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# taz.de -- Dealer im Görlitzer Park: „Gras kaufen wir von den Deutschen“
> Viele Marihuana-Verkäufer im Görlitzer Park würden lieber arbeiten,
> dürfen aber nicht. Fünf Dealer erzählen von ihrer Situation.
Bild: Razzia im Görlitzer Park.
Bisher konnten Afrikaner im Görlitzer Park auf der Grünanlage in
Berlin-Kreuzberg relativ ungestört Marihuana verticken. Seitdem Gerüchte um
Überfälle auf Passanten und den Verkauf harter Drogen kursieren, sind sie
dort unerwünscht. Wer sind diese Männer eigentlich? Fünf Protokolle:
## Ich muss meine Miete bezahlen
„Als ich vor etwas mehr als einem Jahr in Berlin ankam, kannte ich mich
nicht aus. Also habe ich ein deutsches Mädchen mit Rastas gefragt, wo ich
was zu rauchen kaufen könnte. Sie hat mich in den Görlitzer Park gebracht
und sagte: 'Hier findest du Leute, die deine Sprache sprechen.' So bin ich
hier gelandet.
Zuvor habe ich fünf Jahre in Köln gelebt und dort Kunst studiert, so wie
zuvor im Senegal. Ich bin legal hier, habe aber in Berlin keine
Arbeitserlaubnis. Vom Verkauf meiner Bilder kann ich noch nicht leben. Dazu
fehlen mir die Kontakte.
Ich habe ein kleines Einzimmerapartment, das 250 Euro kostet. Das muss ich
irgendwie bezahlen. Und im Jobcenter konnte man mir bisher nicht helfen.
Hier im Park verdient man manchmal 50 Euro in ein paar Minuten, je nachdem,
wie es so läuft. Die Polizei kommt sehr oft, meistens am Montag, weil dann
alle hier am meisten Gras dabeihaben. Früher kamen sie mit mehreren
Polizeiwagen. Wenn die anderen loslaufen, dann weißt du, dass du auch
abhauen musst. Bisher wurde ich noch nie erwischt. Manchmal sind sie auch
in Zivil unterwegs, setzen sich zu uns, kaufen etwas, quatschen mit uns –
und geben sich dann erst zu erkennen.
Letzten Montag waren plötzlich viel mehr Polizisten da, zu Fuß und mit
Hunden. Aber am nächsten Tag war es wieder ruhig. Man sollte den Verkauf
hier im Park legalisieren. Dann wäre endlich Frieden. Jeder weiß ja, dass
wir hier sind, und die Leute kommen deswegen her. Den Coffeeshop, der mal
im Gespräch war, brauchen wir nicht. Da würden sowieso andere Leute
arbeiten. Und wir hätten nichts zu tun.“ (B. aus dem Senegal)
## „Nicht alle Schwarzen im Park sind Dealer“
„Ich habe schon in 16 verschiedenen Ländern gelebt. In Deutschland bin ich
seit zwei Jahren. In meiner Heimat Gambia gibt es keine Demokratie. Deshalb
wandern alle jungen Menschen, die frei sein wollen, aus. Hier habe ich mal
für drei Monate als Koch in einem Restaurant gearbeitet, obwohl ich
eigentlich Schreiner gelernt habe. Das war mein einziger richtiger Job.
Als Schwarzer einen Job zu finden, ist schwierig. Ich habe auch keine
Wohnung. Ich bin ein Reisender, und als solcher musst du bereit sein,
überall zu übernachten: auf der Straße, im Park und auch im Gefängnis. Die
Leute hier haben Angst vor uns. Aber das ist absurd. Woher haben wir wohl
das Gras, das wir verkaufen? Glaubt ihr, das haben wir aus Afrika
mitgebracht? Das kaufen wir hier in Berlin von den Deutschen. Außerdem sind
auch nicht alle Schwarzen im Park Dealer. Manche kommen einfach nur vorbei,
um selbst zu rauchen oder um Freunde zu treffen.“ (M. aus Gambia)
## Jeden Tag Urlaub
„Ich war gerade zu Besuch bei meiner Schwester in England, das war 1995, da
habe ich eine deutsche Austauschschülerin kennengelernt. Wir haben uns
gleich ineinander verliebt. Ohne Visum habe ich mich im Reisebus nach Halle
an der Saale geschmuggelt und erst vier Jahre später eine
Aufenthaltsgenehmigung bekommen, als unsere erste Tochter zur Welt kam.
