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# taz.de -- Die Wahrheit: Das doppelte Komplottchen
> Zum 60. Geburtstag von taz-Korrespondent Ralf Sotscheck wird ein lang
> gehütetes Geheimnis gelüftet: Der Mann ist zu zweit unterwegs.
Bild: Der Jubilar Ralf Sotscheck liebt das Versteckspiel.
Drei Dinge können Iren besonders gut: saufen, singen und Geschichten
erzählen. Ein Glück, dass Ralf Sotscheck nicht singen kann. Sonst wäre er
zu perfekt.
Am Samstag feiert der Irland-Korrespondent der taz seinen 60. Geburtstag,
und deshalb soll hier endlich ein Geheimnis gelüftet werden, das der
gebürtige Berliner und geborene Ire seit Jahrzehnten sorgfältig vor den
Augen der Öffentlichkeit zu verbergen versucht.
Zwei der drei klassischen keltischen Eigenarten beherrscht Ralf Sotscheck
meisterlich. Dass er ein phänomenaler Erzähler ist, weiß jeder Leser seiner
Berichte, Kolumnen und mehr als zwanzig Bücher, die er bislang
veröffentlicht hat. Besonders gut versteht er sich aber auf das „Ralfen“,
wie es in Freundeskreisen ebenso ehrfürchtig wie angsterfüllt genannt wird,
wenn der Dunkelbierfürst auf den Wellen des Durstes über die Irische See
heranreitet und seine Heimatstadt Berlin unsicher macht. Dann muss der
Wahrheit-Redakteur jedes Mal eine Art Warn-Mail an Freunde und Autoren
schicken und zum sogenannten S-Day laden, der im Schöneberger Felsenkeller
stattfindet: „Mütter, schließt eure Töchter in die Kabäuschen! Väter, la…
die Meuchelpuffer! Kerle und Dirnen, seid fest im Trunke und hart im
Nehmen! Es ist S-Day!“
Nicht einen Abend, nein, mindestens zwei Tage dauert solch ein„ S-Day“,
auch weil der Herrscher der Sperrstunde einer der größten Taxiabbesteller
in der Geschichte des Absturzes ist. Immer wieder kommt es vor, dass der
brutale Baron der Buddel einem bestellten Droschkenkutscher verstohlen
einen Schein in die Hand drückt, damit niemand den nächtlichen Ort des
Gelages verlässt.
Wie aber kann ein Einzelner diese übermenschliche Anstrengung verkraften?
Und dabei auch noch glänzende gesundheitliche Werte vorweisen? Was der
kugelige Mann nach jedem Arztbesuch triumphierend verkündet. Was ist sein
Geheimnis? Erstmals misstrauisch wurden diverse Opfer des Sotscheckschen
Sinnestaumels, als der damalige taz-Sportredakteur Matti Lieske eines Tages
felsenfest behauptete, mit dem Schenk der Hölle in Berlin unterwegs gewesen
zu sein, während ein Kollege ebenso standhaft schwor, ihn zur gleichen Zeit
in Dublin besucht zu haben.
Plötzlich stand es glasklar vor den Augen, all die Zeichen waren immer
schon da gewesen: Dort sind mit Dublin an der Ost- und Fanore an der
Westküste Irlands die zwei Wohnorte. Die zwei Pässe. Die zwei Kinder. Die
zwei Seelen, ach, in seiner Brust. Denn einerseits pflegt der überaus
liebenswürdige Ralf Sotscheck Freundschaften mit inniger Herzlichkeit,
andererseits führt er ständig seine besten Freunde mit durchtriebenem
Schabernack hinters Licht. Einerseits ist er enorm großzügig und
freigiebig, andererseits sind seine Vorstellungen von Finanzangelegenheiten
– gelinde gesagt – abenteuerlich.
Es gibt nur eine Erklärung, es sind zwei: Ralf und - nennen wir ihn hier -
Rolf Sotscheck. Seit Jahren schmieden die eineiigen Zwillinge ein doppeltes
Komplottchen, in das nur wenige Menschen eingeweiht sind, wie
beispielsweise Ralfs irische Frau Áine. Sie lernte beide Sotschecks in den
siebziger Jahren in Berlin kennen. Der eine war Lastwagenfahrer, und der
andere schrieb erste Texte für die taz. Der eine erarbeitete die
Grundversorgung, und der andere sorgte für die notwendige geistige Nahrung.
Es muss ein schwieriger Moment gewesen sein, als die Brüder die Frau ihrer
Träume endlich in ihr Geheimnis einweihten und sie sich gemeinsam
entscheiden mussten, wer wen heiraten durfte.
Endlich aber versteht man die mysteriösen Vorgänge im Domizil der
Sotschecks. Als Gast im Dubliner Stadtteil Glasnevin wird man als Erstes
mahnend mit dem Satz empfangen: „Es gibt eine Regel hier: Alles, was im
Haus geschieht, bleibt im Haus und dringt nicht nach draußen“, während ein
Zimmer stets für Besucher gesperrt ist, weil es angeblich „zu vollgestellt“
sei, wie es heißt. Mit den heutigen Kenntnissen ein schlagender Beweis für
die Täuschung und eine Vorsichtsmaßnahme, falls sie auffliegt.
Seit frühester Jugend stecken Ralf und Rolf Sotscheck unter einer Decke.
Was eine weitere Eingeweihte bestätigen könnte, wenn sie es denn wollte.
Doch Mutter Ruth Sotscheck gilt als größte Entweder-oder-Überhörerin
Berlins. Stellt man ihr zum Beispiel die Frage: „Gehen wir zum Chinesen
oder zum Italiener?“, dann antwortet sie stets gleich raffiniert: „Ja.“
Eindeutig eine lang geübte, familiäre Vermeidungsstrategie, damit sie um
die Frage: „War das jetzt Ralf oder Rolf?“ herumkommt.
Doch es gibt ein Dokument, das die Sotscheck-Verschwörung entlarvt. Immer
wieder erzählt Ralf Sotscheck, dass er ein Hertha-Frosch der ersten Stunde
sei und man in einer Sendung der „Sportschau“ mit Ernst Huberty habe sehen
können, wie nach dem Spiel gegen den 1. FC Köln im Berliner Olympiastadion
ein Junge mit einer riesigen Hertha-Fahne aufs Feld stürmte. Der kleine
Junge, der die Fahne schwenkte, sei er gewesen. Sieht man sich allerdings
im Deutschen Rundfunkarchiv die verwackelten Aufnahmen aus den sechziger
Jahren an, entdeckt man nicht einen, sondern tatsächlich zwei
Fußballfrösche. Einer allein hätte die Riesenfahne gar nicht tragen können.
Es ist ein gigantisches Täuschungsmanöver, das bis heute anhält. Ralf und
Rolf sind insgeheim immer gemeinsam unterwegs – selbst auf der Toilette, wo
beide sich an einem S-Day abstimmen über Personen, Gesprächsthemen und
Abläufe am Tisch. Trinkt der eine, verschnauft der andere. Was ihnen durch
einen Trick gelingt, gilt Ralf Sotscheck doch als der größte Nichtraucher
aller Zeiten, dabei raucht er wie ein Schlot, sodass er zur Tarnung ab und
zu verschwinden und am stillen Ort zwei Zigaretten (!) auf einmal paffen
kann. Auf diese Weise hat er es sogar zu einer eigenen Figur im Touché des
Wahrheit-Zeichners ©TOM gebracht.
Um zu erfahren, warum beide ihre Umgebung so lange schon täuschen, muss man
allerdings in ihre Jugend zurückblicken. Wie Klassenbücher und andere
Dokumente belegen, sollten beide Brüder einst in den Schulchor aufgenommen
werden. Singen aber, das ist für einen Sotscheck ungefähr so erfreulich,
wie mit einem stummen Diener Brüderschaft zu trinken. Deshalb haben sie
sich irgendwann entschlossen, ein doppeltes Leben im halben zu führen. Wenn
nur einer von beiden singt, wird geteiltes Leid zum halben. Nur so ist es
möglich, dass sich ein Sotscheck derart viel hinter die Binde gießen kann
und zugleich immer neue Geschichten auf Lager hat. Und wo könnte das besser
funktionieren als im Land der trunkenen Erzähler, in dem die Brüder
Sotscheck ihre Bestimmung gefunden haben. Auch dazu gratulieren wir heute
ganz herzlich.
4 Apr 2014
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
Ralf Sotscheck
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