# taz.de -- Bildung: Diese Rechnung geht nicht auf | |
> Friedrichshain-Kreuzberg will Schulen vermeintlich überzählige Räume | |
> wegnehmen und an externe Nutzer vermieten. Der Bezirk verspricht sich | |
> davon Mehreinnahmen, Elternvertreter und Lehrkräfte sind entsetzt. | |
Bild: Friedrichshainer und Kreuzberger Schulen sollen Räume, die sie nach Bere… | |
Ausgerechnet das, was die Lina-Morgenstern-Schule (LMG) in Kreuzberg zu | |
einem geradezu perfekt geeigneten Ort für eine gute und moderne Schule | |
macht, droht nun ihr Problem zu werden. Die frühere Gesamtschule, seit vier | |
Jahren Gemeinschaftsschule, liegt auf großzügigem Gelände abseits von | |
Verkehr und Straßenlärm in dem Block zwischen Gneisenau-, Bergmannstraße | |
und Mehringdamm. Eine campusartige, großartige Anlage – vier Schulgebäude | |
insgesamt, zusätzlich noch eine Turnhalle. Viel Platz also für die | |
Gemeinschaftsschulidee – die es auch braucht, um große und kleine, schnell | |
und weniger schnell lernende Kinder, gemeinsam und trotzdem individuell zu | |
unterrichten. | |
Das Potenzial der großen Klassenzimmer mit den hohen Räume und den alten | |
Jugendstilfenstern hat nun allerdings auch der Bezirk für seine Zwecke | |
entdeckt, fürchten Sabine Bartsch, die Leiterin der | |
Lina-Morgenstern-Schule, und die Gesamtelternvertreterin Karina Malz. Das | |
Schulamt attestierte der Schule, sie verfüge über 18 überzählige Räume, die | |
sie abgeben solle. Sie sollen zur „externen Nutzung“, wie es in einem | |
Schreiben des bezirklichen Schulstadtrats an die Eltern heißt, an | |
Schulfremde vermietet werden – und dem Bezirk so Mieteinnahmen bescheren. | |
## Leerstand existiert nicht | |
Die LMG ist nicht die einzige Schule, die auf der Liste des Schulamts | |
steht. Zwei weiteren Oberschulen und fünf Grundschulen im Bezirk werden | |
dort überzählige Räume bescheinigt: fünf sind es im geringsten, 23 im | |
höchsten Fall. | |
Errechnet wird ihre Zahl auf der Bemessungsgrundlage der Senatsverwaltung | |
für Finanzen. Die gesteht Schulen ja nach Schülerzahl eine bestimmte Anzahl | |
von Klassenräumen zu, für die die Bezirke, zuständig für Erhalt und | |
Unterhalt von Schulgebäuden, dann entsprechende Finanzmittel bekommen. | |
Haben Schulen rechnerisch zu wenige Schüler für ihre Räume, wie bei den | |
acht Schulen, die das Schulamt ermittelt hat, reicht das Geld folglich | |
nicht aus. | |
Dabei weiß das Schulamt durchaus, dass die überzähligen Räume in der Regel | |
keineswegs ungenutzt sind: „Leerstand“ existiere nicht, heißt es im Text zu | |
der Liste der „rechnerisch freien“ Räume in Schulen. Im Gegenteil: In der | |
Regel sind Schulen froh über jeden Quadratmeter, der ihnen über die laut | |
amtlicher Bemessungsgrundlage zustehenden hinaus zur Verfügung steht. | |
Das gilt auch für die Lina-Morgenstern-Schule. Als Gemeinschaftsschule | |
strebt sie die Einrichtung einer eigenen Oberstufe mit den Klassen 11 bis | |
13 an. Als Integrationsschule für Kinder mit Behinderungen braucht sie | |
Extra-Räume für entsprechende Extra-Angebote. Gerade bei den | |
Integrationsschulplätzen hat die LMG jetzt schon mehr Anfragen, als sie | |
aufnehmen kann. Mit der Umgestaltung zur Gemeinschaftsschule wollte die | |
Schule ihre Attraktivität im Bezirk weiter erhöhen. Mit der Wegnahme eines | |
kompletten Gebäudes auf dem Schulgelände sehen Bartsch und Malz die | |
Entwicklungschancen der Schule sinken. | |
Denn das Gebäude, das das Bezirksamt bereits besichtigt hat, hat genau die | |
Anzahl von Räumen, die das Amt als überzählig ansieht. Elternvertreterin | |
Malz fürchtet deshalb, dass das Haus der Schule dauerhaft vermietet oder | |
gar verkauft werden soll. | |
Der bezirkliche Schulstadtrat Peter Beckers versichert auf taz-Anfrage, es | |
könnten zwar „zu konkreten Planungen noch keine Aussage getätigt werden“, | |
vorgesehen sei aber, „bei der ’externen Nutzung‘ Synergieeffekte auch für | |
die Schülerinnen und Schüler zu erzielen bzw. eine Symbiose zwischen Schule | |
und Mieter herzustellen“. Überlegungen bestünden etwa darin, „Nutzungen | |
durch KünstlerInnen aus dem Berliner Atelierprogramm“ zu ermöglichen. | |
Erfahrungen mit solchen Untervermietungen an Schulfremde bestehen laut | |
Beckers im Bezirk noch nicht. Denn das Angebot hat für potenzielle Mieter | |
so seine Tücken: Schulgebäude werden etwa in den Ferien nicht beheizt, und | |
der Zustand ihrer sanitären Anlagen dürfte so manchen Mieter in die Flucht | |
schlagen. | |
Der Bezirk Mitte praktiziert indes bereits, was Beckers in seinem Bezirk | |
plant. Volkshoch-, Musikschulen oder Jugendprojekte nutzen als Externe die | |
Räume in Schulen. Wie hoch die Einnahmen sind, die dem Bezirk dadurch | |
beschert werden, kann Mitte-Schulstadträtin Sabine Smentek (SPD) nicht | |
sagen. Aber so viel: „In die Lage, unser Haushaltsdefizit auszugleichen, | |
versetzt uns das nicht.“ | |
Die Schule will nun bei einem nächsten Gespräch mit dem Bezirk im Mai einen | |
eigenen Vorschlag machen, welche Räume sie zur Verfügung stellen könnte. | |
„Wir wollen ja nicht unkooperativ sein“, sagt Schulleiterin Bartsch. „Aber | |
wir wollen auch nicht unsere Entwicklungschancen aufgeben.“ | |
22 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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