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# taz.de -- Anti-Putin-Stimmung in der Westukraine: Putler kaputt!
> Die Bürger von Lwiw unterstützen den Oligarchen Poroschenko. Das
> Blutvergießen in der Ostukraine wird dort als schlimmer, aber lösbarer
> Konflikt gesehen.
Bild: Lwiw: „Putler kaputt“ steht unter dem Bild von Putin als Hitler.
LWIW dpa | Die Fotos der vielen toten Helden der proeuropäischen Revolution
in der Ukraine kleben neben einer Mahnwache am Rathaus von Lwiw (Lemberg).
„Sie sind für die Demokratie gestorben“, sagt der 24 Jahre alte Oleg am
Markt der mittelalterlichen Stadt. Neben dem Gedenkort steht ein
Protestzelt mit der Aufschrift: „Wir halten durch bis zum Schluss.“ Gemeint
ist die Präsidentenwahl am 25. Mai, von der sich die Menschen in der
proeuropäischen Westukraine Stabilität und einen Neuanfang erhoffen.
„Auf neue Weise leben“ lautet der Slogan auf den knallroten Plakaten von
Präsidentenkandidat Petro Poroschenko. Der Oligarch, der mit seinem Geld
und einem eigenen TV-Sender die Proteste auf dem Maidan mitgesteuert hat,
ist der Hoffnungsträger vieler. Nach dem Sturz von Präsident Viktor
Janukowitsch hat der 48-Jährige die besten Chancen. „Hier sind alle für
Poroschenko“, sagt die Souvenirverkäuferin Natalia. Sie verdient sich zur
Rente von 1.300 Griwna (rund 80 Euro) etwas dazu in der Altstadt, die zum
Unesco-Weltkulturerbe gehört.
Auch wenn der Milliardär aus dem „alten System“ stamme, so setze er sich
doch für eine europäische Ukraine ein, sagt Natalia. An dem auch durch
Süßwaren reich gewordenen Schokoladenkönig schätzt sie, dass er
Regierungserfahrung habe und wirtschaften könne. Selbst Vertreter von
Parteien, die eigene Kandidaten haben, räumen ein, dass der „zwar
uncharismatische, aber besonnene Poroschenko“ wohl der Richtige sei für die
brenzlige Lage in der Ex-Sowjetrepublik.
„Vielleicht braucht das Land einen Ruhepol“, sagt die Historikerin Galina
Kosak. Als Wahlkampfleiterin für die Präsidentenkandidatin Julia
Timoschenko lässt sie ihre Universitätsarbeit ruhen. Es sei für die
Timoschenko-Partei Batkiwschtschina bitter, dass die Ex-Regierungschefin
nach ihrer Haftentlassung im Februar die Massen nicht wie früher
mobilisieren könne, sagt Kosak. Dabei warnte vor allem Timoschenko oft vor
der Macht von Oligarchen wie Poroschenko.
## Keine Spur von Euphorie
Die Sehnsucht besonders der jungen Generation nach neuen Gesichtern in der
Politik ist in der Studentenstadt mit einer ausgeprägten
griechisch-katholischen Gemeinde stark. Von Euphorie ist aber keine Spur.
„Dazu hat es zu viele Tote gegeben bei dieser Revolution“, sagt Kosak. Auch
andere Akteure sprechen nach mehr als sechs Monaten Machtkampf von
Müdigkeit und der Sorge, dass die Krise vor allem mit Blick auf die
Abspaltungstendenzen und das Blutvergießen in der Ostukraine noch lange
nicht ausgestanden ist.
„Das Schlimmste kommt sicher erst noch“, meint Andrej Choljawko,
Fraktionschef der im Gebiet Lwiw stärksten Partei, Swoboda. Vor allem die
sozialen Probleme würden sich durch immer höhere Lebenskosten verschärfen.
Auch Swoboda mit ihrem Kandidaten Oleg Tjagnibok muss verschmerzen, dass
sie keine Chance hat bei der Wahl – „obwohl wir treibende Kraft waren auf
dem Maidan“, sagt Choljawko.
Zu Tausenden reisten Bürger von Lwiw im Winter ins Zeltlager in die
Hauptstadt, um den korrupten und zunehmend autoritären Machtapparat von
Janukowitsch zu stürzen. Dass nun Janukowitschs „wie ein Mafiastaat
organisierte“ Heimat Donezk eine bürgerkriegsähnliche Zone ist, hält
Choljawko für eine vorübergehende Erscheinung.
## Wie eine Kampfansage an Russland
Swoboda steht wie der in Lwiw ebenfalls präsente Rechte Sektor im Ruf,
antirussisch und ultranationalistisch zu sein. Auf dem Platz vor dem
Denkmal des Nationaldichters Taras Schewtschenko stehen sie, die Wahlzelte
der Parteien – auch das rote mit der schwarzen Aufschrift Rechter Sektor.
Die Programme lesen sich wie eine Kampfansage an Russland und dessen
Präsidenten Wladimir Putin. In der Stadt, die auch unter dem Sowjetdiktator
Josef Stalin litt, sind Bild-Montagen oder Karikaturen von Putin mit einem
Hitlerbärtchen verbreitet. „Putler kaputt“ steht in kyrillischer Schrift
auf einem Fassaden-Graffito.
Dass Moskau hier unbändigen Russen-Hass und ukrainischen Faschismus
aufziehen sieht, verurteilen viele als Propaganda. „Wir sind weltoffen,
europäisch und schätzen die einfachen Russen“, betont der 26 Jahre alte
Andrej Moskalenko, Leiter der Stadtverwaltung. Doch herrsche nach Russlands
Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim Angst, dass Putin das Land weiter
ins Chaos oder in Krieg stürzen wolle. Schon jetzt sei die
750.000-Einwohner-Stadt Lwiw der größte Auffangort im Land für Flüchtlinge
von der Krim – mit rund 2.000 Menschen, die vor den russischen Machthabern
dort geflüchtet seien.
„Auch wenn wir unterschiedliche Mentalitäten haben, so sind wir doch Bürger
eines Landes“, sagt Moskalenko. Die Stadt lade inzwischen Landsleute aus
Donezk ein, um ihnen europäische Toleranz vorzuleben. Für die Gäste aus der
Ostukraine, wo immer mehr russische Fahnen an öffentlichen Gebäude wehen,
zeigt sich Lwiw kämpferisch für eine geeinte Ukraine: an vielen Fassaden
hängen blau-gelbe Staatsfahnen.
16 May 2014
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