# taz.de -- Kult um Ton-Steine-Scherben-Sänger: Rios Grab unterm Hammer | |
> 18 Zimmer, 615 Quadratmeter Wohnfläche, drei Hektar Land und ein leeres | |
> Grab: Rio Reisers Bauernhof in Fresenhagen wird erneut verkauft. | |
Bild: Schon wieder zu verkaufen: Hof Fresenhagen, auf den Rio Reiser einst vor … | |
FRESENHAGEN taz | „Bisher gibt es zwei interessante Interessenten,“ sagt | |
Werner Klingebiel, Bürgermeister im nordfriesischen Stadum, in dem der Hof | |
Fresenhagen liegt. Sollte keiner der beiden zugreifen, falle Ende April der | |
Hammer in der Zwangsversteigerung. 299.000 Euro sind angesetzt für den | |
denkmalgeschützten Hof, in dem zuletzt eine Jugendhilfeeinrichtung | |
untergebracht war. | |
„Schade“, versichert Klingebiel. Denn er fand die Idee eines | |
Rio-Reiser-Hauses, so wie es nach dem Tod des Sängers 1996 gedacht war, | |
gut: Als Kultureinrichtung, Touristenmagnet und Pilgerstätte für Fans der | |
Berliner Band Ton Steine Scherben, die mit Liedern wie „Keine Macht für | |
Niemand“ oder „Mensch Meier“ generationsübergreifende, linke | |
Protest-Parolen schrieb. Fresenhagen bot ein Tonstudio, in dem Bands wie | |
Die Sterne Alben aufnahmen, Pensionszimmer für Übernachtungen, ein Café – | |
und „Winnetous Garage“, in der hin und wieder Konzerte stattfanden. | |
„Es war alles vorhanden“, resümiert Klingebiel, die Qualität habe gestimm… | |
„aber was nützt es, wenn niemand kommt?“ Dass der Spagat zwischen | |
kommerziellem Wallfahrtsort und linker Ideologie nicht funktionierte, habe | |
auch an der Vermarktung gelegen, glaubt der Bürgermeister: Die beiden | |
Brüder des Sängers, die nach seinem Tod für das Anwesen zuständig waren, | |
seien eben Künstler. Das Gebiet Organisation sei nicht zu 100 Prozent ihr | |
Metier gewesen. Ein Konzert im Jahr, zu dem 4.000 Leute kommen, sei | |
schlicht zu wenig gewesen. | |
Und Memorabilia-Jäger können Betriebskosten für ein Haus dieser Größe nicht | |
auffangen. Klingebiel: „Insofern waren wir recht froh, dass Fresenhagen | |
2011 von einer großen Jugendorganisation übernommen wurde.“ Als Unterkunft | |
für schwer erziehbare Jugendliche. Es wurde sogar umgebaut. „Eigentlich | |
eine zukunftssichere Sache.“ Die Zukunft hielt zwei Jahre. Das | |
Landesjugendamt schloss das Heim im Mai 2012 wegen unzureichenden | |
Betreuungspersonals und hygienischer Mängel. | |
„Es ist traurig um das Haus, denn es ist ein schönes Haus“, sagt | |
Klingebiel. Für 50.000 Mark hatte es Rio Reiser, bürgerlich Ralph Möbius, | |
in den 70er-Jahren gekauft und die politisch aufgeladene Atmosphäre | |
West-Berlins eingetauscht gegen die nordfriesische Stille. | |
Nun sucht die Hypovereinsbank neue Eigentümer für die Immobilie mit 18 | |
Zimmern, 615 Quadratmetern Wohnfläche, drei Hektar Land und alten | |
Obstbäumen: „Rio Reiser-Hof sucht neue Liebhaber!“ steht in der | |
Verkaufsanzeige. Die Brüder des Sängers, die den Hof bis 2010 betrieben, | |
wollen nach eigenem Bekunden nicht mitbieten. Seit der Umbettung ihres | |
berühmten Bruders 2011 auf den Alten St.-Matthäus-Kirchhof in | |
Berlin-Schöneberg kümmern sie sich in der Hauptstadt um sein Andenken. Die | |
beiden „interessanten Interessenten“ sind laut Klingebiel eine Privatperson | |
und erneut eine „große Organisation“. Letztere möchte Rio Reisers letzte | |
Wirkungsstätte gerne zur Tierpension umfunktionieren. | |
8 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
E. F. Kaeding | |
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