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# taz.de -- Lily Allens neues Album „Sheezus“: Mit Haaren auf den Zähnen
> Lily Allen verpackt auf ihrem neuen Album „Sheezus“ die popfeministische
> Wut in hübsche Ohrwurm-Hits. Musikalisch aber fehlt der Wumms.
Bild: Hat geheiratet, Kinder bekommen und ein Album aufgenommen: Lily Allen.
Vor einigen Jahren saß ich im Auto meiner Eltern, im Radio lief der lokale
Radiosender. Unvermittelt lief ein hübsches Popstück von Lily Allen: „Fuck
you / fuck you very, very much“. Im Lokalradio! Etwas später wurde diese
Version zensiert und es klang in etwa so: „Piep you / piep you very, very
much“, damit war die Wucht weg, leider.
Das Besondere an Lily Allens Musik ist, dass sie große popfeministische Wut
in hübsche Hitsongs verpackt, die nicht mehr aus dem Kopf verschwinden. So
geraten Schimpfkanonaden auch mal klammheimlich in die Heavy Rotation.
Dadurch hören dann auch mal die zu, die sich noch nie mit den Problemen von
Künstlerinnen im Musikgeschäft auseinandergesetzt haben.
Für ihr [1][drittes Album „Sheezus“] hat Allen sich nun etwas Zeit
gelassen. Zeit, in der viel passiert ist, sie hat geheiratet und Kinder
bekommen. All diese Erfahrungen sind Thema auf ihrem neuen Album, wie immer
bei ihr verpackt in Popsongs, zu denen es sich prima bei einer Pyjamaparty
auf dem Bett herumhüpfen ließe.
Girlpower ist das Stichwort, aber Allen teilt lieber alleine aus, als
Banden mit ihren Kolleginnen zu bilden. Lady Gaga oder Beyoncé bekommen im
titelgebenden Stück „Sheezus“ ihr Fett weg. Der Titel ist auch eine
Anspielung auf Kanye Wests Album „Yeezus“, eine weitere Abrechnung mit der
Glamour-Pop-Welt, wie sie Allen nicht gefällt.
## Gewohnt rüde
Gewohnt rüde singt sie sich dann durch Texte über die Bettqualitäten ihres
Manns („L8 Comer“) und rechnet mit den Behauptungen der Klatschpresse ab
(„Silver Spoon“), und natürlich gibt es auch einen Song über ihr
Künstlerleben („Hard out here“). Textlich ist „Sheezus“ also wieder
erfreulich direkt: Sie singt mit Haaren auf den Zähnen.
Musikalisch hingegen fehlt der Wumms. Die Stücke sind zwar nach wie vor
ordentliche Ohrwurm-Popsongs, äußerst tanzbar und mit starkem
R’n’B-Einfluss. An manchen Stellen hört man Allen auch rappen, über ihre
Periode zum Beispiel. Leider klingen die elektronischen Beats, die das
Ganze untermalen, wenig aufregend. Fraglich ist zudem, ob es wirklich nötig
war, dass Allen und ihre Produzenten so tief in die Effekte-Kiste greifen
mussten.
Im Refrain zu „Air Balloon“ zum Beispiel ist ihre Stimme scheußlich hoch
gepitcht. Das Lied hat sie kürzlich auch bei einem recht seltsamen Auftritt
in der TV-Show „Schlag den Raab“ Playback gesungen. Dazu hüpften leicht
bekleidete schwarze Tänzerinnen hinter ihr, ähnlich denen in Allens
Videoclip „Hard out here“. Wenn es als Ironie gemeint war, kam sie in
diesem Moment nicht rüber. Es gab eine Zeit, da wirkte Lily Allens Wut über
die Härten des Showgeschäfts glaubhafter.
## Schlumpfines kleine Schwester
„Life for me“ ist ein weiteres Beispiel. Lily Allen bringt hier auf simple
Weise Dinge auf den Punkt: „Why does it feel like I’m missing something? /
Been there and done that, and it’s good for nothing / … / it’s a bit early
for a midlife crisis“, dann aber verschwinden diese Zeilen hinter dem
Autotune-Effekt, der Allens Stimme klingen lässt wie Schlumpfines kleine
Schwester.
Als Bonus covert Lily Allen „Somewhere only we know“, einen Song der
britischen Band Keane. Allens Version hat in der Weihnachtszeit bereits den
Werbespot für ein Kaufhaus untermalt. Sie zeigt, in all ihrem Schmalz, wie
schön Allen eigentlich singen kann. Falls sie ihren Kindern das Stück ab
und an als Schlaflied vorsingt, können die sich freuen. Seltsam, dass der
Song auf „Sheezus“ gelandet ist, denn er hat rein gar nichts zu tun mit dem
Thema des Albums. Aber gut, es heißt ja auch „Bonus Track“.
11 May 2014
## LINKS
[1] http://www.parlophone.co.uk/artists/lily-allen/
## AUTOREN
Julia Brummert
## TAGS
Pop
Feminismus
Schwerpunkt Eurovision Song Contest
China
elektronische Musik
Nachruf
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