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# taz.de -- Im Chavisten-Viertel von Caracas: „Hier schlägt keiner auf Töpf…
> In San Agustín del Sur haben viele Hugo Chávez’ Tod noch nicht
> verkraftet. Sie wissen, was er für sie getan hat. Doch die Kriminalität
> bleibt ein Problem.
Bild: „Es schmerzt, als wäre ein Bruder oder Sohn gestorben“: Hugo Chávez…
CARACAS taz | Von der Avenida Leonardo Ruíz Pineda gehen die Gassen steil
nach oben ab. Auf den Hügeln erstreckt sich San Agustín del Sur, ein
Stadtteil mit 50.000 EinwohnerInnen im ärmeren Westen von Venezuelas
Hauptstadt Caracas. In unzähligen Varianten blickt das Konterfei des ewigen
Kommandanten Hugo Chávez von den bunten Wänden der Häuser. Sein Nachfolger,
der aktuelle Präsident Nicolás Maduro, ist kaum zu sehen.
„Chávez hat den Menschen in San Agustín ihren Stolz wiedergegeben,“ sagt
Betty Suarez. Seit 20 Jahren lebt sie hier. Vor Chávez sei alles auf Miami
ausgerichtet gewesen. „Alles aus den USA war gut, alles von hier schlecht.
Unsere Kultur zählte nichts, wir zählten nichts.“
Unter dem Bild des Comandante Eterno in ihrer Küche kommen der 50-Jährigen
die Tränen. Chávez’ Tod hätten viele im Barrio noch immer nicht verkraftet.
„Es schmerzt, als wäre ein Bruder oder Sohn gestorben.“ Maduro sei mehr so
etwas wie sein Stellvertreter auf Erden, sagt Suarez.
„Heute haben wir Patria“, habe Chávez immer gesagt. „Für uns ist das
Heimat, der Duft der Arepas, den aus Maismehl gebackenen Fladenbroten, das
Hören unserer traditionellen Musik und die Besinnung auf Simón Bolívar,“
sagt sie. Das würden die im reichem Osten nicht verstehen. Für die sei
Miami immer noch näher als San Agustín.
Von den wochenlangen Protesten der Studierenden und der politischen
Opposition ist in San Agustín del Sur nichts zu spüren. „Hier baut niemand
Barrikaden, und niemand schlägt auf Kochtöpfe.“ Die Menschen in San Agustín
unterstützten die Revolution und könnten mit den Protesten nichts anfangen.
Vereinzelt hätten Nachbarn nach der letzten Präsidentschaftswahl auf ihre
Töpfe geschlagen, räumt sie ein. „Damals haben wir die Musik etwas lauter
gestellt.“
## Angst vor Erdrutschen
Was den Nachbarn wirklich Angst mache, seien Erdrutsche. „Dort sind vor
einigen Monaten vier Häuser weggesackt.“ Sie zeigt auf mehrere
Backsteinhaufen. „Zum Glück wurde niemand verletzt.“ Weiter oben hat das
staatliche Wohnungsbauprogramm erste Reihenhäuser bereitgestellt. „Viele
müssten hier eigentlich sofort ihre Ranchos verlassen, aber noch fehlen
Alternativen.“
Mit dem Metrocable geht es jetzt hinauf. Lautlos schwebt die Gondel über
die Wellblechdächer der an den Hängen klebenden Häuschen. Seit die
Regierung 2010 San Agustín mit einer Seilbahn überspannte, ist vieles
leichter geworden. Oben, an der Station La Ceiba, ist der Mercal, die
Filiale der staatlichen Lebensmittelkette Mercados de Alimentos. Schnell
hat sich herumgesprochen, dass es dort heute tiefgefrorene Hähnchen gibt.
Die Schlange ist beachtlich, die Stimmung gelöst.
Die Opposition setze auf die allgemeine Misere und darauf, dass die
Bevölkerung auch in San Agustín irgendwann die Geduld verliert. „Den Mangel
zu ertragen ist Teil unseres revolutionären Kampfes“, sagt Suarez. Käme die
Opposition an die Macht, gäbe es hier kein einziges Suppenhuhn. Dort drüben
gäbe es die staatliche Apotheke nicht, es würden keine neuen Häuser gebaut,
in den Schulen hier würden die Kinder keine drei Mahlzeiten am Tag gratis
bekommen, das Gesundheitszentrum wäre geschlossen. „Chávez’ bolivarische
Revolution hat uns viel gebracht.“
Schlimm sei noch die Kriminalität im Viertel. Es gebe zu viele Waffen. „Von
da oben wurde neulich in die Schlange vor dem Mercal geschossen. Von
Jugendlichen unter Drogen, einfach so“, erzählt Suarez. Und nachts, wenn
Banden aus anderen Vierteln einfielen, seien Schüsse zu hören. Drei Kugeln
schlugen schon in ihrer Küche ein. „Die Revolution hat noch viel zu
verbessern.“
13 May 2014
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Caracas
Hugo Chavez
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