Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rundumüberwachung der Polizei: Demonstranten im falschen Film
> Auf Demonstrationen darf die Polizei weiter mit der Kamera aufnehmen.
> Schließlich nütze das auch den Teilnehmern, urteilt das
> Landesverfassungsgericht.
Bild: Achtung, auch hier wird gefilmt: Polizist mit Ausrüstung auf einer Demo.
Die Polizei darf weiter Großdemonstrationen filmen: Das
Landesverfassungsgericht wies am Freitag eine Klage von Grünen, Linken und
Piraten ab. Nach Ansicht der meisten Richter wird das Grundrecht auf
Demonstrationsfreiheit durch die Kameraüberwachung nicht unverhältnismäßig
beeinträchtigt.
Die Koalition aus SPD und CDU hatte im vergangenen Jahr das
Versammlungsgesetz geändert und die Aufnahmen dort erlaubt. Vorher hatte
die Polizei jahrelang ohne Erlaubnis gefilmt, was das Verfassungsgericht im
Sommer 2010 für unzulässig erklärt hatte. Jetzt heißt es in dem Gesetz, die
Polizei dürfe Übersichtsaufnahmen machen, wenn es „wegen der Größe oder
Unübersichtlichkeit“ einer Demonstration „zur Lenkung und Leitung des
Polizeieinsatzes erforderlich ist“. Zwischen Mai 2013 und Februar 2014 war
das dreimal der Fall. Laut Gesetz darf die Polizei nur im Weitwinkel die
ganze Straße filmen, ohne zu zoomen; die Aufnahmen dürfen nicht zur
Erkennung einzelner Demonstranten genutzt werden, und sie dürfen nicht
gespeichert werden, sondern werden per Funk zur Einsatzzentrale übertragen
und dort auf einem Bildschirm angezeigt.
Laut dem Gericht greift die Polizei damit in das Grundrecht der
Demonstrationsfreiheit ein, weil die Aufnahmen abschreckend wirken. In dem
Urteil heißt es: „Wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer
Versammlung behördlich registriert wird und ihm dadurch persönliche Risiken
entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts
verzichten.“ Und die Aufnahmen schränken nicht nur den Einzelnen ein,
sondern auch die Gesellschaft insgesamt – weil das Demonstrieren in der
Öffentlichkeit „eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und
Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und
freiheitlichen Gemeinwesens ist“.
Andererseits verfolge die Polizei mit den Aufnahmen einen legitimen Zweck,
so das Gericht: nämlich die „effiziente Lenkung und Leitung von
Polizeieinsätzen bei großen oder unübersichtlichen Versammlungen“. Davon
würden auch die Demonstranten profitieren, weil es ja schließlich die
„Aufgabe der Polizei ist, die Ausübung des Grundrechts, sich frei und
friedlich zu versammeln, zu gewährleisten und zu schützen“. Sprich: Es mag
sein, dass die Demonstranten keine Überwachung wollen und davon
eingeschüchtert werden – aber es passiert ja nur zu ihrem Besten.
Einer der neun Richter hat ein abweichendes Votum abgegeben: Meinhard
Starostik, den die Piratenfraktion nominiert hatte. Als Anwalt hatte er
35.000 Kläger gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem
Bundesverfassungsgericht vertreten – und gewonnen. Starostik weist auf die
„Gefahr des Missbrauchs“ der Bilder etwa „durch politische Gegner oder
ausländische Nachrichtendienste“, die die Aufnahmen abfangen können – denn
eine Verschlüsselung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Im Ergebnis kommt
er zu einer anderen Abwägung als seine Richterkollegen: dass durch die
Aufnahmen so stark in die Grundrechte der Demonstranten eingegriffen wird,
dass dies nicht mehr zu rechtfertigen ist.
12 Apr 2014
## AUTOREN
Sebastian Heiser
## TAGS
Polizei
Verfassungsgericht
Berlin
Demonstrationen
Vorratsdatenspeicherung
Vorratsdatenspeicherung
Polizei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte um Vorratsdatenspeicherung: Bouffier spricht sich für Reform aus
Der Europäische Gerichtshof hatte die europaweite Richtlinie zur
Vorratsdatenspeicherung gekippt. Hessens Ministerpräsident will aber nicht
von ihr lassen.
Kein Vorstoß bei Vorratsdatenspeicherung: Lieber erst mal ignorieren
Das EU-Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist nach einem Urteil des
Europäischen Gerichtshofs hinfällig. Die Koalition will daher auf dem
Gebiet auch erst mal nichts tun.
Berliner Verfassungsgericht: Letzte Klappe für Amateurfilmer
Grüne, Linke und Piraten klagen wegen Polizeiaufnahmen von Demonstrationen.
Die Richter nehmen die Polizei in die Mangel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.