Später sind wir gemeinsam nach Berlin gezogen und haben uns schließlich
getrennt.
Ich arbeite als Gebäudereiniger, aber schwarz. Zu D-Mark-Zeiten habe ich
fast 14 Mark pro Stunde bekommen, das war viel Geld. Heute sind es gerade
mal sieben Euro, das ist nichts. Für das Geld will ich mir nicht von
anderen sagen lassen, was ich zu tun habe. Mein Lebensmotto lautet:
Everyday is a holiday. Ich bin lieber mein eigener Boss und gehe, wenn es
mir passt, circa dreimal die Woche putzen. An den restlichen Tagen bin ich
im Park und verkaufe nebenbei etwas Gras.
Ich habe viele Freunde hier, nicht nur Afrikaner, sondern auch Deutsche.
Als Jüngster von neun Geschwistern habe ich meine Eltern früh verloren, und
außer einem Bruder lebt sowieso keiner mehr in Gambia. Der Rest ist in
Europa verteilt. Deshalb war ich das letzte Mal vor sechs Jahren in der
Heimat.“ (B. aus Gambia)
## Polizei ist kein Problem
„Bevor ich vor drei Monaten nach Berlin kam, habe ich elf Jahre lang in
Portugal gelebt und habe auch einen portugiesischen Pass. Dort war ich als
Bauarbeiter tätig. Das würde ich auch hier gerne machen, aber ich habe in
Berlin noch keine Wohnung, sondern schlafe bei Freunden. Und solange ich
nicht gemeldet bin, kann ich nicht zum Jobcenter gehen. Also komme ich in
den Park. Hier verdiene ich etwa 25 Euro am Tag. Schließlich ist ja nicht
alles, was ich mit dem Gras einnehme, auch mein Gewinn.
Wenn die Polizei kommt, ist das kein großes Problem. Wird man erwischt,
muss man eine Strafe bezahlen. Bezahlt man die nicht, geht man für zwei,
drei Monate ins Gefängnis. Kein Problem. Mir ist das aber glücklicherweise
bis jetzt nicht passiert.
Dass hier im Park auch harte Drogen verkauft werden, wüsste ich nicht. Von
dem Kokainfund im Sandkasten des Spielplatzes habe ich auch in der Zeitung
gelesen. Wenn das jemand verkauft, sind das die Araber drüben beim
Güterbahnhof. Die verkaufen manchmal auch Speed und Ecstasy und rauben die
Leute aus. Wir machen so was nicht.“ (S. aus dem Sudan)
## Den Park nicht riskieren
„Keiner von den Jungs im Park würde hier stehen, wenn er einen richtigen
Job hätte. Auch wenn er dort nur fünf Euro in der Stunde verdienen würde.
Wir waren keine Kriminellen in unserer Heimat. Hier werden wir aber für
Kriminelle gehalten. Das ist der Ruf des Görlitzer Parks.
Das Problem ist: Wir werden immer mehr. In den letzten Monaten kamen immer
mehr neue Flüchtlinge dazu, aus Lampedusa und von anderen Orten. Klar, dass
es da manchmal Streit gibt. Zum Beispiel darüber, wer wo stehen darf oder
wer als Nächstes an der Reihe ist, wenn ein Kunde kommt. Aber wir streiten
immer nur untereinander. Die Passanten pöbeln wir ganz bestimmt nicht an.
Wir wollen den Park doch nicht riskieren. Deshalb verkaufen wir auch weder
harte Drogen noch an Kinder. Das würde ich bei den Jungs, die ich kenne,
nicht zulassen.“ (A. aus Gambia)
11 May 2014
## AUTOREN
Fatma Aydemir
Marlene Halser
## TAGS
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