| # taz.de -- Straßencamping in Venezuela: Zelten gegen die Regierung | |
| > Rund 350 StudentInnen campieren an der Avenida Francisco de Miranda in | |
| > der Hauptstadt Caracas. Sie protestieren gegen Präsident Maduro. | |
| Bild: Studenten im Zeltlager vor dem Hauptquartier der UN in Caracas. | |
| CARACAS taz | Die nächtlichen Schlachten auf den Straßen der Hauptstadt | |
| Caracas scheinen vorerst geschlagen zu sein. Nur noch selten rückt die | |
| Nationalgarde aus und geht mit Tränengas und Gummigeschossen gegen | |
| barrikadenbauende StudentInnen vor. In den Straßen um die Plaza | |
| Francia-Altamira im Stadtteil Chacao, durch die wochenlang jede Nacht die | |
| Tränengasschwaden waberten, erinnert der angekokelte Asphalt an die | |
| brennenden Barrikaden. Zwar kommt es vereinzelt noch zu Scharmützeln, doch | |
| ein Teil der oppositionellen StudentInnen und Jugendlichen hat eine neue | |
| Form des Protests gefunden: Camping. | |
| Bunt und ordentlich aufgereiht stehen die Zelte entlang der Avenida | |
| Francisco de Miranda in Chacao. „Wir haben uns bei den Straßenkämpfen rund | |
| um Altamira zusammengefunden. Uns war klar, dass dies nicht zum Erfolg | |
| führt. Im Gegenteil, es nutzte letztlich vor allem der Regierung“, sagt | |
| eine 27-jährige Studentin. „Doch wir bleiben auf der Straße, um absolut | |
| friedlich für den Abgang der Regierung zu protestieren.“ Vom Zeltplatz aus | |
| starten sie täglich mit Plakaten und Flugblättern in Minigrüppchen in die | |
| Innenstadt. In dreizehn Bundesstaaten gibt es bereist solche Camps, allein | |
| drei davon in Caracas. | |
| An der Avenida Francisco de Miranda waren sie am 24. März die ersten. Zu | |
| dem Zeitpunkt waren bereits über 25 Menschen bei den landesweiten Protesten | |
| gegen die Regierung ums Leben gekommen. „Anfangs waren wir rund 80 Leute. | |
| Vor dem Eingangsbereich des Hochhausturms Torre HP haben wir 30 Zelte | |
| aufgeschlagen“, sagt sie. | |
| Der Campingplatz wurde bewusst gewählt. Hier hat die UNO ihren Sitz hat. | |
| Die wichtigste Forderung der Camper richtet sich denn auch an die UNO: Sie | |
| soll eine Kommission nach Venezuela entsenden, um die | |
| Menschenrechtsverletzungen während der Proteste zu untersuchen. | |
| Vor dem Gebäudeeingang ist eine beeindruckende Sammlung leerer | |
| Tränengaskartuschen und Gummigeschosspatronen ausgestellt. Auf den | |
| Treppenstufen zum Nachbargebäude stehen die Namen der Todesopfer hinter | |
| Kreuzen, Blumen und ewigen Lichtern. Inzwischen liegt die Gesamtzahl der | |
| Todesopfer bei 41, darunter auch Polizisten. | |
| ## Gegen Gewaltlosigkeit sind sie machtlos | |
| Als der Platz für neue Zelte nicht mehr ausreichte, sperrten die Besetzer | |
| die halbe Avenida Francisco de Miranda. Jetzt stehen auf drei der sechs | |
| Fahrspuren und auf dem Vorplatz des Turms 180 Zelte, in denen rund 350 | |
| StudentInnen und Jugendliche campen. Träge schleicht der Verkehr an den | |
| Nyloniglus entlang. „Gehupt wird hier nur, um zu grüßen“, sagt die | |
| Studentin. | |
| Rund 60 Prozent der Camper sind Studis, dazu Schüler vor Studienbeginn | |
| sowie ehemalige Hochschuldozenten. Auch wenn ihre Ansichten mit dem harten | |
| Teil der parteipolitischen Opposition größtenteils übereinstimmen, geben | |
| sie sich parteiunabhängig. Einig sind sich alle in der Forderung, dass die | |
| Regierung von Nicolás Maduro weg muss. | |
| Sie habe Verpflegung dabei, wo sie die denn abgeben können, unterbricht | |
| eine Frau. Ihre beiden Söhne seien auch Studenten und bei den Protesten | |
| aktiv. „Das hier sind doch alles Helden“ ,entfährt ihr im Überschwang und | |
| dass sie in zwei Tagen mit der nächsten Fuhre wiederkomme. Über mangelnde | |
| Unterstützung durch die BewohnerInnen aus den umliegenden Vierteln können | |
| sie sich nicht beklagen. | |
| „Einmal nur rückte bisher die Guardia Nacional an“, erzählt ein anderer | |
| Campbewohner. „Dort drüben hatten sich 15 von uns zu einer Menschenkette | |
| zusammengeschlossen“, sein Arm weist zu der Treppe mit den Kreuzen. „13 | |
| wurden verhaftet. Wir anderen rund 100 haben uns hier auf den Treppenstufen | |
| vor dem Turm versammelt und angefangen zu beten. Sie haben uns in Ruhe | |
| gelassen. Möglicherweise gelten die Stufen wegen des UNO-Büros bereits als | |
| internationales Hoheitsgebiet. Zudem sind rund um das Gebäude sechzehn | |
| Sicherheitskameras installiert. „Gegen die Barrikaden haben sie mit Gewalt | |
| reagiert. Gegen unserer Gewaltlosigkeit sind sie machtlos“, sagt er. | |
| 5 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Vogt | |
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