# taz.de -- Generalstreik in Argentinien: Streik gegen Stoßseufzer | |
> Wegen einer Preissteigerung von über 30 Prozent reicht für viele | |
> argentinische Familien das Einkommen nicht mehr. Nun gibt es einen | |
> Generalstreik. | |
Bild: Auch im öffentlichen Nahverkehr geht am Donnerstag nichts mehr in Buenos… | |
BUENOS AIRES taz | An diesem Donnerstag steht Argentinien still. Alle | |
regierungskritischen Gewerkschaften haben zu einem eintägigen Generalstreik | |
aufgerufen. Rund 40 Straßenblockaden sollen zudem dafür sorgen, dass sich | |
auch dort nicht viel bewegt, wo dem Streikaufruf nicht gefolgt wird. Es | |
geht um mehr Lohn, um die galoppierende Inflation auszugleichen. | |
„Letzte Woche war das noch 30 Centavos billiger.“ Claudio Gallo deutet mit | |
seinem Zeigefinger auf ein Regal im Supermarkt. Welches Produkt der Student | |
meint, ist nicht zu erkennen. Das ist auch nicht nötig. Wer in Argentinien | |
regelmäßig einkaufen geht, weiß, dass Claudios Stoßseufzer auf nahezu alle | |
Produkte zutreffen kann. Bei immer mehr Familien reicht das Einkommen nicht | |
bis zum Monatsende. | |
„Precios cuidados“, geschützte Preise, lautet die Antwort der Regierung | |
darauf. Dahinter steht der Versuch, die Verbraucherpreise durch Absprachen | |
mit den Supermarktketten zu regulieren. 302 Produkte vor allem des | |
täglichen Bedarfs stehen gegenwärtig auf der Liste mit den geschützten | |
Preisen. Im Internet kann darauf zugegriffen werden, an den Regalen der | |
Supermärkte müssen entsprechende Hinweise angebracht werden. | |
Argentiniens Inflationsrate ist seit Jahren ein Politikum. Laut der | |
Statistikbehörde Indec lag sie im vergangenen Jahr bei 10,8 Prozent. Diese | |
Berechnungen nimmt außer der Regierung schon lange niemand mehr ernst, seit | |
im Mai 2008 das Indec von regierungstreuen Mitarbeitern übernommen wurde. | |
## Nur Venezuela ist dramatischer | |
Wer Preise kalkulieren muss, richtet sich nach der Inflationsrate, die | |
monatlich eine Gruppe von Parlamentariern bekanntgibt. Dies passiert, seit | |
die Regierung privaten Wirtschaftsforschungsinstituten Geldstrafen für die | |
Veröffentlichung eigener Inflationsberechnungen angedroht an. Nach Angaben | |
der Abgeordneten lag die Preissteigerung 2013 bei 28,3 Prozent. | |
Dramatischer ist der Preisanstieg damit im Lateinamerikavergleich mit 50 | |
Prozent nur in Venezuela. | |
Lange weigerte sich die Regierung, überhaupt das Wort Inflation zu | |
benutzen. Andererseits stimmte sie bei den Tarifverhandlungen in den | |
vergangen Jahren stets Lohnerhöhungen um die 25 Prozent zu. | |
Die Aussichten für 2014 sind trübe. Inoffizielle Berechnungen gehen von | |
einer Preissteigerungsrate von über 30 Prozent aus. Die ersten drei Monate | |
des Jahres bestätigen den Trend. Während die Regierung bei den | |
Tarifabschlüssen unbedingt unter 30 Prozent bleiben will, fordern die | |
Gewerkschaften höhere Abschlüsse. | |
„Das mit den geschützten Preisen ist Augenwischerei“, sagt Claudio. Die | |
Regierung unter Cristina Fernández de Kirchner habe immer auf den privaten | |
Konsum als Garanten für wirtschaftliche und politische Stabilität gesetzt. | |
Die Inflation war ihr unwichtig, da mit einer entsprechenden Lohnerhöhung | |
die Kaufkraft auf dem gleichen Niveau blieb. | |
Der Staat schoss immer Geld zu, für den öffentlichen Nahverkehr und für | |
Energie. Regierungskritiker halten die hohe Inflation für eine Folge der | |
großzügigen Sozialprogramme und Subventionen, die mithilfe der Notenpresse | |
finanziert werden. Das Vertrauen in den Peso ist erschüttert, viele | |
Investoren haben ihr Geld aus Argentinien abgezogen. | |
10 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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