# taz.de -- Tod an der Bushaltestelle: „Ähnlichkeit mit den NSU-Morden“ | |
> Vor zwei Jahren wurde der Neuköllner Burak B. erschossen. Bis heute fehlt | |
> vom Täter jede Spur. Eine Initiative stellt die Frage nach rassistischen | |
> Tatmotiven. | |
Bild: Zahlreiche Menschen gedenken am 12. April 2012 Burak B., der von einem Un… | |
taz: Herr Metzger, war Rassismus wieder das Motiv?, lautet die Frage, die | |
Ihre „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak B.“ stellt. Welche | |
Anhaltspunkte sehen Sie dafür? | |
Frank Metzger: Der Mord an Burak geschah nicht nur, wenige Monate nachdem | |
bekannt geworden war, dass die neonazistische Terrorgruppe NSU für die | |
Morde an neun Männern mit Migrationshintergrund verantwortlich ist. Die Tat | |
weist auch Ähnlichkeiten zu den NSU-Morden auf: Es war die Hinrichtung | |
eines Unschuldigen aus kurzer Distanz, nach der der Täter offenbar spurlos | |
verschwand. Das ruft Erinnerungen an die NSU-Morde wach und führt zu der | |
Frage, ob wir es hier möglicherweise mit einer Nachahmertat zu tun haben. | |
Gibt es Belege? | |
Wir stellen die Frage nach einem rassistischen Tathintergrund bewusst als | |
Frage und nicht als These auf. Denn es ist eine Option unter vielen. Aber | |
die Erfahrungen des Umgangs mit den NSU-Morden haben gezeigt, dass in | |
solchen Fällen, also wenn Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund | |
ermordet werden, mit Nachdruck genau diese Frage gestellt werden muss: ob | |
die Polizei auch in Richtung eines rassistischen Tatmotivs und einer | |
entsprechenden Täterschaft ermittelt. | |
Bekommen Sie auf diese Frage denn Antworten von den Ermittlungsbehörden? | |
Die Informationen, die von den Behörden preisgegeben werden, sind sehr | |
dünn. Sie können sich ja bei Nachfragen zu Fällen, in denen noch ermittelt | |
wird, immer darauf zurückziehen, dass sie deshalb keine Informationen geben | |
dürfen. Sie sagen uns allenfalls, dass sie in alle Richtungen ermitteln. | |
Aber was das konkret bedeutet, erfahren wir ebenso wenig wie das, was im | |
Einzelnen unternommen wurde und was dabei herauskam. Und die Antwort von | |
Innensenator Frank Henkel auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Canan | |
Bayram zu den Ermittlungen war in dieser Hinsicht auch nicht gerade | |
befriedigend. | |
Inwiefern? | |
Da wird etwa die Frage danach, ob die Berliner Polizei Konsequenzen aus den | |
Erfahrungen der NSU-Morde gezogen hat, mit dem Satz bejaht, es gebe im Fall | |
Burak deshalb anlassbezogen Gespräche mit anderen Behörden. Das ist total | |
nichtssagend: Wer mit wem konkret und aus welchem Anlass über was redet, | |
erfahren wir nicht. In dem gleichen Schriftstück steht auch, dass die | |
Behörden in der Gegend des Tatorts keine Häufung rechtsextremistischer | |
Aktivitäten oder rassistischer Übergriffe erkennen können. | |
Das sehen Sie anders? | |
Das ist nach unseren Recherchen blanker Hohn: In unmittelbarer Nähe des | |
Tatorts liegt die Hufeisensiedlung, wo eine Familie jahrelang von Neonazis | |
terrorisiert wurde und wo es bereits vor Jahren einen Brandanschlag auf das | |
Haus einer Familie mit sogenanntem Migrationshintergrund gab. Gerade in | |
dieser Gegend Neuköllns kommt es vermehrt zu Naziaktivitäten – seien es | |
NPD-Infostände und andere Propagandaaktionen oder Pöbeleien und Bedrohungen | |
bis hin zu Tätlichkeiten. Diese Verharmlosung lässt uns schon daran | |
zweifeln, dass der Frage, ob es ein rassistisches Tatmotiv gab, tatsächlich | |
mit Nachdruck nachgegangen wird. | |
Was kann eine Initiative wie Ihre da ausrichten? | |
Das versuchen wir herauszufinden. Wir wollen das Thema auf jeden Fall | |
wachhalten, damit es nicht aus dem Blick der Öffentlichkeit gerät, so wie | |
es bei den NSU-Morden der Fall war. Mit einer solchen öffentlichen | |
Aufmerksamkeit, die wir etwa über unsere regelmäßigen monatlichen | |
Mahnwachen herstellen, kann man den Behörden signalisieren, dass das Thema, | |
der Fall auf der Tagesordnung bleibt und nicht in Vergessenheit gerät. Wir | |
haben die Hoffnung, dass wir auf diese Weise auch Druck auf die | |
Ermittlungen im Mordfall Burak ausüben. | |
Was wollen Sie konkret erreichen? | |
Unser Hauptziel ist natürlich, dass der Täter gefasst wird. Und ein ganz | |
wichtiges Anliegen ist uns auch, die Familie zu unterstützen. Wir wollen | |
den Angehörigen von Burak signalisieren, dass da auch andere Leute der | |
Frage nachgehen, warum gerade Burak ermordet wurde. Auch das ist eine Lehre | |
aus den NSU-Morden. Damals wurde auch vonseiten antirassistischer und | |
antifaschistischer Initiativen jahrelang versäumt, Kontakt zu den | |
Angehörigen der Opfer herzustellen und mit ihnen solidarisch zu sein. | |
Wie ist Ihr Kontakt zu Buraks Familie? | |
Es war uns von Anfang wichtig, Kontakt zu der Familie herzustellen. Doch | |
zunächst waren wir unsicher, ob und wie uns das gelingen würde. Denn wir | |
kannten Burak nicht, und niemand aus der Familie kannte uns. Aber | |
mittlerweile ist der Kontakt recht eng und vertraut. Wir wollen als | |
Initiative nichts unternehmen, ohne die Interessen der Angehörigen zu | |
kennen und zu berücksichtigen. Deshalb sind wir in ständiger Absprache mit | |
ihnen darüber, was sie wollen – und was sie emotional auch können. Viele | |
Angehörige beteiligen sich an unseren Aktivitäten wie den Mahnwachen oder | |
den Demonstrationen, auch der jetzigen zum zweiten Todestag. | |
5 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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