# taz.de -- Bussi-Bussi: Anstandsbesuch aus Berlin | |
> Der Regierende weilte für einige Tage in Berlins Partnerstadt Buenos | |
> Aires. Am Ende ist außer netten Plaudereien wenig gewesen. | |
Bild: Amigos, so geht Stadtmarketing! Wowi mit Partner | |
Der freudige Anlass begann mit einem peinlichen kleinen Fauxpax. „Berlin | |
und Buenos Aires verbindet seit 20 Jahren eine Städtepartnerschaft. Aus | |
diesem Anlass werden der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus | |
Wowereit, und sein Amtskollege, Francisco Cabrera, heute die von der | |
Hauptstadtkampagne be Berlin initiierte zehntägige Ausstellung „Berlin | |
LIVE: Berlin meets Buenos Aires“ im städtischen Designzentrum (CMD) von | |
Buenos Aires eröffnen“, hieß es am 31. März in der offiziellen | |
Presseerklärung zu Wowereits kleiner Argentinienreise. | |
Leider falsch. Der Amtskollege in Buenos Aires heißt Mauricio Macri. | |
Schwamm drüber, 20 Jahre Freundschaft halten das aus. | |
Bevor der konservative Unternehmersohn Mauricio Macri sich 2007 zum | |
Regierungschef, wie Wowereits Amtskollege in Buenos Aires korrekt heißt, | |
wählen ließ, war er Präsident der Boca Juniors – einem der wichtigsten | |
Fußballclubs der argentinischen Hauptstadt. Dass er dort noch immer die | |
Fäden zieht, ist kein Geheimnis. Deshalb lud er Wowereit auch informell | |
gleich zum Superclásico in seine Loge in der Bombonera, dem Stadion der | |
Boca Juniors, ein. | |
Superclásico ist Boca Juniors gegen River Plate, die beiden Erzrivalen in | |
der Hauptstadt. Ein Fußballereigniss, gegen das Bayern – Dortmund | |
Zweitligaflair verströmt. „Du kannst alles verlieren, nur nicht den | |
Superclásico“, lautet das unerschütterliche Credo. Doch mit Wowereit kam | |
das Pech ins Stadion. Erstmals seit zehn Jahren verloren die Boca Juniors | |
auf eigenem Platz gegen River Plate. | |
Vielleicht plauderten die beiden Stadtoberhäupter, während sich die | |
Niederlage abzeichnete, auch über ganz andere Dinge: zum Beispiel darüber, | |
dass das Fahrradwegenetz in Buenos Aires in den letzten Jahren enorm | |
erweitert wurde. Dass im öffentliche Nahverkehr neue U-Bahn-Stationen | |
gebaut wurden und der Metrobus eigene Busspuren bekam. Dass der Bau der | |
Straßentunnel unter den Eisenbahnstrecken in der Stadt zügig | |
voranschreitet. Und dass das alles der Stadtbevölkerung und der | |
Amigowirtschaft der Regierung gleichermaßen zugutekommt. | |
## Plaudereien am Rande | |
Vielleicht sprachen die beiden Städtechefs aber auch darüber, dass die | |
rechtliche Gleichstellung homosexueller Menschen in Buenos Aires weiter | |
fortgeschritten ist als in Berlin. Schließlich dürfen homosexuelle Paare | |
dort bereits seit 2010 heiraten. Seit 2012 dürfen auch AusländerInnen ohne | |
festen Wohnsitz in Argentinien die gleichgeschlechtliche Eheschließung bei | |
den Standesämtern der Stadt beantragen. Im selben Jahr hat Argentinien als | |
erstes Land der Welt die Elternschaft zweier Männer für ein Kind anerkannt. | |
Und vergangenen Samstag wurde erstmals das Kind eines lesbischen Ehepaares | |
in der Kathedrale von Córdoba katholisch getauft. Eine der Taufpaten der | |
kleinen Umma war Präsidentin Cristina Kirchner. Aber da war der Besuch aus | |
Berlin schon wieder abgereist. | |
Im offiziellen Teil des Besuchs unterschrieben Wowereit und Macri ein | |
Abkommen über Energiemanagement in öffentlichen Gebäuden. Berlin will dabei | |
helfen, dass es an den rund 400 Grundschulen zukünftig Energiebeauftragte | |
geben soll. Schließlich wurde am vergangenen Mittwoch, als feierlicher | |
Höhepunkt des Freundschaftsbesuchs, die Ausstellung „Berlin LIVE: Berlin | |
meets Buenos Aires“ im Designzentrum Centro Metropolitano de Diseño (CMD) | |
eröffnet. | |
Doch seit dem Eröffnungsabend vor gut einer Woche besucht fast niemand mehr | |
die kleine Ausstellung der landeseigenen Marketingkampagne be Berlin, die | |
noch bis morgen im CMD zu sehen ist. Dabei ist es genau der richtige Ort | |
für die Designerstücke aus den Bereichen Grafik Design, freier Kunst und | |
