von seinem Mann in Moskau getrennt. Die Begründung der Chefredaktion
war dieselbe: „Die Schwerpunkte verschieben sich.“
Nun aber kam das mit den Schwerpunkten bekanntlich anders. In der Ukraine
begehrte ein großer Teil der Bevölkerung auf, verjagte ihre Regierenden,
und Putin schnappte sich in erschreckender Dreistigkeit einen Teil des
zerstrittenen Landes, zum Entsetzen der anderen Weltmächte und der EU. Von
wegen „Schein-Weltmacht“: Russland ist aktiver denn je, Berichte und
Analysen aus der Region sind gefragt wie lange nicht mehr. In solchen
Situationen glänzt, wer seine Reporter nicht mal eben per Fallschirm über
dem Krisengebiet abwirft, sondern in der Region schon länger präsent ist
und die Ursachen der aktuellen Entwicklungen verstehen und einordnen kann.
„Innenpolitisch ist Russland zwar weiter eingefroren“, betont
Zeit-Politikchef Bernd Ulrich heute, „außenpolitisch aber zweifellos wieder
interessant.“ Dass seine Redaktion vor einem Jahr ausgerechnet dort auf
einen festen Korrespondenten verzichtet habe, sei „jetzt natürlich nicht
optimal – aber journalistisch auch keine Katastrophe“. Die Zeit habe „ein
Rumpfbüro“ in Moskau gehalten, „schon allein für die Formalien rund um die
Akkreditierung“ für Kollegen, die mal vorbeischauen wollten. Die nötige
Infrastruktur war also trotz des Korrespondenten-Abzugs für die Zeit weiter
da – Heizung inklusive.
## Moskau für Rio dicht gemacht
So fliegen nun immer wieder Redakteure aus der Hamburger Zentrale ein, die
Russland und die Region teils aus früheren Stationen kennen: Michael
Thumann etwa, bis 2001 selbst Korrespondent in Moskau, aber auch Alice Bota
und Jochen Bittner. Auch der einstige Handelsblatt-Mann Oliver Bilger, der
als freier Journalist in Moskau geblieben ist, ist nun für die
Wochenzeitung aktiv, wie ein Blick in die Autorenzeilen verrät. Ulrich
arbeitet zudem mit Mareike Aden zusammen, die sonst für die Deutsche Welle
berichtet. Für den Moment sei seine Redaktion damit „versorgt“, sagt
Ulrich. „Unter den neuen Umständen“ wolle er aber wieder einen festen
Korrespondenten installieren, „in ein bis zwei Jahren“.
Das Handelsblatt wiederum, das inzwischen ja die einzige deutsche
Wirtschaftstageszeitung ist, setzt weiter darauf, dass die Region von
Mathias Brüggmann „mitbetreut“ wird – er war früher in Moskau, ist aber
seit Jahren wieder in Deutschland und angesichts der laufenden Entwicklung
nun „mit weiteren Redakteuren“ vorübergehend vor Ort. Ob das Handelsblatt
auch wieder fest in Moskau Räume beziehen will, bleibt unklar.
Bernd Ulrich wiederum muss sich nun überlegen, wo er einen Korrespondenten
abzieht, damit er seine Entscheidung vom Frühjahr vergangenen Jahres
demnächst korrigieren kann. Den Standort Moskau werde er nämlich
„vermutlich nicht einfach ’on top‘ wieder in unser Korrespondentennetz
aufnehmen können“. Dieses Spiel wiederum kennt er: Moskau hatte Ulrich
geschlossen, um in Rio de Janeiro ein neues Büro aufmachen zu können, mit
Blick auf die Fußball-Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele 2016 in
Brasilien.
„Das wiederum hat sich gelohnt“, sagt Ulrich. „Der Subkontinent dort ist …
Aufruhr, die Berichterstattung für uns und unsere Leser ein Gewinn.“ Hin
und wieder ist Weltpolitik dann halt doch berechenbar.
25 Mar 2014
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Russland
Die Zeit
Handelsblatt
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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OSZE
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