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# taz.de -- Erster Weltkrieg im Zweiten: Such die Räuberpistole
> Zuerst Verschwörungstheorie, dann Dokumentation: Das ZDF widmet sich am
> Montagabend dem Attentat, das den Ersten Weltkrieg auslöste.
Bild: Verschwörung? Gavrilo Princip im ZDF-Film.
Herfried Münkler sagt es in der auf den Spielfilm folgenden Dokumentation
so: „Die Verschwörungstheorien lösen ein Problem, nämlich unsere
Unzufriedenheit mit der Verkettung von Zufällen und Schlampigkeiten. Aber
sie sind unhaltbar.“ Darüber hinaus ist aber ihm, Christopher Clark und
Gerd Krumeich, die sich jüngst alle in gewichtigen Buchveröffentlichungen
ihren Reim auf den Ersten Weltkrieg gemacht haben, sowie die dem Filmplot
zugrunde liegende These um die Räuberpistole keinen Kommentar wert.
Nämlich dass das dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs unmittelbar
vorausgegangene, von serbischen Nationalisten ausgeführte Attentat auf den
österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand tatsächlich einem von
deutsch-österreichischen Eliten ausgearbeiteten Plan folgte.
Das zu verraten ist kein Spoiler. Denn während die mit den Verschwörern
praktischerweise identischen Vorgesetzten des mit der Untersuchung des
Attentats betrauten jungen Justizrats Dr. Pfeffer (Florian Teichtmeister)
seine Unbedarftheit über- und seine Hartnäckigkeit unterschätzen,
durchschaut die junge Serbin Marija Jeftanovic (Melika Foroutan) das
perfide Spiel sofort.
Dr. Pfeffer macht ihr, wie man das damals wohl ausgedrückt hat, den Hof. Er
hält sie für „klug, hübsch, sehr reich“. Und weil sie so klug ist, erkl�…
sie ihm früh im Film, warum Franz Ferdinand aus dem Verkehr gezogen werden
musste: „Er wollte uns Slawen mehr Rechte gewähren, friedlich. Man hat also
zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: der Kriegsgegner ist tot, den
Kriegsgrund liefert seine Ermordung gleich mit.“
## In Dialoge eingearbeitete Geschichtslektionen
Möglicherweise hat sich Drehbuchautor Martin Ambrosch das Motiv, dass ein
Mann aus dem korrumpierten System heraus ermittelt und Dinge herausfindet,
von denen die Vorgesetzten nichts wissen wollen, bei Robert Harris
abgeguckt. Der Bestseller-Autor hat im vergangenen Jahr einen Roman über
den in der Dreyfus-Affäre untersuchenden Geheimdienstoffizier
veröffentlicht. Der Unterschied: Harris’ historischer Sachverhalt ist
zutreffend: eine Petitesse. Denn, wenn es nur gut gemacht ist, darf ein als
„investigativer Thriller“ verkaufter Spielfilm natürlich gerne auch die
abstruseste Räuberpistole auftischen.
Ist „Das Attentat“ wenigstens gut gemacht? Das Team aus Autor Ambrosch und
Regisseur Andreas Prochaska versteht sein Handwerk. Aber eine der
Erkenntnisse aus dem von amerikanischen Serien viel beschworenen goldenen
Zeitalter des Fernsehens ist offenbar immer noch nicht bis zu ihnen
durchgedrungen: dass gebrochene Charaktere spannender sind. Wahrscheinlich
war es mal wieder die Angst vor der Überforderung eines Zuschauers, den man
im Angesicht der etwas unelegant in die Dialoge eingearbeiteten
Geschichtslektionen vor dem geistigen Auge schon nach der Fernbedienung
greifen sah.
So viel Schwarz-Weiß-Denke war aber lange nicht mehr zu sehen. Viel mehr
noch als der brave Held, der sich einbildet, der Kriegsausbruch hinge
allein von ihm ab, stören die Kriegstreiber. Und als wäre das nicht genug,
bekommt auch noch jeder einzelne Verschwörer seine eigene Szene, in der er
sich dem Helden gegenüber als glühender Antisemit outen darf. Es ist dann
einfach zu viel, mehr als nur ein bisschen.
28 Apr 2014
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Schwerpunkt Erster Weltkrieg
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