Architektur aus beiden Städten, die in sieben geöffneten Überseekoffern zu | |
sehen sind. Der Haken: Die beeindruckend modern umgestaltete ehemalige | |
Fischmarkthalle liegt im südlichen Stadtteil Baracas – sozusagen das | |
Neukölln Buenos Aires’. Zudem ist die Ausstellung ausgerechnet am | |
Wochenende geschlossen. | |
Brenda Scholz ist dennoch gekommen. Ihre Mutter hat den Hinweis auf der | |
Internetseite des CMD gefunden. Ein wenig enttäuscht stehen die beiden | |
jetzt zwischen den Koffern. „Der Titel der Ausstellung hatte mehr | |
versprochen und aus Berlin ist auch niemand hier“, sagt die 18-Jährige. Sie | |
ist Berlin-Fan, ein Urururahn ist für ihren deutschen Nachnamen | |
verantwortlich. Letztes Jahr erst war die Familie zum Urlaub in Berlin. | |
Dass es eine Städtepartnerschaft zwischen Buenos Aires und Berlin gibt, | |
wissen sie nicht. Daran hat auch Wowereits Besuch nichts geändert, der in | |
der hiesigen Presse nur ein sehr geringes Echo auslöste. Ohnehin wissen die | |
wenigsten Porteños, die Hafenstädter, wie die Bewohner von Buenos Aires | |
sich selbst nennen, mit wem ihre Stadt Partnerschaften unterhält. Die Zahl | |
liegt bei 59, Berlin kommt dagegen auf gerade noch überschaubare 17 | |
Städtepartnerschaften. Dass die Idee der „Noche de los Museos“, der langen | |
Nacht der Museen, von Berlin übernommen wurde, weiß Brenda jedoch. Diese | |
wurde zum 10-jährigen Jubiläum der Langen Nacht 2014 erstmal auch in Buenos | |
Aires veranstaltet und ist seither eine Erfolgsgeschichte, wie an der | |
Spree. | |
## Keine Zeit für die Bären | |
Brenda und ihre Mutter werden heute die einzigen bleiben, die sich „Berlin | |
LIVE“ anschauen. Etwas mehr Publikum könnte dagegen die Ausstellung „250 | |
Jahre Jüdisches Krankenhaus Berlin“ anziehen. Die ist bis Ende Juni im | |
Jüdischen Museum im Stadtzentrum von Buenos Aires zu sehen. Die Eröffnung | |
fiel mit dem Besuch Wowereits zusammen, und so war der Regierende denn auch | |
präsent. | |
Zeit für einen Besuch im Zoo im Stadtteil Palermo blieb dagegen nicht. | |
Schade eigentlich, denn hier wohnen die Bären, die seit 20 Jahren die | |
Städtepartnerschaft täglich leben: die Berliner Bären Atze, Bärolina und | |
Ricke. | |
Die Geschichte dazu geht so: Ein Journalist der Berliner Zeitung beendete | |
1994 seinen Artikel über die bevorstehende Städtepartnerschaft mit dem | |
Hinweis, man könne dem Gast ja eines der fünf Braunbärenkinder mitgeben, | |
die gerade im Bärenzwinger am Köllnischen Park zur Welt gekommen waren, | |
immerhin sei der Bär ja das Wappentier der Berliner. Diesen Vorschlag griff | |
der damals regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen prompt auf und machte | |
seinem Amtskollegen aus Buenos Aires aus Anlass der Unterzeichnung des | |
Partnerschaftsabkommens ein Bärengeschenk: Atze, Bärolina und Ricke reisten | |
im August 1994 nach Buenos Aires. | |
Zwar trat Ricke vor einigen Jahren die Weiterreise in den Bärenhimmel an, | |
Atze und Bärolina sind jedoch noch immer eine Attraktion im Zoo von Buenos | |
Aires. Und womöglich hätte es Atze gerade jetzt gefallen, dem Regierenden | |
sein neues Gehege mit dem künstlichen Wasserfall zu zeigen, das er kürzlich | |
beziehen durfte. Dabei hätte er ihm sicher erzählt, dass es in den letzten | |
20 Jahren in Buenos Aires nicht immer so schön gewesen sei. | |
Er hätte ihm ebenfalls erzählen können, dass der Zoo in den letzten Jahren | |
von den Inhabern der Betreiberkonzession ausgesaugt und vernachlässigt | |
wurde und sein hiesiger Amtskollege keinerlei Interesse zeige, diesen | |
Zustand zu ändern. Dass er sich Sorgen mache, weil vorletzten Sommer der | |
Eisbär im Nachbargehege den Hitzetod starb und dass gerade hier im Zoo | |
partnerschaftliche Anregungen aus Berlin nicht schaden könnten. Vielleicht | |
würde dass die Freundschaft aber auch auf eine allzu harte Probe stellen. | |
8 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
Jürgen Voigt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |