# taz.de -- Bildungskongress in Berlin: So viel Revolution wie nötig | |
> Die Initiative „Was bildet ihr uns ein“ fordert die Demokratisierung des | |
> Bildungssystems. Auf einem Kongress sollen die Betroffenen sprechen. | |
Bild: Ort der Revolution? Schulhof mit „Betroffenen“ | |
BERLIN taz | Sie wirken eigentlich nicht wie Revolutionäre. Einen | |
Sammelband über die Hürden des Bildungssystems haben sie herausgegeben, um | |
die bildungspolitische Debatte zu beeinflussen. Auf ihrer [1][Webseite] | |
fordern sie Altbekanntes: eine Schule für alle, mehr Chancengerechtigkeit, | |
die Abschaffung des Notensystems. Das alles wäre kaum der Rede wert, wäre | |
da nicht der radikaldemokratische Anspruch, den die Aktivisten der | |
Initiative „Was bildet ihr uns ein?“ vertreten, ihre explizite Bezugnahme | |
auf alle jene, die beschult werden, sich in ihrer Ausbildung oder im | |
Studium befinden. | |
„Wir wollen, dass alle, die sich im Bildungssystem befinden, dauerhaft an | |
der Ausgestaltung ihrer Bildung beteiligt werden,“ sagt Susanne Czaja von | |
der vor zwei Jahren gegründeten Initiative. Wenn sie von | |
„Bildungsbetroffenen“ spricht, ist ihre Kritik am Zustand des jetzigen | |
Systems nicht zu überhören. „Vor allem junge Menschen verbringen die meiste | |
Zeit ihres Tages in Bildungseinrichtungen, können aber kaum darüber | |
mitbestimmen, was und wie gelernt wird. Das wollen wir ändern“, so Czaja – | |
oder wie es im Untertitel ihres Buches heißt: „Eine Generation fordert die | |
Bildungsrevolution“. | |
Nach zahlreichen Aktionen und Auftritten in Politik-Diskussionen soll nun | |
ein [2][„junger Bildungskongress“] dazu beitragen, diesem Ziel ein Schritt | |
näher zu kommen. Bei dem Kongress, der am kommenden Wochenende in der | |
Evangelischen Schule in Berlin-Mitte stattfinden wird, werden mehr als 100 | |
bereits angemeldete „Bildungsbetroffene“ in Werkstätten über ihre Kritik | |
und Visionen diskutieren. Die Ergebnisse sollen anschließend zusammen mit | |
Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis gemeinsam ausgewertet werden. | |
Als Gast wird dabei auch Robert Rauh erwartet, ein Berliner | |
Geschichtslehrer, der im vergangenen Jahr auf Vorschlag seiner Schüler mit | |
dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet wurde. Für ihn ist der Kongress | |
etwas Besonderes, weil nicht „selbsternannte Bildungsexperten“ den Diskurs | |
vorgeben, sondern die jungen Menschen selbst. „Normalerweise wird über sie | |
gesprochen, jetzt kommen sie selbst zu Wort“, sagt Rauh. | |
In seinem Unterricht hat sich der junge Pädagoge die Beteiligung seiner | |
Schüler zur Maxime gemacht. Er überlässt ihnen nicht nur die Wahl, mit | |
welchen Themen sie sich beschäftigen wollen, sondern bezieht sie auch bei | |
der Bewertung von Leistungen, etwa bei Vorträgen und Präsentationen mit | |
ein. „Viele Lehrer haben die Befürchtung, zu viel aus der Hand zu geben und | |
dadurch an Autorität zu verlieren“, sagt Rauh, „doch das Gegenteil | |
passiert“. Erst so könne eine „entspannte Lernatmosphäre“ entstehen. | |
Eine Revolution muss es für Rauh nicht gleich sein, der Zustand des | |
Bildungssystems ist für ihn „keine Katastrophe“. Was er aber fordert ist | |
eine neue „Beziehungskultur zwischen Lerngruppe und Lehrkraft“. Auch wenn | |
Rauh andere Begriffe verwendet und weniger zuspitzt als die | |
Kongress-Initiatoren, ihre Kernforderung teilt er voll und ganz: | |
„Bildungspolitik sollte nicht ohne die Betroffenen gemacht werden“. | |
25 Apr 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://wasbildetihrunsein.de/ | |
[2] http://wasbildetihrunsein.de/bildungskongress-2014/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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